Am Ostersonntag gingen mir viele Dinge durch den Kopf, auch manche, die mit Katholisches.info zu tun haben. Die Osteroktav im Krankenhaus zu verbringen, damit hatte ich jedoch nicht gerechnet. Alles kam unerwartet, schnell und radikal.
Der augenblickliche Entschluß das Krankenhaus aufzusuchen, erwies sich als wahre Fügung. „Das ist sehr ernst“, hieß es dort, als man nach 48 Stunden die Ursache sicher identifiziert hatte. Die Statistiken sprechen in der Tat eine beeindruckende Sprache. Allein im deutschsprachigen Raum sterben jährlich mehrere Zehntausend Menschen daran, weil die Symptome falsch gedeutet und die Gefahr nicht erkannt wurde.
Die Ereignisse führten mir einmal mehr vor Augen, wie zerbrechlich die menschliche Existenz in dieser Welt ist. Wie aus heiterem Himmel sich Leben und Tod nahekommen. Und wie weise und menschenfreundlich die Kirche mahnt, vorbereitet zu sein.
Die so freundlichen Genesungswünsche, die mir mitgeteilt wurden, gerade auch jene der Leser, haben mir nicht nur den Krankenhausaufenthalt erleichtert, sondern mich auch innerlich sehr berührt. Lob für mich löst in mir eine gewisse Verlegenheit aus, doch was ich hier dankbar annehmen konnte, war die brüderliche Verbundenheit. Eine Erfahrung in einer solchen Situation, für die ich von Herzen danken möchte.
Die „spiritualisierte“ Leere des vollen Grabes
Im Krankenhaus gab es die Gelegenheit zu einigen guten Gesprächen, die den innersten Wunsch und die Sehnsucht des Menschen nach dem Schönen, Wahren und Guten erkennen ließen. In jedem Krankenzimmer des öffentlichen Krankenhauses hing ein Kreuz, allen Anti-Kreuz-Urteilen und laizistischen Angriffen zum Trotz.
Der Besuch in der Krankenhauskapelle war ernüchternd, was die vorgefundene „spiritualisierte“ Leere anbelangt. Sie erinnerte mich an das inhaltlich haarsträubende, letztlich hochmütige Osterpapier der EKD, wonach es für den christlichen Glauben „nicht konstitutiv“ sei, ob das Grab Christi am Ostersonntag leer war oder nicht. Doch Christus war im Allerheiligsten Altarsakrament zugegen. Was für eine Gnade an einem solchen Ort. Der Tabernakel: ein Kubus auf einer Stele vom gestalterischen Charme einer Designerhülle, die auch einen Luxuskühlschrank umkleiden könnte.
Die Wand, vor der der Priester versus populum zelebrierte, war zwar gefällig bunt, aber inhaltslos. Auf dem Altar stand immerhin ein Metallkreuz als einziger Halt für die unruhigen menschlichen Augen. Die Stäbe des Kreuzes ohne Corpus waren so dünn, daß sich die Augen kaum daran festmachen konnten, wollten sie nicht der Verlegenheit verfallen, dem Priester bei seinem Tun ständig zuschauen zu müssen. An einer Seitenwand, gewissermaßen den Blicken entrückt, hing ein überlebensgroßer, wunderbarer Holzcorpus des Gekreuzigten Herrn. Was für ein Kontrast in derselben Kapelle.
Einen jungen Mann, der ehrfürchtig neben mir in der Bank kniete, lud ich ansschließend vor der Kapelle zu einer Veranstaltung ein, damit er Gelegenheit hat, auch die Tradition kennenzulernen.
Der Zuspruch der Leser erleichterte es mir, für diese Zeit ganz abschalten zu können. Das bedeutet auch, daß ich nun einigen Nachholbedarf habe, es gilt nachzulesen, an Kontakte anzuknüpfen, Informationen zu sammeln und diese zu sieben und zu gewichten.
Das Martyrium der Armenier – Völkermord auch Völkermord nennen
Die einzige Meldung, die ich trotz „Sendepause“ auch im Krankenhausbett mitbekommen habe, hat mich erfreut: Papst Franziskus benannte zum 100. Jahrestag das Leiden der Armenier als das, was es war, nämlich ein Völkermord. Das hatte bereits vor ihm Johannes Paul II. getan. Bereits Benedikt XV. hatte 1915 seine Stimme zugunsten dieses alten christlichen Volkes erhoben.
Im völkerrechtlichen Sinn sprechen wir von Völkermord, im kirchenrechtlichen Sinn in einer noch weit höheren Stufe von Martyrium. Was sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Teilen des Osmanischen Reiches und gewollt von dessen jungtürkischer Regierung abspielte, war das Martyrium eines ganzen Volkes, mehr noch: das Martyrium aller Christen. Geschunden, interniert, vertrieben und ermordet wurden die Armenier, die Griechen, die syrischen Christen (Chaldäer, Assyrer, Aramäer).
Ihre Schuld? Christen zu sein. Zynischer ausgedrückt: Ihre Schuld war es, am „falschen Ort“ Christen zu sein. Der neue Nationalismus verlangte Uniformität durch Hegemonisierung. Der Hegemon war moslemisch, sunnitisch und türkisch. Kein Platz für Christen, lautete das Verdikt, das erbarmungslos und gewaltsam in allen Himmelsrichtungen zur blutigen Tat wurde.
Bedauerlich und bedenklich die Reaktion der heutigen Türkei. Doppelt bedenklich, da heute nicht mehr jene Kräfte regieren, die in der Tradition der Jungtürken stehen und damit größere Distanz zu den Ereignissen haben könnten. Was an Einsicht ist erst von anderen moslemischen Regierungen und politisch/religiösen Bewegungen der islamischen Welt zu erwarten, wenn die türkische Regierung, die seit so vielen Jahrzehnten vom Westen hofiert wird und als engster Partner Israels im Nahen Osten gilt, so wenig Einsicht zeigt?
Es zeichnet die Kirche Christi aus, daß sie die Dinge beim Namen nennt und zu ihren Brüdern und Schwestern im Glauben steht. Gerade auch dort, wo die Politik bereit ist, aufgrund welcher Interessen auch immer, das Morden der einen gnadenlos offenzulegen und das Morden der anderen gnadenlos zuzudecken.
Tage der Genesung
Das sind nun zwar noch Tage der Genesung, doch zeigten sich die Ärzte überzeugt, daß die Therapie gut anschlägt und entließen mich nach Hause. Es wird nun etwas dauern, die Lücken zu schließen. Der längere Aufsatz über Dom Helder Camara, an dem ich am Dienstag der Osteroktav gearbeitet habe und aus dem ich herausgerissen wurde, wird vorerst zurückgestellt werden müssen. Ich hoffe, ihn sobald als möglich veröffentlichen zu können.
Ich möchte allen Lesern und ebenso allen Mitarbeitern, Autoren und nicht zuletzt dem Herausgeber für die Anteilnahme und das Gebet danken, aber auch für die Geduld, in einer so schnellebigen Zeit und gerade im Informationsbereich etwas „erblindet“ zu sein. Es soll mir Auftrag und Verpflichtung sein, diesem Vertrauen durch die tägliche Arbeit zu entsprechen. Einstweilen darf ich Sie bitten, mich der Gnade Unseres Herrn anzuempfehlen, damit die Genesung vollständig gelingt und keine Komplikationen auftreten.
In dankbarer Verbundenheit
Ihr Giuseppe Nardi