(Rom) „Es zeichnet sich eine Revolution der Familienseelsorge in Sachen Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene und homosexuelle Beziehungen ab.“ Zwei Jahre nach der Wahl von Papst Franziskus bezeichnete der bekannte Historiker und katholische Intellektuelle Roberto de Mattei das Pontifikat des argentinischen Papstes als „rätselhaft“ und „voller Paradoxe“.
Der Autor eines Standardwerks über die Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils („Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte“) sieht eine große Kluft zwischen den desiderata von Franziskus und dem sentire der katholischen Welt.
„Für den feinsinnigsten Denker des italienischen Traditionalismus“, so Alberto Melloni, sein historischer Gegenspieler und Leiter der progressistischen Schule von Bologna, „riskiert die Kirche mit diesem Papst ein Schisma durch jene progressistischen Bischöfe, wie den deutschen, die mit ihren ‚Öffnungen‘ weitermachen wollen, auch wenn die Synode im Herbst ihre ‚Reformen‘ ablehnt.“
Drei italienische Tageszeitungen (Il Giorno, La Nazione, Il Resto del Carlino) veröffentlichten zeitgleich ein Interview mit Roberto de Mattei:
Auch der ultrakonservative Kardinal Raymond Burke hat Widerstand um jeden Preis angekündigt.
Roberto de Mattei: Er hat aber kein Schisma angekündigt. Er hat nur gesagt, daß er sich bei der Synode gegen jede Veränderung der Wahrheit über die Ehe widersetzen wird. Mir scheint das ein ehrliches und transparentes Verhalten zu sein.
Will der Papst wirklich die Glaubenslehre angreifen?
Roberto de Mattei: Franziskus gibt sich als Konservativer. Er äußert sich nicht gegen die Dogmen. Seine pastorale Strategie aber ist an sich revolutionär, weil sie die Wahrheit der Praxis unterordnet, vor allem zu einem so brennend heißen Thema wie der Familie. Auf diese Weise signalisiert er einen grundlegenden Bruch in der Geschichte des Papsttums, wie es ihn seit 50 Jahren nicht mehr gegeben hat.
Ist die Kirche nicht reif für diesen Wandel?
Einer solchen Wende will ich sicher nicht das Wort reden. Ich finde es korrekter, zu sagen, daß Franziskus die Kardinäle, Bischöfe, Priester und Pfarreien verwirrt. Es genügt an die Bitte von 120.000 Katholiken aus aller Welt zu erinnern, mit der Franziskus aufgefordert wurde, endlich ein klares Wort über die Unauflöslichkeit der Ehe zu sagen. Auch eine bloße Tolerierung der Zweitehe durch Öffnung der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene wäre bereits ein Angriff auf die traditionelle Lehre der Kirche.
Zu diesem Punkt ist es bei der vergangenen Synode zu einem harten Schlagabtausch zwischen Progressiven und Konservativen gekommen.
Ich würde von einem Riß sprechen. Die Paragraphen des Schlußdokuments zu Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen haben nicht die nötige Zwei-Drittel-Zustimmung erhalten. Die wirkliche Neuheit jener Versammlung war die starke Opposition gegen die Reformen durch die afrikanischen und osteuropäischen Bischöfe. Genau jene Bischöfe der Ränder, die Bergoglio nicht müde wird, zu loben. Das ist eines der Paradoxe dieses Pontifikats.
Welche sind die anderen?
Im vergangenen Oktober empfing der Papst Vertreter der radikalen Linken, der sogenannten Volksbewegungen. Von sich vermittelte er dabei einen sehr peronistischen Eindruck, den sozialen Anliegen besonders nahe zu stehen. Wen beauftragt der Vatikan aber unter diesem Papst, um den Haushalt der Vatikanbank IOR zu überprüfen? Ein globalistisch-kapitalistisches Institut wie Ernst & Young.
Oder: Bergoglio spricht von Dezentralisierung der Macht in der Kirche, doch in den Entscheidungen zeigt er sich als starker Zentralisierer.
Der weiterhin breite Zustimmung findet?
Ja, bei den Medien und außerhalb der Kirche, wo er sogar Wojtyla an Popularität überflügelt hat. Doch in der katholischen Welt ist er weit weniger beliebt. Auch die Teilnahme am Angelus und an den Generalaudienzen in St. Peter ist rückläufig.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/MiL