(Turin) Saudi-Arabien wird das Gastland der Internationalen Turiner Buchmesse 2016 sein. Und mit ihm der Wahabismus, die radikalste Form des Islam. Eine Provokation? Ein Scherz? Keineswegs, sondern trauriger Ernst. Da überzeugen auch die Versicherungen des Kulturattachés Fahad Hamad Almaghlooth an der saudischen Botschaft in Rom nicht: „Seit langem nehmen wir an den wichtigsten Buchmessen der Welt teil, um unsere Kultur vorzustellen. Unserer Teilnahme wird dem Prestige der Turiner Buchmesse entsprechen“.
„Es ist unser Bestreben, den Islam besser bekannt und den Interessierten unsere Kultur verständlich zu machen. Wir werden auch Informationen über unsere heiligen Orte zur Verfügung stellen“, so der Attaché.
“Saudi-Arabien will also den Italienern und Europäern den wahabitischen Islam erklären, und vielleicht auch gleich den Marokkanern, Tunesien, Ägyptern und Senegalesen, die in unserem Land leben“, so Valentina Colombo auf Nuova Bussola Quotidiana (NBQ).
Nach Frankfurt ist Turin größte Buchmesse Europas
Die seit 1988 stattfindende Turiner Buchmesse ist nach der Frankfurter Buchmesse an Ausstellern und Besuchern die zweitgrößte Buchausstellung Europas. Da ist es wahrer „Glücksfall“ für ein Land wie Saudi-Arabien, zum Gastland auserkoren worden zu sein. Vor allem aber eine formidable Gelegenheit unter dem Vorwand der Kultur für den wahabitischen Islam zu werben, der in seiner Radikalität alles bedroht was für den Westen und das Christentum von Bedeutung ist.
In Saudi-Arabien befinden sich mit Mekka und Medina die beiden heiligen Städte des Islam. Die Wahabiten sehen sich daher als Wächter dieser Orte, aber auch als Wächter und Bewahrer des wahren Islam. Und das ist die radikalste Form dieser Religion. Im saudischen Königreich herrscht die Scharia als absolutes Gesetz. An Freitagen kann man im Königreich nicht selten vor den Moscheen Auspeitschungen beobachten oder wie jemandem eine Hand abgehackt wird.
In Saudi-Arabien hat es weder Christen noch Kirchen zu geben
Christen ist jegliche Betätigung im Land strengsten Verboten. Kirchen gibt es keine. Höchste saudische Religionsvertreter fordern in regelmäßigen Abständen, alle Kirchen in islamisch kontrolliertem Gebiet zu zerstören. Obwohl im bevölkerungsarmen aber steinreichen Land Millionen Christen als Gastarbeiter leben, dürfen sie nicht einmal ein kleines Kreuz an einer Halskette tragen. Gottesdienst können sie nur geheim zu Hause feiern. Sollte die islamische Religionspolizei ihnen auf die Schliche kommen und das Haus stürmen, drohen ihnen Gefängnis, öffentliche Auspeitschung und die Landesverweisung.
Nichtmoslems dürfen die heiligen Städte des Islams nicht besuchen. Sie sind für Menschen, die nicht Allah nachfolgen, verbotenes Gebiet. „Informationen über unsere heiligen Orte zur Verfügung stellen“, wie der saudische Kulturattaché meinte, ist daher auch zwangsläufig von Nöten, denn mit eigenen Augen sehen, wird die Orte ein Nicht-Moslem nie. „Wenn die Europäer also nicht nach Mekka können, kommt Mekka eben zu den Europäern“, so Colombo. Die Teilnahme an der Turiner Buchmesse als Ehrengast ist für ein so reiches Land kein Problem. Selbst das schlechteste Image läßt sich mit dem nötigen Kleingeld aufpolieren. Gegen üppige Bezahlung finden sich genügend „Promotoren“, gerade im Westen.
Saudische Exportprodukte: Erdöl und radikaler Islam
Bleibt die Frage, welches literarisches Angebot Saudi-Arabien in Turin vorstellen möchte. Ein Land, das zusätzliche Henker sucht, um seine zahlreichen Todesstrafen exekutieren zu können. Ein Land, das mit seinen Petrodollars einen radikalen Islam in Gegenden verpflanzt, wo es diesen zuvor nicht gegeben hat. Ein Land, das durch den Bau und den Betrieb von Moscheen und islamischen Zentren und der Bezahlung der Imame maßgeblich zur Radikalisierung der Moslems in Europa beiträgt. Ein Land, das den Islamischen Staat (IS) finanziell und logistisch unterstützt und mit Waffen beliefert, der im Nahen Osten einen Genozid gegen Christen betreibt. Ein Land, in dem Schreiben sehr viel kosten kann, auch das Leben.
1988 veröffentlichte der hohe saudische Rechtsgelehrte Awadh ibn Muhammad al-Qarni eine Liste von 200 arabischen Schriftstellern, Dichtern, Intellektuellen und Journalisten, darunter der Nobelpreisträger Naguib Mahfuz, die er der Apostasie beschuldigte und damit deren Hinrichtung forderte. Das literarische Angebot, das solchen Proskriptionslisten entgeht, dürfte daher ziemlich dürftig sein. Laut arabischer Presse gehört Awadh ibn Muhammad al-Qarni zu den wichtigsten saudischen Privatfinanciers des Islamischen Staates (IS). Er wird in einem der Öffentlichkeit zugespielten, offiziell nie bestätigen Dossier des US-Außenministeriums genannt.
In Saudi-Arabien werden Dissertationen angenommen, in denen die Hinrichtung von Apostaten gerechtfertigt und verlangt werden. In einer 2000 approbierten Doktorarbeit wurde ebenfalls eine Liste von angeblichen islamischen Apostaten unter Schriftstellern und Intellektuellen veröffentlicht: „Die Reden, Werke und Ideen, die sich verbreitet haben, verdienen die Anklage der Apostasie, damit sie der Preis ihres Blutes von der aus dem Westen importierten Laizität von allem Unglauben und von der in ihren Herzen enthaltenen Häresie reinige“, wie NBQ daraus zitiert.
Blogger Raif Badawi zu 10 Jahren Gefängnis und 1000 Peitschenhieben verurteilt
Welches kulturelle Angebot soll Saudi-Arabien bieten, ein Land, in dem der Schriftsteller und Blogger Raif Badawi seit Juni 2012 im Gefängnis sitzt. Er wurde zu zehn Jahren Gefängnis, 1000 Peitschenhieben und einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil er „die Internetseite Freier Saudis“ gegründet hatte und auf seinem Blog, auf Facebook und Twitter „einige islamische Vorschriften beleidigt“ und einige Ulemas sowie die saudische Religionspolizei kritisiert hatte.
Im Urteil Nr. 34184394 des Gerichts von Jedda gegen Raif Badawi wird ab Seite 16 daran erinnert, daß auf Beleidigung des “Propheten“ Mohammed die Todesstrafe steht und diese Forderung von allen sunnitischen Rechtsschulen vertreten wird. „Welches kulturelle Angebot könnte je aus einem Land kommen, das Raif Badawi viele Jahre ins Gefängnis wirft und öffentlich auspeitschen läßt, weil er auf seinem Blog das Verbot der islamischen Religionsbehörde kritisierte, den Valentinstag feiern zu dürfen“, so Valentina Colombo.
Saudi-Arabien soll Badawi freilassen – Buchmesse soll Badawi nach Turin einladen
„Wenn Saudi-Arabien uns wirklich davon überzeugen will, daß es sich tatsächlich um ein ernstzunehmendes kulturelles Angebot handelt und nicht nur um gekaufte Imagepflege und unterschwellige Werbung für den Wahabismus handelt und wenn uns die Verantwortlichen der Turiner Buchmesse wirklich davon überzeugen wollen, daß sie nicht in die heuchlerische Falle der politischen Korrektheit getappt sind, sondern die Meinungsfreiheit fördern wollen, die untrennbar mit dem literarischen Schaffen verbunden ist, dann soll Saudi-Arabien Raif Badawi freilassen und die Buchmesse ihn nach Turin einladen als Vertreter der Gedanken- und Meinungsfreiheit in seinem Land“, so NBQ.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: News Cattoliche