(Madrid/Rom) Der spanische Kirchenhistoriker und bekannte katholische Blogger Francisco de la Cigoña veröffentlichte seine Lesart der neuen Kardinalserhebungen durch Papst Franziskus nach dem Motto: Seien wir froh, es hätte alles schlimmer kommen können.
Sehr franziszeisch und daher sehr überraschend hat er 20 neue Kardinäle kreiert, fünfzehn Wähler und fünf über 80jährige.
Man denkt, daß allein die Wähler wichtig sind, dem ist aber nicht so. Die Ernennung von Kardinälen, die das 80. Lebensjahr vollendet haben, hat auch ihre Bedeutung. Sie reflektiert in erster Linie, wen die Kirche anerkennt und gibt Aufschluß über die Gewichtungen oder die Launen eines Papstes. Ein Kardinal kommt rangmäßig vor jedem Bischof oder emeritierten Bischof egal welcher Diözese. Würde man vom emeritierten Bischof von Xai Xai sprechen, wüßten die allermeisten nicht einmal, wo das liegt. Aber ein Kardinal Langa, der hat Gewicht.
Nächste Kardinalserhebung erst 2017 – Ausscheiden Lehmanns wird „großer Tag für die Kirche“ sein
Papst Franziskus hat fünf Wähler mehr ernannt, als von Paul VI. mit der Höchstgrenze von 120 festgelegt wurden. Bis März 2016 wird daher, ein plötzlicher Tod ausgenommen, kein Sitz im Wahlkollegium der Katholischen Kirche vakant werden. Die Kardinäle Naguib (18. März 2015), Rigali (19. April), De Paolis (19. September), Abril (21. September) und Mahony (27. Februar 2016) sind die nächsten, die das 80. Lebensjahr vollenden und als Wähler ausscheiden. Ihre freiwerdenden Sitze werden nun von Papst Franziskus schon besetzt. Erst mit dem 80. Geburtstag von Kardinal Terrazas am 7. März 2016 wird wieder ein Stuhl im Konklave vakant. Es wird also einige Zeit dauern, bis die Ernennung neuer Kardinäle möglich wird, wahrscheinlich Februar 2017. Bis dahin werden neben Kardinal Terrazas weitere Kardinäle ihr Wahlrecht verloren haben: Dias am 14. April 2016, Lehmann am 16. Mai, was ein großer Tag für die Kirche sein wird, Levada am 15. Juni, Okogie am 16. Juni, Turkotte am 26. Juni, Ortega am 18. Oktober, Lopez Rodriguez am 31. Oktober, Antonelli am 18. November und Sarr am 28. November. Ende 2016 werden damit elf Sitze vakant sein. Außer der Papst ändert die von Paul VI. festgelegte Zahl der Wähler.
Die gute Nachricht: Keine Kardinäle Forte, Paglia, Hans Küng, Gutierrez oder Casaldaliga
Die gute Nachricht: der Ankündigung der neuen Kardinäle folgte eine Reaktion der Erleichterung. Manche Kirchenvertreter trauen Papst Franziskus offfenbar die schlimmsten Ernennungen zu. Besorgniserregende Namen wie die Italiener Forte und Paglia, der päpstliche Ghostwriter Fernandez, oder sogar undenkbar Namen wie Hans Küng, Gustavo Gutiérrez oder Casaldaliga gingen um.
Allerdings muß auch gesagt werden, daß die schlimmsten Mitglieder des Kardinalskollegiums aus der Zeit vor Papst Franziskus stammen. Das gilt auch für die nun neu ernannten Kardinäle. Die schlimmsten unter den Neuen, so sagt man mir, sind der Neuseeländer Dew, der Portugiese Clemente und der Uruguayer Sturla. Der Patriarch von Lissabon gehört dabei sogar noch zu den besten Vertretern des portugiesischen Episkopats, das in Summe medioker ist. Sein Vorgänger, Patriarch Policarpo war einfach nur ein feierlicher Tölpel und man kann nur hoffen, daß der neue Kardinal sich nicht ebenso verhält. Sturla von Montevideo scheint mir immer wieder einfach nur ein Salesianer ohne Bildung zu sein, wie es mehrere von ihnen gibt, die wie durch ein Glückspiel unverdient auf ihre Posten gekommen zu sein scheinen.
Man sagt mir zudem, daß einer der beiden neuernannten italienischen Diözesanbischöfe schlecht, der andere hingegen ausgezeichnet sein soll. Als sehr gute und ebenso überraschende Ernennung kann ich jene des emeritierten italienischen Kurienvertreters De Magistris anführen.
Schlecht ist die Ernennung des Kardinalnepoten aus Vietnam, der demnächst im Wahlkollegium sitzen wird. Wir sprechen dem Papst aber nicht das Recht auf die Laune ab, einen Freund auszuzeichnen.
Ausgezeichnet ist dagegen die Erhebung des Mexikaners Suarez und gut und überraschend jene des Spaniers Blazquez, der ein Mann von solider Verankerung in der Glaubenslehre ist. Ich freue mich mit der Erzdiözese Valladolid. Der bisher letzte Erzbischof, der zum Kardinal kreiert wurde, war der 1838 geborene José Maria Justo Cos Y Macho. Seine Kardinalserhebung erfolgte 1911 durch Papst Pius X.
Peripherismus und Insularismus – In den USA hätte wohl nur Bischof von Honolulu Chancen
Erstaunlich ist der Peripherismus und der Insularismus des Papstes. Die Erhebung des Erzbischofs von Addis Abeba mag verständlich sein, ebenso jene von Rangun und Bangkok. Aber die Kapverdischen Inseln, Tonga und Xai Xai können nur als Laune bezeichnet werden. Aber so ist es. Die Ernannten sind so unbekannt, daß ich erst einmal im Päpstlichen Jahrbuch nachschlagen mußte. Papst Franziskus mag Inseln. Bei dieser Gelegenheit gleich drei. Zwei von ihnen muß man mit dem Vergrößerungsglas auf der Landkarte suchen. Bei seiner ersten Kardinalskreierung waren es zwei solcher Inseln: Haiti und die Antillen.
Ich könnte mir vorstellen, daß nicht wenige Erzbischöfe, die nicht berücksichtigt wurden, sich nun fragen werden: Warum die und nicht ich? Um ehrlich zu sein, frage auch ich mich das, ohne eine andere Antwort darauf zu finden, als jene, die ich schon genannt habe. Ich nehme an, daß es den Erzbischöfen nicht anders ergeht. Mini-Diözesen wie Tonga und die Kapverdischen Inseln erhalten überproportionales Gewicht in der Katholischen Kirche. Das Bistum Tonga ist dreimal so groß wie Liechtenstein und zählt 15.000 Katholiken. Gilt die Ernennung nicht dem Bistum, sondern – wie es grundsätzlich sein sollte – dem regierenden Bischof? Allerdings hat man nie etwas von ihm gehört.
Neben dem nicht romanischen Europa werden vor allem die USA der große Abwesende bei diesem Konsistorium sein. Es wird keinen Kardinal Cupich (Chicago) geben, aber ebensowenig einen Kardinal Chaput (Philadelphia) oder Gomez (Los Angeles). Wahrscheinlich hätte noch am ehesten der mir unbekannte Bischof von Honolulu eine Chance, weil er von einer Insel kommt.
Eindeutig scheint hingegen der päpstliche Willen, die Kardinalswürde von Venedig und Turin abzuziehen. Die Ernennung der Bischöfe von Perugia, Ancona-Osimo und Agrigento spricht eine klare Sprache.
Sieben von 20 neuen Kardinälen kommen aus Europa. Das ist immer noch ein Drittel. Und dennoch sind eigentlich nur die romanischen Südstaaten Italien, Spanien und Portugal durch Diözesanbischöfe berücksichtigt worden. Frankreich bekam einen Kurienvertreter und der deutsche Sprachraum einen über 80jährigen Diplomaten außer Dienst.
Einige Anwärter werden zu „hoffnungslosen Fällen“
Mir scheint, daß der Erzbischof von Brüssel-Mecheln, was die Kardinalswürde anbelangt, zum „hoffnungslosen Fall“ geworden ist. Gleiches gilt wohl auch für Patriarch Moraglia von Venedig und Erzbischof Nosiglia von Turin. Kapverdische Inseln, Tonga und Xai Xai stehen über Brüssel, Venedig und Turin.
Lateinamerika bekommt Kardinäle für Mexiko, Panama und Uruguay sowie Trostpflaster für Kolumbien und Argentinien. Der privilegierte Kontinent scheint Asien mit Vietnam, Thailand und Birma. Die japanische Katholizität fehlt hingegen noch und dabei dürfte es auch bleiben. Doch der wirkliche Aufsteiger ist Ozeanien mit der Verleihung von gleich zwei Kardinalswürden an Neuseeland und Tonga. An Afrika gehen drei purpurne Birette: Äthiopien, Kapverdische Inseln und Mosambik.
Die Ordensgemeinschaften erhalten mit vier Erhebungen ein Fünftel der neuen Kardinalswürden. Zwei Salesianer, ein Missionar und ein Augustiner, wobei mir die Bevorzugung der Salesianer unberechtigt scheint.
Noch eine Kuriosität weisen die Kardinalserhebungen von Papst Franziskus auf. Das Alter der Ernannten wird in neue Höhen getrieben. Im Februar 2014 kreierte er den 99jährigen Loris Capovilla zum Kardinal, weil er der Sekretär von Johannes XXIII. war. Im Februar 2015 wird er mit dem emeritierten Erzbischof von Manizales in Kolumbien einen 95-Jährigen zum Kardinal erheben. Immerhin hinter Capovilla und Canestri auf Anhieb das drittälteste Mitglied des Kardinalskollegiums.
Erstaunlich auch, daß sich unter den Neuernannten mehrere finden, die unmittelbar vor ihrer Emeritierung stehen, die ihre Erhebung faktisch ausschließen würde, während sie so noch mindestens fünf Jahre Papstwähler sind. Zu ihnen gehören der Erzbischof von Hanoi (76), Erzbischof von Ancona-Osimo (75) und der Erzbischof von Morelia (75).
In Summe: Seien wir froh, es hätte schlimmer kommen können.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: La Cigueña de la Torre