(Rom) Daß die deutschen Bischöfe die Streitbarsten zu den Themen sind, die Gegenstand der Synodenüberlegungen sind, war bereits bekannt. Im vergangenen August kündigten sie ja offen an, daß sie nach Rom kommen würden mit einem Dokument in der Hand mit den Unterschriften aller Bischöfe, die für die von Kardinal Walter Kasper vorgeschlagenen Thesen sind. Eine Ankündigung, die der Vatikanist Matteo Matzuzzi von Il Foglio als veritable Drohung erkannte und deshalb schrieb: „Gott bewahre uns vor den Deutschen“.
Heute, wenig zufrieden mit den Ergebnissen des ersten Synodenteils, der außerordentlichen Synode vom vergangenen Oktober, bereiten sie sich auf die entscheidende Herausforderung vor. Der Vorsitzende ihrer Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, der Erzbischof von München-Freising, legte nach und sandte inzwischen eine neue Drohung aus. Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Frühjahrskonferenz der Bischöfe sagte er: „Wir sind keine Filialen von Rom. Jede Bischofskonferenz ist für die Pastoral in ihrem Kulturkreis zuständig und hat das Evangelium in ureigener Aufgabe selber zu verkünden.“
Die „Praxis“ läßt sich gegen jeden richten
Der Purpurträger ist eine Kreation von Johannes Paul II. und des damaligen Apostolischen Nuntius für Deutschland Giovanni Lajolo. Den entscheidenden Karrieresprung zum Erzbischof von München-Freising, Kardinal und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz ermöglichte ihm jedoch Benedikt XVI. Machtmensch Marx, der das Zeug zum Bundeskanzler hätte, stellte bei der Pressekonferenz fest: Wenn man in der Lehre in Einheit mit der Kirche bleibe, dann „kann die Synode nicht im Detail vorschreiben, was wir in Deutschland zu tun haben“. Mit anderen Worten wendet Kardinal Marx dasselbe Prinzip, das Kardinal Kasper für die ganze Kirche fordert, Trennung von Lehre und Praxis, gegen die Kirche ein. Kasper fordert eine Trennung von Lehre und Praxis für die ganze Kirche. Man belasse die Lehre, wie sie ist, wen interessiere schon die Theorie. Wichtig sei die Praxis und die wolle man ändern. Marx sagt nun in Weiterentwicklung: Ja, ja, macht ihr nur in Rom. Wenn Rom aber in der neuen Praxis nicht tut, was wir wollen, tun wir es eben auf eigene Faust.
Übersetzt meint das Ganze: Sind Lehre und Praxis erst einmal getrennt, macht jeder was er will. Die Verfechter der Trennung-These liefern selbst den Beweis dazu, noch bevor sie ihr eigentliches Ziel erreicht haben. Man muß ihnen dankbar für die erhellende Ehrlichkeit sein.
Marxens Drohung gegen Rom
Die Tagespost erkannte es nicht anders und schrieb, daß die Deutsche Bischofskonferenz Rom aus dem Mund von Kardinal Marx wissen ließ, daß sie nicht einmal mehr auf die Entscheidungen der kommenden Bischofssynode und die folgenden päpstlichen Entscheidungen warten wolle. „Wir können nicht warten, bis eine Synode sagt, wie wir hier Ehe- und Familienpastoral zu gestalten haben.“
Aus der Perspektive des antiken Roms lebten im Norden die „Barbaren“. Im vergangenen Oktober kamen die neuen „Barbaren“ mit einem Dokument bewaffnet nach Rom, um Entschlossenheit zu zeigen. Kardinal Marx vertrat die Bischofskonferenz. Der „Römer“ Kardinal Müller als Glaubenspräfekt war sein Gegenpart. Um die Gewichtungen „richtig“ vorzunehmen, verdoppelte Papst Franziskus ad personam mit Kardinal Kasper Marxens „barbarische“ Position. Nun fallen die neuen „Barbaren“ mit einem weiteren Dokument in Rom ein. Kardinal Marx kündigte es an: In den nächsten Wochen werde die Bischofskonferenz ein Papier zur Bischofssynode veröffentlichen, zu der die deutschen Bischöfe „gewisse Erwartungen“ haben. Es gehe darum „neue Wege zu gehen“ und „mitzuhelfen, dass Türen geöffnet werden“.
Marx: Das ist erst der Anfang – „Im theologischen Bereich ist noch eine ganze Menge Arbeit“
Die reiche deutsche Kirche hat Gewicht. Geld hat Gewicht. Damit wollen Machtmenschen wie Kardinal Marx andere Ortskirchen beeindrucken. Und sollten sie nicht beeindruckt sein, könne man ja ein bißchen mit dem Geldhahn drohen. Andererseits: Gehört das Scheckbuch nicht seit Jahrzehnten zum bevorzugten Mittel bundesdeutscher Außenpolitik? Die deutschen Bischöfe haben aufgepaßt und gelernt.
In einem langen Interview, das im vergangenen Januar in der renommierten Zeitschrift America des Jesuitenordens erschienen ist, stellte Kardinal Marx klar, daß seiner Ansicht nach im theologischen Bereich noch eine ganze Menge Arbeit zu leisten sei. Mit anderen Worten: Das richtige Aufräumen habe erst begonnen. „Wir müssen Wege finden, daß die Menschen die Eucharistie empfangen. Es geht nicht darum, Wege zu finden, sie fernzuhalten! Wir müssen Wege finden, sie willkommen zu heißen. Wir müssen unsere Vorstellungskraft nützen und uns fragen, ob wir etwas tun können. Die Aufmerksamkeit muß sich darauf konzentrieren, wie wir die Menschen willkommen heißen können.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Ciesa e postconcilio