(Rom) Mit dem Motu proprio Humanum Progressionem errichtete Papst Franziskus gestern, 31. August, ein neues Dikasterium „für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen“. Papst Franziskus machte sich einen Vorschlag von Kardinal Peter Turkson zu eigen und gab heute ein achtes leibliches und ein achtes geistliches Werk der Barmherzigkeit bekannt.
Das neue Dikasterium wird am 1. Januar 2017 ad experimentum seine Arbeit aufnehmen. Darin werden die Zuständigkeiten von gleich vier bisherigen Dikasterien zusammengefaßt: des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, des Päpstlichen Rates Cor Unum, des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs und des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst. Die genannten Dikasterien werden zu Jahresbeginn aufgelöst.
Das Motu proprio umreißt die Zuständigkeiten wie folgt:
„Dieses Dikasterium wird besonders für die Fragen zuständig sein, welche die Migrationen, die Bedürftigen, die Kranken und die Ausgeschlossenen, die Ausgegrenzten und die Opfer bewaffneter Konflikte und von Naturkatastrophen, die Gefangenen, die Arbeitslosen und die Opfer jeder Form von Sklaverei und Folter betreffen.“
Zum ersten Präfekten des neuen Dikasteriums ernannte Papst Franziskus den aus Ghana stammenden Kardinal Peter Turkson, der bisher Vorsitzender des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden war. Ein Amt, daß Turkson seit 2009 bekleidete.
Papst übernimmt persönlich Leitung der Sektion „Flüchtlinge und Migranten“
Das Dikasterium wird aus mehreren Sektionen bestehen. Laut Artikel 1, Paragraph 4 der bisher nur in italienischer Sprache veröffentlichten Statuten übernimmt Papst Franziskus selbst die Leitung ad tempus der Sektion „Flüchtlinge und Migranten“.
Am 17. August war die Errichtung eines anderen neuen Dikasteriums bekanntgegeben worden, de Dikasteriums für Laien, Familie und Leben. Beiden neuen „Ministerien“ des Vatikans teilte Papst Franziskus keine bestimmte Rechtsform mit. Dikasterien werden allgemein alle Verwaltungseinrichtungen des Heiligen Stuhls genannt. Ob die neuen Dikasterien Sekretariate, Kongregationen oder Räte sind, geht aus den Motuproprien Sedula Mater und Humanum Progressionem nicht hervor.
Achtes leibliches und geistliches Werk der Barmherzigkeit
In seiner heutigen Botschaft zum Weltgebetstag zur Bewahrung der Schöpfung gab Papst Franziskus bekannt, daß es künftig acht leibliche und geistliche Werke der Barmherzigkeit geben solle statt bisher sieben. Das achte leibliche Werk der Barmherzigkeit solle, so der Papst, „die Bewahrung der Schöpfung“ sein; das achte geistliche Werk der Barmherzigkeit die „dankerfüllte Betrachtung der Welt“.
„Als leibliches Werk der Barmherzigkeit verlangt die Sorge um das gemeinsame Haus die ‚einfachen alltäglichen Gesten […], die die Logik der Gewalt, der Ausnutzung, des Egoismus durchbrechen […], und zeigt sich bei allen Gelegenheiten, die zum Aufbau einer besseren Welt beitragen‘“, so der Papst unter Verweis auf seine Öko-Enzyklika Laudato si.
„Die Erde schreit auf, weil wir gesündigt haben“, so Papst Franziskus wörtlich im Zusammenhang mit der „unverantwortlichen Ausbeutung der Erde“. Bereits in Laudato si hatte Franziskus von der „Klage der Armen“ gesprochen, neben der auch die „Klage der Erde“ gehört werden müsse.
Der Papst nahm eine neue Lesart der leiblichen Werke der Barmherzigkeit vor: Krankenhäuser für die Kranken, Mittagstische für die Hungrigen, Herbergen für die Obdachlosen, Schulen für die, welche eine Ausbildung brauchen, und Beichtstuhl und geistliche Leitung für die, welche Rat und Vergebung nötig haben … Wenn wir sie aber gemeinsam betrachten, dann lautet die Botschaft, dass der Gegenstand der Barmherzigkeit das menschliche Leben selbst ist und zwar in seiner Ganzheit.“
Eine ähnliche These hatte Kardinal Peter Turkson im vergangenen Mai vertreten. Turkson sagte damals, daß es nicht nur die sieben vom Katechismus der Katholischen Kirche gelehrten Werke der Barmherzigkeit gebe, sondern acht. Als achtes leibliches Werk der Barmherzigkeit nannte der gestern von Papst Franziskus zum ersten Präfekten des neuen Dikasteriums ernannte Kardinal: „die Bewahrung der Schöpfung“.
Kardinal Turkson: Warner vor Islamisierung – Vertreter der Geburtenkontrolle
Kardinal Turkson fiel in der Vergangenheit durch ganz unterschiedliche Aussagen und Maßnahmen auf. Im Oktober 2012 ließ der damalige Vorsitzende von Iustitia et Pax den in Rom zur Bischofssynode versammelten Synodalen aus der ganzen Welt den Dokumentarfilm Muslim Demographics über die Islamisierung der Welt vorführen. Das Thema Islam ist so „heiß“, daß der Sieben-Minuten-Film, der die demographische Entwicklung in Europa aufzeigt, für hellste Aufregung im Vatikan sorgte. Der Druck hinter den Kulissen war enorm. Islamische Medien beschuldigten den Vatikan der „Islamophobie“. Schließlich knickte Kardinal Turkson ein und distanzierte sich von der Filmvorführung.
Unter Papst Franziskus äußerte der Kardinal im Herbst 2015 in einem BBC-Interview die Ansicht, daß Geburtenkontrolle zur „Bewahrung der Schöpfung“ beitrage. Damit übernahm der Purpurträger die Diktion der Überbevölkerungsideologen des Club of Rome. Eine Position, die Planned Parenthood ebenso vertreten wird wie von Bill Gates. Die Weltbevölkerung solle auf ein „öko-verträgliches“ Maß dezimiert werden. Die Instrumente dazu sind Sexualaufklärung, Verhütung, Sterilisation und natürlich Abtreibung.
Kardinal Turkson sprach sich in der Vergangenheit entschieden gegen die Aufnahme der Abtreibung in die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO aus. Seit der Amtsübernahme durch Papst Franziskus zeichnet sich jedoch eine Annäherung zwischen Vatikan und den Überbevölkerungsideologen ab, die ihren Ausgangspunkt im Schweigen von Papst Franziskus zum Übel der Abtreibung nahm und in seine Ankündigung überleitete, diesem Thema keine vorrangige Bedeutung beizumessen.
Turkson war in die Ausarbeitung seiner Öko-Enzyklika Laudato si eingebunden worden, die er im Namen des Papstes der Öffentlichkeit vorstellen durfte. Der Enzyklika war eine Annäherung zwischen Vatikan und UNO vorausgegangen. Neo-Malthusianer waren im Zuge dieser Annäherung als Mitglieder in die Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften aufgenommen worden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL