(Aden) Bei einem Angriff islamischer Extremisten auf ein Pflegeheim in der jemenitischen Stadt Aden wurden heute 14 Menschen getötet, darunter vier katholische Ordensfrauen. Die Missionarinnen der Nächstenliebe waren vor Jahren von der Regierung des Südjemen eingeladen worden, eine Hilfe zu leisten, die von den meisten Menschen gemieden wird. Die Schwestern pflegten Leprakranken, dazu kümmerten sie sich um Alte, Arme und Kinder. Unter den Toten, alles Zivilisten, befinden sich auch drei Mitarbeiter der Schwestern, wie das Apostolische Vikariat Südliches Arabien mitteilte. Der Priester der Niederlassung, Pater Tom Uzhunnalil aus dem Salesianerorden, der die Schwestern betreute, wurde von den Angreifern verschleppt.
Mutter Teresa von Kalkutta, die Gründerin der Missionarinnen der Nächstenliebe, willigte unter einer Bedingung in die Einladung der Regierung ein. Auch Priester sollten zur geistlichen Betreuung der Schwestern in das moslemische Land, das damals eine mit der Sowjetunion verbündete sozialistische Diktatur war, einreisen dürfen. Neben den Missionarinnen der Nächstenliebe wirken heute fünf Priester des Salesianerordens des Heiligen Don Bosco in Taiz, Hodeidah, Sana und Aden. Die katholische Gemeinschaft des Jemens besteht fast ausschließlich aus Gastarbeitern von den Philippinen, aus Sri Lanka, Indien und Pakistan. Die kleine einheimische christliche Gemeinde führt sich auf die äthiopische Mission im 5. Jahrhundert zurück. Sie konzentriert sich in und um Aden. Im September 2015 wurde von Islamisten die letzte Kirche des Landes zerstört.
Aden, die ehemaligen Hauptstadt des Südjemen und faktische Hauptstadt des 1990 wiedervereinten Jemen, gilt als Zentrum der Dschihadisten. Es wird vermutet, daß die Attentäter einer Islamistenmiliz angehören, die mit Al-Qaida verbunden ist.
„Sie haben bis zum Äußersten ihre Aufgabe als Missionarinnen der Nächstenliebe erfüllt“
Mit bewegenden Worten gab Kardinal Oswald Gracias, der Erzbischof von Mumbai, die Ermordung der vier Ordensfrauen bekannt. Der Kardinal ließ keinen Zweifel, daß der Angriff den katholischen Schwestern galt und „religiös motiviert“ war. „Wir sind von großer Traurigkeit erfüllt, wegen dieser Tragödie. Die Schwestern der seligen Mutter Teresa von Kalkutta waren erfüllt vom Durst nach Jesus Christus. Diese Sehnsucht ließ sie in den Jemen gehen und für die Ärmsten auf den Straßen da sein, in Krankenhäusern, Alten- und Kinderheimen wirken. Ihre persönliche Liebe zu Christus brachten sie in ihrem selbstlosen Dienst für das jemenitische Volk zum Ausdruck.“
„Sie haben bis zum Äußersten ihre Aufgabe als Missionarinnen der Nächstenliebe erfüllt. Möge Gott ihnen die ewige Glückseligkeit schenken, indem sie Sein Antlitz schauen dürfen“, so Kardinal Gracias, der ankündigte, daß die Kirche in Indien heute abend Eucharistische Anbetung halten und bei dieser Gelegenheit für den Jemen und für die Rückkehr von Pater Uzhunnalil beten werde.
Salesianerpater von Islamisten entführt
Pater Uzhunnalil stammt aus Kerala in Indien. Seit mehreren Jahren wirkt er im Jemen, wo die indische Salesianerprovinz von Bangalore Niederlassungen unterhält. Über sein Schicksal wurde bisher nichts bekannt. Seit 1987 sind die Salesianer im Jemen tätig. Vor vier Jahren wurde in Sana mit einem kleinen Festakt dieses Ereignisses gedacht. Der damalige Apostolische Vikar für das Südliche Arabien, der Kapuziner Titularbischof Giovanni Bernardo Gremoli, hatte den Orden darum gebeten, die Seelsorge der Missionarinnen der Nächstenliebe zu übernehmen.
Das Vikariat umfaßt seit 2011 nur mehr den Jemen, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate. In diesem Gebiet lebt eine Million lateinische Katholiken, das sind 2,5 Prozent der Bevölkerung. Seit Errichtung des Vikariats im Jahr 1886 stammen die Apostolischen Vikare aus dem Kapuzinerorden. Seit 2005 ist der Schweizer Kapuziner, Pater Paul Hinder Apostolischer Vikar und Titularbischof von Macon, ein untergegangenes Bistum in der römischen Provinz Africa proconsularis im heutigen südlichen Tunesien.
Die Missionarinnen der Nächstenliebe und die Salesianer weigerten sich, den Jemen zu verlassen, trotz des seit 2013 tobenden Bürgerkriegs. Das Land ist heute faktisch dreigeteilt. Der Norden wird von den schiitischen Huthis kontrolliert. Die Schiiten machen rund 40 Prozent der Bevölkerung aus. Der Südjemen wird von den Sunniten beherrscht: der Großteil von der von Saudi-Arabien unterstützten Regierung, ein kleinerer Teil von sunnitischen Terrormilizen. Die Angaben über deren Zugehörigkeit ist unklar. Manchmal heißt es, sie seien mit Al-Qaida verbunden, dann wieder der jemenitische Ableger des Islamischen Staates (IS). Wahrscheinlich ist, daß Al-Qaida und IS nur verschiedene Namen für dieselbe Gruppe sind. Die Islamisten kontrollieren auch das östliche Hinterland von Aden und sind in der Stadt selbst aktiv.
Die getöteten Missionarinnen der Nächstenliebe stammten aus Indien, Kenia und Ruanda.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews/Radio Vatikan (Screenshot)