(Rom) Der aufmerksame Vatikanist Matteo Matzuzzi der Tageszeitung Il Foglio schrieb in der gestrigen Ausgabe über die jüngsten Stellungnahmen von Kardinal Gerhard Müller, Präfekt der römischen Glaubenskongregation. Stellungnahmen, die als Antwort und Gegenposition zu zwei anderen deutschen Kardinälen, Walter Kasper und Reinhard Marx zu verstehen sind. Wörtlich sagte Kardinal Müller, daß die Bistümer „keine Filialen des Sekretariats einer Bischofskonferenz“ seien. Eine Antwort auf eine Aussage des Erzbischofs von München-Freising, Kardinal Marx, der Ende Februar gesagte hatte, die Deutsche Bischofskonferenz sei „keine Filiale von Rom“. Die weiteren Ausführungen Kardinals Müllers könnten in einer nicht minder scharfen Ergänzung zusammengefaßt werden: „Und Rom ist keine Filiale der Bischofskonferenzen“.
Zudem verwirft der Kardinalpräfekt ohne Wenn und Aber einen Vorschlag von Papst Franziskus, den einzelnen Bischofskonferenzen „gewisse“ Zuständigkeiten im Bereich der Glaubenslehre und der kirchlichen Ordnung zu übertragen. Eine solche Idee hatte Papst Franziskus in seiner „programmatischen“ Schrift Evangelii Gaudium aufgegriffen. Beobachter mutmaßten, daß es sich dabei um eine Wahlkapitulation handeln könnte, eine Forderung, die vor oder im Konklave an den argentinischen Kardinal Bergoglio herangetragen worden war.
Die Aussage bestätigt, was in Rom bereits im November 2013 inoffiziell die Runde machte, daß der Glaubenspräfekt keinen Anteil an der Abfassung des Apostolischen Schreibens Evangelii Gaudium hatte.
Müller: „Doktrinelle Vollmachten an die Bischofskonferenzen? Das ist absolut antikatholisch“
von Matteo Matzuzzi
Die Kuppel des Petersdoms bebt und das nicht wegen der Windstöße, die heute heftig über Rom hinwegfegten. Der Kardinalpräfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Gerhard Müller hat der französischen Wochenzeitung Famille Chrétienne ein Interview gegeben, in dem er kraftvoll seine Position zur bevorstehenden Synode bekräftigte. Er ging aber auch darüber hinaus und stellte die Möglichkeit in Frage, den nationalen Bischofskonferenzen weitreichende Befugnisse zu übertragen, und damit einen Kernpunkt des päpstlichen Schreibens Evangelii Gaudium, dem Programm dieses Pontifikats, wie Franziskus selbst klarstellte und das sogar schwarz auf weiß: „Ich unterstreiche, daß das, was ich hier zum Ausdruck bringen will, programmatische Bedeutung hat und wichtige Konsequenzen hat“.
Der deutsche Purpurträger sagt unverblümt, daß die Idee, „einige Entscheidungen zu Doktrin oder Disziplin über die Ehe oder die Familie den Bischofskonferenzen zu delegieren absolut antikatholisch ist“, da die lokalen Bischofskonferenzen – auch wenn sie Autorität zu bestimmten Fragen haben – „kein Lehramt neben dem Lehramt darstellen, ohne den Papst und ohne Gemeinschaft mit allen Bischöfen“.
Das Problem ist, daß die (seit jeher heikle und dornige) Frage mit äußerster Klarheit in einer Stelle von Evangelii Gaudium angesprochen wurde: „Aber dieser Wunsch hat sich nicht völlig erfüllt, denn es ist noch nicht deutlich genug eine Satzung der Bischofskonferenzen formuliert worden, die sie als Subjekte mit konkreten Kompetenzbereichen versteht, auch einschließlich einer gewissen authentischen Lehrautorität. Eine übertriebene Zentralisierung kompliziert das Leben der Kirche und ihre missionarische Dynamik, anstatt ihr zu helfen.“
Nach dem Urteil des Kardinalpräfekten „ist die Kirche nicht die Summe von Nationalkirchen, deren Vorsitzende abstimmen, um sich ihren Anführer auf Weltebene zu wählen“. Der Gedanke Müllers ist nicht neu. Schon im Herbst 2013 wurde vom Osservatore Romano ein ausführlicher Aufsatz von ihm veröffentlicht, in dem er die Möglichkeit verwarf, wiederverheiratete Geschiedene wieder zur Kommunion zuzulassen, einer der am meisten kontrovers diskutierten Punkte der außerordentlichen Bischofssynode vom vergangenen Oktober.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino