(London) Steht die Einheit der anglikanischen Weltgemeinschaft unmittelbar vor dem Ende? Diese Möglichkeit erachtet Father Edward Tomlinson als sehr wahrscheinlich. Der ehemalige anglikanische Pastor, der unter Papst Benedikt XVI. katholischer Priester des anglikanischen Personalordinariats Unserer Lieben Frau von Walsingham wurde, und den Father Ed’s Blog betreibt, warnt jedoch vor einer oberflächlichen Lesart. Die Gefahr eines Schisma bedrohe auch die Katholische Kirche und die Bruchlinien seien exakt dieselben wie bei den Anglikanern.
Die Anglikanische Gemeinschaft, deren Vorsitz der Erzbischof von Canterbury führt, umfaßt aktuell 38 Provinzen, 385 Diözesen und etwa 80 Millionen Gläubige. Seit Jahren wird über ein Zerbrechen der Gemeinschaft diskutiert. Entscheidungen, wie die Zulassung von Frauen und Homosexuellen als Pastoren und Bischöfe, führten zu tiefen Brüchen, die bisher notdürftig zugedeckt werden konnten. 2009 errichtete Papst Benedikt XVI. mit der Apostolischen Konstitution Anglicanorum Coetibus eigene Personalordinariate für Anglikaner, die in die Einheit mit Rom zurückkehren wollen, weil sich gläubige Anglikaner im Westen zusehends an den Rand gedrückt fühlten und eine Rückkehrökumene in Bewegung setzten.
Steht „chaotischer und schmerzvoller Bruch bevor“?
Selbst der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, ließ inzwischen durchblicken, daß er ein Zerbrechen der Weltgemeinschaft für möglich hält. Er führt als Primas der Kirche von England zwar den Vorsitz in der Anglikanischen Gemeinschaft, doch ist damit keine Autorität verbunden, die über jene der Primasse der anderen Provinzen hinausgeht. Entscheidungen werden in den anglikanischen Kirchenprovinzen von Bischöfen, Klerus und Laien gemeinsam gefaßt.
Welby hat für diese Woche eine Versammlung einberufen, bei der es zum offiziellen Schisma kommen könnte. Die Einheit ist schon seit langem irreparabel zerbrochen. „Nun könnte ein chaotischer und schmerzvoller Bruch bevorstehen, wie dies bei Scheidungen üblich ist“, so Father Ed.
Daß ein Schisma im Gange ist, wird von keiner Seite mehr in Abrede gestellt. Im Gegensatz zu den vergangenen 25 Jahren wird nicht einmal der Versuch unternommen, etwas schönzureden. Weniger klar ist der Grund, weshalb es gerade jetzt zum Bruch zu kommen scheint. Diese sollen offenbar verschleiert werden, so Father Ed’s Blog.
„Bruch hat weit tiefere und besorgniserregendere Gründe“
Der katholische Priester und aufmerksame Beobachter erwartet sich ein „politisch-korrektes Schmierentheater“ rund um das Thema Homosexualität. Laut medialer Aufbereitung werden wieder „gute, erleuchtete Liberale“ „bösen, finsteren Konservativen“ gegenüberstehen. „Sollte es so geschehen, würde der Wahrheit ein schlechter Dienst erwiesen, denn das, was geschieht, hat weit tiefere und besorgniserregendere Gründe.“
„Man muß verstehen, daß die Spaltungen innerhalb der anglikanischen Welt – die auch in der katholischen lebendig und drückend sind – sich nicht um ein einziges, spezifisches Thema von Moral und Lehre drehen.“ Sie seien nur Symptome.
„Das, was den Leib Christi wirklich zerreißt, ist ein viel tieferer und grundsätzlicher Grund, der das Wesen selbst des Christentums bedroht. Es ist eine Häresie entstanden, die nicht nur unterschiedliche Meinungen provoziert, sondern tiefere Unterschiede zu Glaubensthemen und sich heute in jeder der großen christlichen Konfessionen von der Basis bis zu den höchsten Sphären erstreckt. Deshalb ist das Problem sehr schwerwiegend.“
Rechtgläubigkeit gegen Modernismus
Das wirkliche Problem sei „eine Zweiteilung. Auf der einen Seite gibt es traditionelle Christen, jene, die sich an eine klare Lehre der Schrift und der überlieferten Tradition halten und die glauben, daß unser Glaube immer derselbe ist, gestern, heute und für immer; eine Gruppe von orthodoxen Gläubigen, die glaubt, daß Maria wirklich Jungfrau ist, daß Jesus wirklich fleischgewordener Gott ist, daß es wirklich Wunder gibt, daß Himmel und Hölle Wirklichkeiten sind. Diese Gläubigen kann man als Menschen bezeichnen, die glauben, daß die Welt sich nach Christus ausrichten muß.“
Auf der anderen Seite haben wir die Modernisten, jene, die sich in Wirklichkeit verweltlicht haben, die ihren Glauben verloren haben, aber ihre Kultur und ihre christliche Identität nicht ganz aufgeben wollen. Viele von ihnen glauben nicht, daß Jesus Gott ist und für Wunder suchen sie alternative Erklärungen, ebenso für die Jungfrauengeburt. Diese Menschen wollen sich und ihr Leben nicht an Christus ausrichten, sondern daß sich die Kirche an die Welt anpaßt. Sie verlangen an erster Stelle, daß wir den Werten der modernen Gesellschaft folgen und nicht dem Glauben und den überlieferten Werten der Kirche. Sie glauben nicht wirklich an Himmel und Hölle und wollen daher die Offenbarung verwässern und ändern, wo die Schrift eindeutig ist, aber ihrem Denken entgegensteht.
„Antlitz der Kirche repräsentieren jene, die an der Seite der Märtyrer und Heiligen stehen“
Das wahre Antlitz der Kirche wird natürlich durch die rechtgläubigen Menschen vertreten. Von jenen, die sich auf die Seite der Märtyrer und der Heiligen aller Zeiten stellen. Und daher eine Minderheit in einer liberalisierten und dekadenten Kirche des Westens bilden, wo aus historischen Gründen die politische und wirtschaftliche Macht angesiedelt ist, aber eine Mehrheit in Ländern anderer Kontinente, wo der Glauben floriert, vor allem in den armen Staaten Afrikas und Asiens. Und daß die Kirche dort blüht, wo es mehr orthodoxe Gläubige gibt, ist weder ein Zufall noch eine Neuigkeit. Gott segnet eben jene, die Ihm treu sind.“
Das sei der Grund, so Father Ed, weshalb die afrikanischen Anglikaner nichts mehr mit ihrem modernistischen Gegenüber in Canterbury zu tun haben wollen. Das erkläre auch, warum es denselben Gegensatz zwischen Afrika und Europa auch in der katholischen Kirche gibt, wo er auf der einen Seite von Kardinal Walter Kasper und auf der anderen Seite von Kardinal Robert Sarah vertreten wird. „Man denke nur an das Wortgefecht zwischen den Kardinälen Sarah und Kasper während der Familiensynode!“ Der Modernismus stehe dabei unter der Schirmherrschaft des „mächtigen Medienapparats und der Regierungen einer säkularisierten Kultur, der ihn stützt, und führt einen verbissenen Kampf gegen jene, die am jahrtausendealten Glauben festhalten: Das ist der harte Kampf unserer Tage.“
„Wahnsinnstaktik, beide Teile zusammenhalten zu wollen“
Ein Kampf, der gekämpft werden müsse, da die Sichtweise diametral entgegengesetzt seien. „Es sind zwei Geleise, die sich immer weiter auseinander bewegen, bis der Moment kommt, wo das entfernt werden muß, was sie zusammenhält. Dennoch war es die Wahnsinnstaktik von anglikanischen wie katholischen Prälaten des 20. Jahrhunderts sie weiterhin zusammenzuhalten. Konstant wurden nicht energische und glaubenseifrige Soldaten Christi in wichtige Positionen befördert, sondern harmlose Bürokraten, deren Dummheit keinen allzu großen Schaden anrichten, aber die Institutionen aufrecht erhalten sollte. Das war zumindest der Plan, der aber nicht funktionierte. Daher stehen wir nun in der ganzen christlichen Welt vor einem drohenden Schisma“, so Father Ed.
Die Modernisten haben nur die Kontrolle der anglikanischen Kirche nur im Westen errungen. „Den Verlust von Afrika halten sie für einen akzeptablen Preis, wenn sie dafür die „Homo-Ehe“ und Bischöfinnen einführen können und alle anderen Verdienstmedaillen einer Kirche, die einen kulturellen Marxismus fördert.“
„Das Schisma hat Canterbury erreicht – der „Konzilsgeist“ treibt auch katholische Kirche darauf zu“
„Die katholische Kirche ist noch nicht zu solchen Extremen vorgedrungen… im Moment. Die Modernisten gibt es aber auch dort und da sie alle derselben Generation angehören, halten sie enorme Macht und Einfluß in ihren Händen. Sie sind die Vertreter des sogenannten „Konzilsgeistes“, der die Nachkonzilszeit prägte. Sie treiben die katholische Kirche zum Schisma. Es handelt sich um eine Denkschule, die den festen Glauben, die unverrückbaren Werte, die Frömmigkeit, die Kommunionbänke usw. verachtet und statt dessen den Kult der ‚Gemeinschaft‘, des politischen Aktivismus, usw. pflegt.“
Das Schisma habe nun Canterbury erreicht, so Father Ed. „Wir müssen daher für unsere anglikanischen Freunde beten, aber auch für Rom. Auch dort lauert das Schisma und, wenn nicht Gott ein Wunder wirkt, ist es schon so gut wie sicher und könnte zu Spaltungen und einer noch größeren Verwirrung führen.“
Das „Wunder, um das wir bitten sollen, ist nicht, daß die Kirche irgendwie geeint bleibt.“ Das Wunder, das wir brauchen, ist, daß die Kirche von ihrem Schlaf erwacht und sich erhebt, um die Wahrheit zu verteidigen und den Irrtum zurückzuweisen. Wir brauchen einen malleus haereticorum, einen „Häretikerhammer“ wie der Heilige Antonius oder der heilige Dominikus zu ihrer Zeit genannt wurde. Doch wie können wir hoffen, daß einer kommt, wenn so viele Bischöfe selbst ein Teil des Problems statt seiner Lösung zu sein scheinen und die Mannhaftigkeit so außer Mode scheint?“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Father Ed’s Blog (Screenhoots)