Kardinal Müller: „Brüderliche Zurechtweisung des Papstes sehr weit weg“ – „Ehelehre der Kirche ist eindeutig“


Kardinal Müller bei TGcom24 über die Möglichkeit einer "brüderlichen Zurechtweisung" von Papst Franziskus durch die Kardinäle
Kardinal Müller bei TGcom24 über die Möglichkeit einer "brüderlichen Zurechtweisung" von Papst Franziskus durch die Kardinäle

(Rom) Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, mel­de­te sich nach Drei­kö­nig als erster zu einer mög­li­chen „brü­der­li­chen Zurecht­wei­sung“ von Papst Fran­zis­kus durch die Kar­di­nä­le zu Wort. Eine sol­che „Zurecht­wei­sung“ war von Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke für die Zeit nach Epi­pha­nie in den Raum gestellt wor­den, soll­te sich der Papst wei­ter­hin wei­gern, umstrit­te­ne Tei­le des nach­syn­oda­len Schrei­bens Amo­ris lae­ti­tia zu kor­ri­gie­ren oder auch nur auf die Dubia (Zwei­fel) nam­haf­ter Kar­di­nä­le zu antworten.

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In einem Inter­view mit der Sen­dung „Stan­ze Vati­ca­ne“ des Nach­rich­ten­ka­nals TGcom24 von Media­set, das gestern aus­ge­strahlt wur­de, sag­te Kar­di­nal Müller:

„Jeder, vor allem die Kar­di­nä­le der Römi­schen Kir­che, haben das Recht, dem Papst einen Brief zu schrei­ben. Es hat mich aber erstaunt, daß die­ser öffent­lich gemacht wur­de, um den Papst fast zu zwin­gen, Ja oder Nein zu sagen. Das gefällt mir nicht. Auch eine brü­der­li­che Zurecht­wei­sung scheint mir sehr fern, in die­sem Moment ist sie nicht mög­lich, weil es sich nicht um eine Gefahr für den Glau­ben han­delt, wie der hei­li­ge Tho­mas gesagt hat.“

Und der Kar­di­nal weiter:

„Wir sind sehr weit weg von einer Zurecht­wei­sung, und ich sage, daß es ein Scha­den für die Kir­che ist, über die­se Din­ge öffent­lich zu dis­ku­tie­ren. Amo­ris lae­ti­tia ist sehr klar in sei­ner Leh­re, und wir kön­nen die gan­ze Leh­re Jesu über die Ehe inter­pre­tie­ren, die gan­ze Leh­re der Kir­che in 2000 Jah­ren der Geschich­te. Papst Fran­zis­kus ersucht, die Situa­ti­on die­ser Per­so­nen, die in einer irre­gu­lä­ren Ver­bin­dung leben, zu prü­fen gemäß der Leh­re der Kir­che über die Ehe, und er ersucht, die­sen Per­so­nen zu hel­fen, einen Weg für eine erneu­te Ein­glie­de­rung in die Kir­che gemäß den Vor­aus­set­zun­gen der Sakra­men­te, der christ­li­chen Bot­schaft über die Ehe zu fin­den. Ich sehe aber kei­nen Wider­spruch: auf der einen Sei­te haben wir die kla­re Leh­re der Kir­che über die Ehe, auf der ande­ren Sei­te die Pflicht der Kir­che, sich um die­se Per­so­nen in Schwie­rig­keit zu sorgen.“

Kann Amoris laetitia im Licht der Tradition gelesen werden? „Ja“, sagt Kardinal Müller

Damit bekräf­tig­te der Glau­bens­prä­fekt sei­nen am 4. Mai 2016 begon­ne­nen Ver­such, Amo­ris lae­ti­tia im Licht der Tra­di­ti­on zu lesen und zu inter­pre­tie­ren. Eine Sicht­wei­se, die jede Abwei­chung von der Leh­re aus­schließt, selbst für den Fall, daß eine sol­che im Doku­ment ent­hal­ten wäre. Die­se Inter­pre­ta­ti­on setz­te der Kar­di­nal im ver­gan­ge­nen Mai mit einer Lec­tio magi­stra­lis in Ovie­do den auf­kom­men­den Gegen­sät­ze um das nach­syn­oda­le Schrei­ben entgegen.

Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster schrieb damals dazu:

„Mit einer monu­men­ta­len Rede in Spa­ni­en stell­te der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on das nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia in den Fluß der bis­he­ri­gen Ord­nung der Kir­che. Zu spät, weil Fran­zis­kus es so geschrie­ben hat, daß man das Gegen­teil davon versteht.“

Kar­di­nal Mül­ler ver­sucht gewis­ser­ma­ßen die „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ von Papst Bene­dikt XVI. auf Amo­ris lae­ti­tia anzu­wen­den. Die Linie hat den Neben­ef­fekt, einem offe­nen Kon­flikt mit Papst Fran­zis­kus aus dem Weg zu gehen, der Mül­ler und die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on in den ver­gan­ge­nen Mona­ten weit­ge­hend igno­rier­te, sodaß im Sep­tem­ber 2016 bereits Ablö­sungs­ge­rüch­te auftauchten.

Obwohl Kar­di­nal Mül­ler bis­her kei­ne öffent­li­che Kri­tik am Papst äußer­te, sich aber einer Ände­rung der Ehe­leh­re in den Weg stell­te, genüg­te dies bei Fran­zis­kus in Ungna­de zu fal­len. Der Madri­der Erz­bi­schof Car­los Osoro, den Fran­zis­kus am 19. Novem­ber zum Kar­di­nal krei­ier­te, distan­zier­te sich des­halb prä­ven­tiv und demon­stra­tiv von Mül­ler, als die­ser im April 2016 in Madrid sein jüng­stes Buch „Zur Lage der Hoff­nung“ vor­stel­len woll­te. Er Erz­bi­schof unter­sag­te die Prä­sen­ta­ti­on an der katho­li­schen Uni­ver­si­tät des Bis­tums, da er „nichts von einem Buch wis­sen will, das gegen den Papst ist“.

Osoro wur­de dafür auch nach­ge­se­hen, daß er anfangs zwei aka­de­mi­sche Gra­de zuviel nach Rom gemel­det hat­te, als er von Fran­zis­kus zum Erz­bi­schof von Madrid ernannt wur­de. Die bei­den „Gei­ster­ti­tel“ (Info­Va­ti­ca­na) sind im Zuge der Kar­di­nals­er­he­bung still und lei­se aus dem offi­zi­el­len vati­ka­ni­schen Lebens­lauf des Neo­kar­di­nals verschwunden.

Die „grund­lo­se“ Ent­las­sung zum 31. Dezem­ber von drei Mit­ar­bei­tern Mül­lers an der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on durch Papst Fran­zis­kus wur­de als „Schuß vor den Bug“ des Glau­bens­prä­fek­ten gedeutet.

Nam­haf­te Theo­lo­gen, Phi­lo­so­phen, Bischö­fe, so auch die vier Unter­zeich­ner der Dubia, die Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra und Meis­ner, tei­len hin­ge­gen die Ein­schät­zung Magi­sters. Im Gegen­satz zu Kar­di­nal Mül­ler sind sie der Über­zeu­gung, daß die Les­art einer Kon­ti­nui­tät, und damit einer Ver­ein­bar­keit der umstrit­te­nen Aus­sa­gen von Amo­ris lae­ti­tia und dem Lehr­amt der Kir­che, nicht mög­lich ist. Daher sei unbe­dingt und so bald als mög­lich eine „Klä­rung“ der Zwei­deu­tig­kei­ten herbeizuführen.

Sie­he dazu:

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: TGcom24 (Screen­shot)

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11 Kommentare

  1. Mül­ler redet sehr spät für sei­ne Stel­lung zu spät zu die­sem aktu­el­len The­ma, so als habe er zunächst den Wind abwar­ten müs­sen. Für sei­ne Wor­te aber zum jet­zi­gen Zeit­punkt gilt: „Si tacuisses.“

    • Das ist genau Kar­di­nal Mül­lers Art, wie wir sie in unse­rer Diö­ze­se Regens­burg zu sei­ner Bischofs­zeit ken­nen­ge­lernt haben. Erst mal abwar­ten und nichts sagen. Aber irgend­wann hat er sich dann wenig­stens geäu­ßert, in wel­che Rich­tung auch immer. (Vom aktu­el­len Bischof Voder­hol­zer hört und liest man so gut wie nichts: „etsi non daretur“)

      • Mein bester @Otto D.,
        Was Sie nicht sagen!
        Ich war­te näm­lich immer noch auf die Kom­men­ta­re v. Bischof Voder­hol­zer zu „Evan­ge­lii Gau­di­um, die er vor mehr als zwei­ein­halb Jah­ren ankün­dig­te „nach genau­em Stu­di­um“ jenes Textes.
        S.Em. Kard. Bur­ke hat schon damals öffent­lich gesagt: „Evan­ge­lii Gau­di­um gehört NICHT zum Lehr­amt der Kirche!“.
        Eine kri­ti­sche Beleuch­tung hät­te mich schon inter­es­siert (P.Schmidberger FSSPX hat das damals sehr fach­män­nisch kommentiert)

  2. Herrn Kar­di­nal Müller‚s Art von Maul­korb­er­laß kann die Wun­de, die Papst Fran­zis­kus und sei­ne Mit­strei­ter der Kir­che, ihren zeit­los gül­ti­gen Leh­ren und dem Vol­ke Got­tes seit eini­gen Jah­ren nun­mehr zufü­gen, nicht mehr zukle­i­stern. Kar­di­nal Müller‚s Ver­ständ­nis von AL in allen Ehren, aber die Par­tei­gän­ger von Papst Fran­zis­kus sind selbst völ­lig ande­rer Ansicht als er.
    Und es ist abso­lut kei­ne Zumu­tung und auch kei­ne Unan­ge­mes­sen­heit nicht nur nicht allein von den Kar­di­nä­len, son­dern auch von vie­len ande­ren hoch­ran­gi­gen Per­sön­lich­kei­ten in Kir­che und Welt (wie bspw. dem Phi­lo­so­phen Robert Spae­mann) wie auch gemei­nen Chri­sten den Papst zu fra­gen, ob die immer­gül­ti­gen Leh­ren und Sakra­men­te noch gel­ten. Und dar­auf hat und muß die­ser Papst ant­wor­ten und sei­ne Wei­ge­rung gepaart mit Wut­aus­brü­chen, Ant­wor­ten auf die 5 Fragen/​Dubia der Kar­di­nä­le zu geben, spricht schon Bände.

    • Kor­rek­tur zu: „Kar­di­nal Müller‚s Ver­ständ­nis von AL in allen Ehren, aber die Par­tei­gän­ger von Papst Fran­zis­kus sind selbst völ­lig ande­rer Ansicht als er.“- Die­sen von mir wohl­ge­mein­te Satz muß man wohl strei­chen, da Herr Kar­di­nal Mül­ler nun­mehr wohl auch zu denen gehört, die „unter­schei­den“, d.h.: die die Betrof­fe­nen nach per­sön­li­cher Gewis­sen­la­ge selbst ent­schei­den las­sen möchten.

      • Ja, so scheint es zu sein. Und dar­aus ist wohl der Schluss zu zie­hen, dass AL doch eine kla­re Aus­sa­ge hat: Schwarz-weiß-Den­ken ist bei der Beur­tei­lung mensch­li­cher Bezie­hun­gen – und die Ehe ist einen sol­che – unan­ge­bracht. Man kann eben genau nicht den Ein­zel­fall mit einer all­ge­mei­nen und für alle Fäl­le gül­ti­gen Beur­tei­lung und Lösung erfas­sen. AL ver­sucht die Über­win­dung der Kasu­istik in der Theo­lo­gie und ist in die­sem Sin­ne durch­aus ein Para­dig­men­wech­sel, aber ein sehr heil­sa­mer Para­dig­men­wech­sel. Die doch sehr lega­li­sti­sche Betrach­tung der Ehe ist laut AL eben nicht (mehr) ange­bracht. Es ist auch eine Rück­kehr zu den Vätern und zu Jesus. Denn offen­sicht­lich haben die Apo­stel kei­ne so unbe­ding­te Unauf­lös­lich­keit der Ehe vor Augen gehabt. Sonst hät­ten die Evan­ge­li­sten nicht Aus­nah­men hin­zu­ge­fügt (Mat­thä­us mit der Unzucht, Pau­lus mit dem Pau­li­ni­schen Pri­vi­leg). Auch im Rah­men der legi­sti­schen Betrach­tung der Ehe durch die römi­sche Kir­che gibt es einen Auf­lö­sungs­grund eine gül­tig geschlos­se­nen Ehe im Petri­ni­schen Pri­vi­leg. Da wird nicht ungül­tig erklärt, son­dern aufgelöst.
        Übri­gens: die­ser römi­sche Legis­mus ist der Ost­kir­che ja voll­kom­men fremd und ein Spe­zi­fi­kum der Westkirche.

  3. Die Aus­sa­gen von Herrn Kar­di­nal Mül­ler sind sehr irri­tie­rend und man ist hin- und her­ge­wor­fen bzgl. einer rech­ten Ein­schät­zung. Er ver­lor auf har­te Wei­se 3 sehr gute Mitarbeiter.
    Viel­leicht sieht er das dro­hen­de Schis­ma und ver­sucht es abzu­wen­den oder zumion­dest auf­zu­hal­ten. Jeden­falls kön­nen sei­ne Wor­te dar­auf schlie­ßen las­sen, daß es im Vati­kan an allen Ecken und Enden brodelt.

  4. Kar­di­nal Muel­ler sagt, AL sei sehr klar in sei­ner Leh­re, und die Leh­re der Kir­che ueber Ehe und Sakra­men­ten­emp­fang aen­dert sich nicht. War­um faellt es Papst Fran­zis­kus dann so schwer auf die Dubia zu ant­wor­ten und die Leh­re der Kir­che zu bekraef­ti­gen?? Ich bin froh, dass der Glau­be des Kar­di­nals fest steht mit der Leh­re der Kir­che. Es kuem­mert ihn schein­bar nicht, dass Mil­lio­nen See­len ver­wirrt sind und sogar in Zustand von ernst­haf­ter Suen­de die Hl. Kom­mu­ni­on emp­fan­gen, weil sie sich mit den Aus­sa­gen des Pap­stes bestae­tigt sehen. Ist das ein Schwert das das Herz der Mut­ter­got­tes durch­dringt, damit die Gedan­ken vie­ler Her­zen offen­bar werden?

  5. Mich wun­dert das Wunsch­den­ken so man­cher über den Stand­punkt Kar­di­nal Mül­lers doch sehr. Er war in einer der deut­schen Grup­pen der Syn­ode und hat genau der Theo­lo­gie von AL zuge­stimmt (das Ergeb­nis war näm­lich ein­stim­mig). Der Vor­schlag sei­ner Grup­pe (mode­riert von Kard. Schön­born) war eine Grund­la­ge von AL. Seit­her ver­ste­he ich den angeb­li­chen Gegen­satz zur Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, der hier und in ande­ren Blogs etwas ver­zwei­felt kon­stru­iert wird, nicht mehr.

  6. „Um den Papst fast zu zwin­gen ja oder nein zu sagen“. Es geht doch nicht um eine per­sön­li­che Stel­lung­nah­me des Pap­stes, son­dern um die Ein­deu­tig­keit der katho­li­schen Glau­bens­leh­re, auf die jeder Katho­lik ein Recht hat. Ohne den Gesin­nungs­wan­del bei Kar­di­nal Mül­ler, wäre er wahr­schein­lich der näch­ste Ent­las­se­ne. Er ist somit kaum ein Glau­bens­zeu­ge, weil auch er uns im unkla­ren lässt.

  7. @Johann: Hier in der Nie­der­lan­den ist der Haupt­re­dak­tor des Katho­li­sches Nieuwsblatt,eine Katho­li­sche Wochen­zei­tung, nach20 Jah­re Arbeit jetzt ent­las­sen wor­den da er Papst Fran­zis­kus und Amo­ris Lae­ti­tia kri­ti­ziert hat.

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