(Rom) Papst Franziskus setzt seinen Versuch eines Brückenschlags zur kirchenfernen Linken, sogar der radikalen und der extremen Linken fort. Am 28. Oktober empfing er Vertreter des linksextremen Autonomenzentrums Leoncavallo im Vatikan.
Der Blick nach links von Papst Franziskus setzte mit dem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium ein, in dem er Kapitalismuskritik übte. Ein Liebäugeln, das dem gesamten politischen linken Spektrum gelten konnte. Seither folgten weitere Schritte. Diese galten jedoch nicht so sehr der gemäßigten Linken, die heute unter dem Sammelbegriff Sozialdemokratie maßgebliche politische Macht sowohl in der EU als auch in den USA ausübt. Die päpstliche Aufmerksamkeit gilt erstaunlicherweise mehr der radikalen Linken.
Nach Alexis Tsirapas auch Leonkas in den Vatikan eingeladen
Am vergangenen 18. September empfing Papst Franziskus Alexis Tsirpas, den Anführer der radikalen europäischen Linken (siehe „Der Papst ist kein Linker, aber er spricht wie ein Linker“ – Franziskus empfing radikale Linke Europas). Was bei den Europawahlen im Mai als Liste Tsirpas kandidierte, war eine breite linksradikale Allianz von kommunistischen Nachfolgeparteien und einigen links-grünen Gruppierungen. Eine Allianz, die auch als politischer Arm der extremen Linken auftritt. Das Treffen fand im Gästehaus Santa Marta statt, wurde jedoch wie etwa die Hälfte aller Audienzen von Papst Franziskus nicht im offiziellen Bulletin des Heiligen Stuhls verzeichnet.
Der argentinische Papst, über dessen Verhältnis zur Befreiungstheologie noch immer spekuliert wird, in erster Linie weil sich in Europa kaum jemand wirklich mit deren unterschiedlichen Strömungen und Richtungen auskennt, ging inzwischen noch weiter. Am 28. Oktober empfing das katholische Kirchenoberhaupt Vertreter des außerparlamentarischen Linksextremismus. Dergleichen gab es noch nicht.
Den Weg in den Vatikan fanden am Dienstag der Vorwoche die „Mamme del Leoncavallo“. Hinter der harmlos klingenden Selbstbezeichnung verbirgt sich der Kern des Autonomenzentrums Leoncavallo von Mailand, die Speerspitze des gewaltbereiten italienischen Linksextremismus. „Pi๠a sinistra si muore“ heißt es in Mailand, was frei übersetzt sagen will, daß es weiter links gar nicht mehr geht.
Das Spektrum rund um das Weltsozialforum
Das „Selbstverwaltete Sozialzentrum“ Leoncavallo, wie sich die Autonomenzentren in Italien nennen, ist seit 1975 als Hort einer berüchtigten Schlägertruppe bekannt. Wo immer die militanten Linksextremisten auftauchen, gibt es Gewalt, Hausbesetzungen und Straßenschlachten mit der Polizei. Oder anders gesagt, wo immer es die Möglichkeit zu Gewalt und Straßenschlachten gibt, sind die Militanten des Leonka dabei, wie das Zentrum in Kurzfassung genannt wird.
Im Gegensatz zur Audienz für den Linksradikalen Alexis Tsirpas wurden die Linksextremisten ganz offiziell im Vatikan empfangen. Anlaß bot die Einladung des Papstes zu einer Begegnung mit Vertretern sozialer Bewegungen. Vielleicht dachte jemand im Vatikan, in der großen Gruppe würden die Extremisten nicht auffallen. Wahrscheinlicher scheint, daß man das Leonka als Ausdruck dieses Teils des linken Spektrums anerkennt und nichts dabei findet. Berührungsängste kennt Papst Franziskus nach links jedenfalls keine.
Das Treffen geht nämlich nicht auf einen Antrag der Links-Bewegten zurück, sondern auf Papst Franziskus selbst. Er ersuchte den Päpstlichen Rat Iustitia et Pax um die Herstellung der entsprechenden Kontakte. Wie genau die Linksextremisten des Leonka in die Geladenenliste kamen, spielt letztlich keine Rolle. Die meisten der in den Vatikan gekommenen Gruppierungen entstanden rund um das Weltsozialforum, das sich erstmals 2001 im brasilianischen Porto Alegre versammelte. Das Leoncavallo ist wesentlich älter und gehört bei der „Bewegungs“-Linken einfach dazu.
Weltverbesserung mit der radikalen Linken?
Die linkskatholische Vernetzung zur radikalen Linken funktioniert seit vielen Jahren (siehe Die Caritas und das marxistische Weltsozialforum). Eine Vernetzung, die Papst Franziskus offensichtlich gutheißt und der er auf höchster Ebene Sichtbarkeit und Anerkennung verleihen will. „Noch nie hatten militante Leonkas die Schwelle von St. Peter überschritten“ (Il Giorno), begeistern sich einige Medien am präzedenzlosen Empfang.
Unter den im Vatikan Begrüßten war Daniele Farina, seit vielen Jahren Leonka-Sprecher und heute Parlamentsabgeordneter der radikalen Linke, die bei den Europawahlen mit Alexis Tsirpas kandidierte. „Papst Franziskus ist sehr aufmerksam für die Probleme Afrikas und Lateinamerikas. Er hat die Tür zu diesen Welten aufgetan. Er ist ein Magnet.“ Farina war von 2001–2006 altkommunistischer Gemeinderat von Mailand und von 2006–2009 Parlamentsabgeordneter für die Altkommunisten. Seit 2013 vertritt er die aus Altkommunisten und Linksgrünen gebildete Liste Linke Ökologie und Freiheit (SEL) im Italienischen Parlament.
Cui bono?
In der Katholischen Kirche sehen es keineswegs alle wie Farina, der heutige Linksradikale mit besten Verbindungen zur extremen Linken. Sie fragen nach dem Nutzen dieser päpstlichen Vernetzungsarbeit für die Katholische Kirche als Religionsgemeinschaft. Sieht der Papst im Kreis jener, die in verschiedenen Kontinenten und Ländern Kirchen schänden, in Brand stecken oder beschmieren, die radikalste Abtreibungsbefürworter und antikatholische Hetzer sind, ein aussichtsreiches Missionsfeld? Oder geht es um neue politische Allianzen zu Fragen der „sozialen Gerechtigkeit“ abseits von Glaubensfragen? Auch unheiligen Allianzen?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/SEL/Leonka