(Rom) Eine gläubige Frau wurde von Kollegen traktiert, die sie davon überzeugen wollten, daß Christus nie existierte, sondern nur eine Erfindung sei. Sie drückten ihr eine Publikation in die Hand, die angeblich die „Beweise“ enthalte, daß Christus nur der Mythologie entspringe.
Ein Beispiel: Virishna in Indien habe Wunder und Heilungen gewirkt und sei 1.200 Jahre vor Christus gekreuzigt worden und auferstanden. Die „seriöse“ Quelle: David Icke! Horus, ein ägyptischer Gott sei von der Jungfrau Isis geboren worden und habe 12 Jünger gehabt. Er sei gestorben und wiederauferstanden. Krishna, eine weitere indische Gottheit sei am 25. Dezember geboren …
Die Reihe ließe sich fortsetzen und stützt sich auf „Experten“ in Sachen Religion wie David Icke und Umberto Eco. Man könnte nun sagen: Wer nicht glaubt und nicht glauben will, sucht nach Rechtfertigungen für seinen Unglauben und erweist sich dabei selbst als das, was er Gläubigen vorwirft: er glaubt wirklich irrational, weil er bereitwillig alles glaubt, was ihn in seiner Überzeugung zu bestätigen scheint, nicht an Christus glauben zu müssen.
Die verunsicherte Frau schrieb dem katholischen Publizisten Maurizio Blondet mit der Frage, was sie ihren Kollegen antworten solle, welche historischen Beweise es für Christus gebe. Hier seine Antwort:
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Sie behaupten, Christus sei nur ein Mythos wie Krishna? Dann erzählt ihnen die Geschichte von Don Franzoni
von Maurizio Blondet
Ich bin müde auf solche Behauptungen zu antworten. Früher dachte ich, damit könne man jemanden überzeugen. Doch selbst durch die besten Argumente kann kein Mensch einen anderen Menschen zum Glauben bringen. Kollegen wie David Icke und Umberto Eco werden ihren Moment haben, in denen sie sich entscheiden müssen, und dieser Weg wird möglicherweise durch persönliches Leid oder über den unmittelbar bevorstehenden Tod führen, jedenfalls wird er ganz persönlich sein. Es wird ein Moment sein, in dem man nicht mehr von Berufs wegen scherzt und sich lustig macht. Er kommt für uns alle. Entscheidend wird dann die Antwort des Betreffenden sein.
Christus ist radikal anders als jede reale oder mythologische Gestalt
Ich will Ihnen lieber eine andere Geschichte erzählen, eine persönliche Geschichte, damit Sie sich nicht von anderen verunsichern lassen. Ich erzähle Ihnen von jenem Mann, der mich verstehen ließ, warum Christus radikal anders und nicht im geringsten mit irgendeiner anderen realen oder mythologischen Gestalt vergleichbar ist, auch nicht solchen, die Aspekte seines Seins vorweggenommen zu haben scheinen. Wozu diese Mythen einzelner Völker dienen, wissen wir nicht, vielleicht, wie im Falle Indiens, um dort eines Tages, den nicht wir bestimmen, die Bekehrung einzuleiten oder zu fördern. Aber darum soll es heute hier nicht gehen.
Ich will Ihnen die Geschichte von Don Enelio Franzoni erzählen, den ich vor – ich weiß nicht mehr vor wieviel – Jahren in Bologna für das Wochenmagazin Gente interviewte. Er hatte nichts mit dem Don Franzoni gemeinsam, der damals vor allem durch manche Medien als progressiver Priester bekannt war. Der Don Enelio, den ich kennenlernte, lebte, damals schon alt, zurückgezogen in einem Pfarrhaus.
Don Franzoni war im Zweiten Weltkrieg Militärkaplan der ARMIR, der italienischen Rußlandarmee gewesen, die von 1941–1943 an deutscher Seite gegen die Sowjetunion kämpfte. Er hatte sich freiwillig gemeldet, weil es im Krieg um Leben und Tod geht und er denen geistlichen Beistand geben wollte, die verwundet oder sterben würden. „Ich habe mir gedacht: Die brauchen mich jetzt dort, mehr als sonstwo. Das will der Herr nun von mir.“
In der Sowjetunion geriet er in einem der berüchtigten Kessel mit Tausenden italienischer Soldaten, seinen „Jungs“, in russische Gefangenschaft. Mit ihnen wurde er in ein sibirisches Lager verschickt, oder um genau zu sein, von einem Lager zum anderen.
Die Hoffnung in der „Hölle auf Erden“
Er erzählte mir kaum etwas über die Kälte und die Entbehrungen, die sie litten, über die ich aus den Erzählungen anderer Rußlandkämpfer wußte. Er sprach auch nicht über die Brutalität, die Schläge, die Schreie der Lagerwärter und ihrer Hunde. Er sprach auch nicht über den Hunger, der so groß war, daß er Menschen unmenschlich verrohen ließ. Er erzählte auch bestenfalls am Rande von den Demütigungen, die sie über sich ergehen lassen mußten, vor ihren Schindern unter Spott und Gewalt ihre Notdurft im Schnee verrichten zu müssen, von den Flöhen und der Zwangsarbeit.
Er erzählte hingegen von den zahlreichen Beichten der jungen italienischen Gefangenen, leidenden, zitternden, sterbenden Männern, die er in ihrer Blüte gekannt hatte. Er erzählte von ihrem ruhigen, gelassenen Sterben im inneren Frieden inmitten einer „Hölle auf Erden“. Er erzählte von den Tränen in ihren Augen, wenn sie an zu Hause dachten, an ihre Familien, ihre Frauen und ihre Mütter. Er erzählte von der Hoffnung, wo jede Hoffnung reiner Irrwitz zu sein schien. Und er erzählte auch von den unglaublichsten Aktionen, manchmal unter Lebensgefahr, zu denen seine „Jungs“ bereit waren, um ihm auch nur wenige Tropfen Wein für die Heilige Messe zu besorgen.
Er erzählte von den Vielen, denen er die Sterbesakramente spendete, und denen er die Augen schließen mußte, die im Lager umgekommen sind. Er verzeichnete sie alle in einem kleinen Heft, das er nach Rußland mitgenommen hatte: Vorname, Familienname, Geburtsdatum, Sterbedatum und Ort der Bestattung. Begraben wurde am Anfang meist in Massengräbern. „Sie starben wie die Fliegen“, sagte er und verstummte und es schien, trotz der vielen Zeit, die seither vergangen war, als würde er sie vor sich sehen. Es waren so viele, die im Lager umkamen, daß das Heft nicht mehr reichte. Anderes Papier gab es aber keines, welches zu besitzen, war verboten. So begann Don Franzoni mit dem Stummel eines Kopierstifts die Namen in seine Feldmütze zu schreiben. Doch auch die reichte nicht aus, so beschrieb er das Innere seines Militärmantels. Er hatte ihn aufbewahrt und zeigte ihn mir. Er schien nicht mehr der Mantel eines Soldaten, sondern der verbrauchte, schäbige Mantel eines Bettlers oder Landstreichers. Sein Inneres war in winziger Schrift vollgeschrieben. Ich las, Namen, Daten, Orte. Tausende Namen. „Um sie wiederzufinden“, sagte mir Don Franzoni. „Dabei wußte ich selbst nicht, ob ich je zurückkehren würde.“
Verzicht auf die Freilassung
1948 ließ die Sowjetunion einen Teil der italienischen Kriegsgefangenen frei. Don Enelio Franzoni befand sich unter ihnen. Er sagte mir nichts darüber, wie er sich in diesem Moment fühlte, als er seinen Namen auf der Liste der Freizulassenden lesen konnte. Ich weiß es aus Erzählungen anderer: Der Gemütszustand eines Gefangenen überschlägt sich geradezu, im Moment, da er freikommt.
Ein Teil seiner „Jungs“ mußte in den sowjetischen Lagern zurückbleiben. Niemand wußte, warum man wen zurückbehielt. Es handelte sich einfach um ein Druckmittel, das Moskau in der Hand behielt. Don Franzoni verzichtete auf seine Freilassung. Er war ihr Kaplan. Er war wegen ihnen nach Rußland gegangen. Er konnte sie jetzt nicht zurücklassen. Ihr Leiden würde weitergehen. Der Tod war Dauergast im Lager. Die Lagerleitung wunderte sich. Einer der Offiziere rief abschätzig: „Schmeißt ihn raus!“ Doch am Ende akzeptierte man den Wunsch „des Verrückten“. Er konnte bleiben und hörte weiter die Beichte und stand den Sterbenden bei und schloß ihnen die Augen. Und verzeichnete ihre Namen auf seinem Mantel.
Die Rückkehr und das Treffen mit Nikita Chruschtschow
1952 oder 1953, ich weiß es nicht mehr genau, jedenfalls war der Krieg schon etwa acht Jahre aus, wurde er mit den letzten Überlebenden freigelassen und kehrte nach Italien zurück. Kaum war er in Bologna angekommen, begann Don Franzoni, die Familien der Toten zu kontaktieren, die in Gefangenschaft umgekommen waren. Er gründete mit diesen ein Komitee, um die Auslieferung der sterblichen Überreste einzufordern. Er ließ nicht locker, bis es ihm gelang, mit einer Abordnung von Müttern der offiziell „vermißten“ Soldaten einen Termin bei Chruschtschow zu erhalten.
Nikita Chruschtschow war damals Parteichef der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und sowjetischer Ministerpräsident. Er hatte die Verbrechen Stalins öffentlich beim Namen genannt. Chruschtschow stellte die Frage, wie man sich den Wunsch der Mütter nach Exhumierung ihrer toten Söhne denn vorstelle. Da übergab ihm Don Franzoni die abgetippte Liste mit den Namen, dem Sterbedatum und dem Ort ihrer Bestattung. Chruschtschow war über die Liste so erstaunt, daß er nach einigem Zögern sagte, er verstehe nicht. Er verstand nicht, wie eine solche Liste mit genauen Angaben existieren konnte.
Er fragte die Abordnung: „Zu welchem Zweck sollten diese Knochen herausgeholt werden? Die haben sich inzwischen doch längst mit der russischen Erde verbunden.“ Nach einem Moment der Stille fügte er hinzu: „Die sind doch schon russische Erde.“
„Genosse Sekretär, jeder dieser Jungs ist der Sohn einer Mutter“
Chruschtschow antwortete russisch, oder mehr noch eigentlich asiatisch. Buddha hätte wahrscheinlich nicht anders geantwortet. Ich liebte damals noch den Hinduismus und war von der Überlegenheit des neutralen Brahman, des unpersönlichen Nirwana über das christliche Heil überzeugt. Auch ich hätte wohl nicht anders geantwortet.
Don Franzoni aber antwortete Chruschtschow auf russisch: „Genosse Sekretär, jeder dieser Jungs ist der Sohn einer Familie. Einige von ihnen hatten bereits eine Frau, die sie erwartet; andere hatten Brüder und Schwestern. Alle haben eine Mutter. Eine Mutter, die jeden von ihnen mit Namen geliebt hat und die sich nicht damit begnügt, zu wissen, daß ihr Sohn irgendwo in Sibirien mit dem Boden vermengt ist. Jede Mutter will ihren Sohn, genau ihn, weil sie ihn liebt und sie will ein Grab für ihn, das sie aufsuchen kann, um mit ihm zu sprechen. Mit ihm, nur mit ihm.
Das war eine katholische Antwort, eine römische Antwort, die auch ein kommunistischer Parteichef verstehen konnte.
Die letzte Ruhestätte mit der Aufschrift: „Ego vocavi te nomine tuo“
Chruschtschow erteilte die Erlaubnis zur Exhumierung. Delegationen von Eltern, angeführt von Don Franzoni, suchten die Orte auf, in denen ihre Söhne begraben, manchmal mehr verscharrt worden waren. Sie fanden dabei auch die Überreste anderer italienischer Soldaten, die Don Enelio nicht verzeichnet hatte, weil sie an dem Ort zu einem anderen Zeitpunkt umgekommen waren. Überreste, die keine Mutter einforderte, weil niemand von ihnen wußte.
Don Franzoni brachte auch diese namenlosen Knochen nach Italien zurück. Sie wurden auf seine Bitte hin auf einem Soldatenfriedhof begraben. Er ließ darüber in großen Buchstaben als Inschrift ein Wort des Propheten Jesaja anbringen: „Ego vocavi te nomine tuo“. Es ist Gott, der so spricht: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“.
Er wollte damit zum Ausdruck bringen: Auch wenn kein Kommandeur mehr da ist, Soldat, der dich ruft, der um dich weiß; auch wenn nicht einmal deine Mutter mehr da ist, um dich zu rufen, ganz genau dich und nur dich, einmaliger Mensch; auch wenn alle dich vergessen haben, erinnere Ich mich an dich, Ich kenne deinen Namen, genau deinen, der du für mich ein einzigartiger Mensch bist, weil Ich ihn dir gegeben habe. Ich liebe euch nicht „alle“, sondern jeden einzelnen von euch.
Das ist mein „Beweis“
Das, meine Liebe, die Sie von Ungläubigen aufgewühlt werden, ist mein „Beweis“, daß Christus kein Mythos ist. Ich will nicht einmal versuchen, einen Beweis zu erbringen, daß Christus in der Geschichte existiert hat, vor 2000 Jahren. Das wäre viel zu wenig.
Der „Beweis“ ist, daß Christus heute und jetzt existiert. Es ist der Beweis von Don Enelio Franzoni, einem Soldaten Christi, mutiger als ein Samurei, so mutig, daß er sogar seine Freilassung ablehnte, und zugleich liebevoller als eine Mutter.
Eine Mutter liebt ihren Sohn, auch wenn er ein Schurke ist, weil es eben „er“ ist, ihr Sohn. Don Franzoni liebte sie alle, mit denen er auszog, einen für einen, er sah sie strahlend und sah sie elend, und vor allem sah er sie in ihrer größten inneren Not und im Augenblick ihres Sterbens. Und er blieb an ihrer Seite und hat jeden einzelnen zurückgebracht und seiner Mutter zurückgegeben. Und wo es keine Mutter mehr gab, dem Vaterland, das sie hinausgeschickt hatte, und wem das nichts mehr bedeuten sollte, dann gilt aber umsomehr, daß er sie geweihter Erde übergeben hat, wo sie stumme Zeugen des Glaubens und Mahner für den Frieden sind.
Nachahmung Christi
Don Franzoni tat dies in der Überzeugung, mit seinen eingeschränkten menschlichen Kräften und mit der Ohnmacht eines Gefangenen Christus nachzuahmen, mit der besonderen Liebe, die die Welt nur durch Christus kennt: mutiger als ein Samurei und spezifischer als die Mutter, die nicht „alle“, sondern den Ihren beim Namen kennt.
Ich weiß, daß das nach wissenschaftlichem Ermessen kein „Beweis“ ist, den man berufsmäßigen Ungläubigen entgegensetzen kann, die von Krishna und Horus schwätzen, weil sie sich Christus verweigern wollen. Es ist auch keine rationale Argumentation, obwohl sie historische Daten und handfeste Bodenfunde vorweisen kann.
Der Glauben ist keine Frage intellektueller Methoden. Der Glauben ist in seinem Wesen nicht Theorie, sondern Praxis. Er ist nie abstrakt, sondern immer lebendig. Er ist Nachfolge. Nachfolge im Mut, im Handeln, im Heldentum, in der Barmherzigkeit und der Liebe dessen, der auf das Kreuz gestiegen ist für jeden von uns, nicht für uns „alle“, sondern für jeden einzeln, für jeden von uns, obwohl wir es nicht verdienen. Es ist wie die Liebe der Mutter zu ihrem Sohn, auch wenn er ein Schurke ist, nur um ein Vielfaches größer.
Der Beweis, andere würden vielleicht Beleg sagen, für die reale und aktuelle Existenz Christi sind Menschen, die Christus nachfolgen und Ihn nachahmen wie Don Franzoni oder Padre Pio und Tausende andere, die wider die Vernunft lieben – wie eine Mutter – wer es nicht verdient. Viele dieser Menschen wurden von der Kirche nicht heiliggesprochen, weil sie im Verborgenen wirken, sind aber Christus bekannt, denn Er hat sie bei ihrem Namen gerufen, jeden einzelnen. Es sind jene Menschen, die in der Imitatio Christi in jedem historischen Moment in ihrer Beschränktheit und in Überwindung ihrer Grenzen Christus bezeugen.
Hoffnung nicht für alle, aber für jeden einzelnen
Deshalb, meine Liebe, weiß ich, daß Christus und sein Heil radikal anders sind als das, was Buddha, Horus oder Krishna zu bieten haben. Darin liegt auch meine persönliche Hoffnung: Ich bin ein Schurkensohn, der seine Mutter nicht so geliebt hat, wie sie mich geliebt hat. Ich habe sie vernachlässigt und nun, da sie gestorben ist, kann ich dem nicht mehr Abhilfe schaffen, obwohl ich es möchte. Ich habe nicht einmal ein Tausendstel dessen getan, was Don Franzoni getan hat und habe nicht einmal ein Millionstel seiner Liebe aufgebracht. Aber ich habe eine Hoffnung, die mir durch Christus geschenkt wird. Meine Mutter hat mich geliebt, obwohl ich zu ihr war wie ich war. So hege ich die Hoffnung, daß Gott mir am jüngsten Tag etwas nachsieht und meine Verdienste vergrößert, wie es meine Mutter tun würde.
Beten Sie daher für Ihre Kollegen, von denen Sie jetzt ausgelacht werden. Beten Sie aus Liebe und der Hoffnung wegen, daß Ihre Kollegen, dann wenn Gott sie ruft, Ihm antworten und sei es erst in jenem letzten Augenblick, in denen wir alle Gefangene werden, leidend und ohnmächtig, im Moment des Sterbens, den Don Franzoni so oft miterlebt hat und in dem er seinen „Jungs“ beistehen konnte in Vertretung Christi und mit den Tröstungen der von Ihm gestifteten Kirche. Ein Moment, der uns alle erwartet. Denn der Herr sagt zu jedem Einzelnen: „Ego vocavi te nomine tuo“.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Il Timone