(Rom) Die Frage, ob es nach der am vergangenen Sonntag nach zwei Jahren abgeschlossenen Familiensynode ein nachsyondales Schreiben des Papstes geben werde, bleibt weiterhin unbeantwortet. Ein solches Schreiben wurde bis zum Beginn der Synode 2015 als selbstverständlich vorausgesetzt. Seit sich jedoch gleich am ersten Tag der Synodenarbeiten, am 5. Oktober, durch ein Beschwerdeschreiben von dreizehn hochrangigen Kardinälen-Synodalen heftiger Widerstand gegen die Linie von Papst Franziskus zeigte, ist nichts mehr sicher.
Noch bevor das Protestschreiben der Kardinäle bekannt wurde, trat der Papst-Vertraute Kardinal Luis Tagle an die Öffentlichkeit und ließ rundweg alles offen, ob es ein nachsynodales Schreiben, und sogar, ob es überhaupt einen Schlußbericht der Synode geben werde. Vatikansprecher Federico Lombardi wiederholte diese Aussage am 10. Oktober und löste unter den Synodalen Verwunderung und mehr noch Unsicherheit darüber aus, wozu man überhaupt zusammengekommen sei. Seither folgen widersprüchliche Aussagen ob es nun doch wie gewohnt oder doch erstmals kein nachsynodales Schreiben des Papstes geben werde. Der Papst und seine engsten Mitarbeiter improvisieren, seit dem Brief der Dreizehn und sie haben ziemlich schlecht improvisiert, indem sie das Instrumentum laboris faktisch unverändert den Synodalen als Schlußbericht aufdrängen wollten. An diesem Punkt wäre die Synode fast gescheitert und damit wahrscheinlich nicht nur für aufmerksame Beobachter, sondern für die Öffentlichkeit sichtbar auch das Pontifikat wie noch keines zuvor in der jüngeren Kirchengeschichte.
Vom Ratzingerianer zum Bergoglianer
Dazu ist es nicht gekommen, weil es keiner der Wortführer, weder Kardinal Kasper noch Kardinal Müller dazu kommen lassen wollte und man frenetisch nach einer Kompromißformel suchte, die irgendwie doch akzeptabel war. Kardinal Schönborn vermittelte mit Geschick. Das diplomatische Einmaleins wurde ihm in die Wiege mitgegeben. Erstaunlicher ist, daß dennoch ein Drittel der Synodalen sich dem entscheidenden Kompromiß zu den wiederverheirateten Geschiedenen verweigert hat, was auf organisierten Widerstand hinweist. So organisiert, daß er sich dem europäischen Diplomatenparkett entzog. Das große Engagement der Kasperianer bei der Kompromißsuche zeigt, wer beim Scheitern der Synode mehr zu befürchten hatte oder ein solches jedenfalls mehr fürchtete. Es zeigt auch, daß ein maßgeblicher Teil der Kasperianer Progressive im Schutz des Papsttums sind, aber nicht wirkliche modernistische Hardliner. Sie haben ihre Haltung in vorhergehenden Pontifikaten säuberlich verborgen und wagen erst jetzt, mit dem Wissen oder der Hoffnung, den Papst an ihrer Seite zu haben, den hochoffiziellen Ausritt. In diese Gruppe gehört Wiens Erzbischof Christoph Schönborn, der nach einem kurzen Augenblick der Irritation nach dem Konklave mit wehenden Fahnen vom Ratzingerianer zum Bergoglianer wurde. Und das gleich so sehr, daß er nicht mehr von den Neokonservativen auf den Schild der Papabili gehoben wird, sondern von jenen, die noch vor kurzem als Linksaußen galten.
Die Revanche von Familiaris Consortio
Die Niederlage für Papst Franziskus läßt die Frage nach einem nachsynodalen Schreiben wieder völlig offen. Die vorletzte Familiensynode hatte Johannes Paul II. 1980 einberufen. Sie tagte und 1981 folgte daraus das nachsynodale Schreiben Familiaris Consortio, das noch heute als solider Eckstein zu Ehe und Familie gesehen wird.
Dennoch war Papst Franziskus der Meinung, es brauche schon wieder eine Familiensynode, weil sich die Zeiten geändert hätten und die Synode von 1980 nicht auf alle heute bewegenden Fragen Antwort gegeben haben. Bereits darin war angedeutet, daß es um die Themen Scheidung und Zweitehe, Homosexualität und um Humanae Vitae geht. Es gab objektiv keine Notwendigkeit zu einer neuen Familiensynode. Vielmehr, um die Dinge beim Namen zu nennen, waren es einige Ergebnisse der Synode von 1980, die einem Teil der Kirche nicht zusagten, jenem Teil, der bereits 1968 der Enzyklika Humanae vitae die Gefolgschaft verweigert hatte, jenem Teil, der sich durch die „restaurative Phase“ der Pontifikate des polnischen und des deutschen Papstes (1978–2013) von den Entscheidungshebeln der Kirche ferngehalten sah, und nach seiner Stunde giert.
Die Tatsache, daß nun ausgerechnet Familiaris Consortio im entscheidenden Paragraph des Synodenschlußberichtes 2015 zitiert und als Richtschnur genannt wird, offenbart die ganze Blamage der neuen Synode, die zudem mit zwei Jahren die längste und umfangreichste überhaupt war. Gilt hier ein römisches Sprichwort: „Viel Rauch, aber wenig Braten“?
Die Frage, ob es nun doch oder trotz dem aus der Sicht des Papstes ziemlich mißglückten Synodenabschluß ein nachsynodales Schreiben geben werde, mit dem Familiaris Consortio ergänzt oder überwunden werden soll, ist weiterhin offen. Den Versuch einer improvisierten Umkehrung der Ergebnisse mit Hilfe sympathisierender Massenmedien, hatte der Papst-Kritiker Antonio Socci bereits unmittelbar nach Synodenende kritisiert.
Kardinalstaatssekretär: „Ich denke“, daß es auch dieses Mal“ ein nachsynodales Schreiben geben wird
Gestern nun gab Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin der Italienischen Sektion von Radio Vatikan ein Interview. Liest man seine Worte genau, erhält man letztlich auch keine sichere Antwort. Nur soviel: Es scheint, daß es doch ein nachsynodales Schreiben geben wird.
Die Veröffentlichung des Synodenschlußberichts hatten die dreizehn Kardinäle-Synodalen ausdrücklich in ihrem Beschwerdebrief gefordert. Sie wollten damit, nach den schlechten Erfahrungen der Synode 2014, der Gefahr entgegenwirken, durch eine manipulative Informationspolitik völlig instrumentalisiert zu werden.
Das Interview wurde am Rande einer Tagung an der Gregoriana über das Konzilsdokument Nostra Aetate geführt.
Kardinal Parolin: „Mit der Übergabe der Botschaft an den Papst hat die Synode ihm auch die Möglichkeit unterbreitet, sie in ein päpstliches Dokument zu übersetzen. Wie das normalerweise für alle Synoden geschehen ist, bieten die Synodenväter dem Papst eine Reihe von Überlegungen und Schlußfolgerungen an. Dann macht sie sich der Papst durch ein Dokument zu eigen. Ich denke, daß es auch dieses Mal so geschehen wird. Es ist der Papst, der das entscheiden muß. Der Papst hat bereits eine Entscheidung getroffen, nämlich jene, den Schlußbericht der Synode, der an ihn gerichtet war, zu veröffentlichen. Er wollte, daß er bekannt wird.
Radio Vatikan: Werden die Zeiten lange oder kurz sein?
Kardinal Parolin: Das weiß ich nicht, die Zeiten kenne ich nicht. Zuallererst ist zu sehen, was der Papst zu tun gedenkt. Ich nehme an, daß sie nicht sehr lang sein werden, weil man normalerweise solche Dinge in relativ kurzen Zeiten machen muß, sonst verlieren sie etwas ihre Kraft und ihre Wirkung. Wenn der Papst entscheidet, es zu tun, so denke ich, wird er es in relativ kurzer Zeit tun.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Radio Vaticana