(Aachen) In der nachkonziliaren Kirche ist „Dialog“ eines der Schlagworte, die man selbst als überaus toleranter Mensch mittlerweile nicht mehr hören kann. Was bei einem nachkonziliaren „Dialog“ herauskommt, ist zwar nicht unbedingt überraschend, aber doch bezeichnend.
Das Bistum Aachen soll hier als Beispiel dienen, denn dort wurde vor rund einem Monat die „Dokumentation der Brennpunktgruppen GEMEINDE und MACHT“ – könnte man reißerische Begriffe finden? – veröffentlicht. In seinem Vorwort zu dem 46 Seiten umfassenden Papier schreibt der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff nebulös: „Der Dialog lebt davon, dass niemand einen Raum allein für sich beansprucht, sondern dass zwischen den verschiedenen Beteiligten ein neuer, gemeinschaftlicher Raum erschlossen wird, in dem sich Dialog als Kommunikation und als Wahrheitssuche entfalten kann.“ Bemerkenswert ist darüber hinaus der ausdrücklich politische Ansatz des Dialogprozesses, der „sowohl in der Breite wie in der Tiefe einen intensiveren Dialog unter den Mitgliedern der Ortskirche und zwischen Bischöfen und Gläubigen“ produzieren soll, aber von „Höhe“ nicht spricht, nämlich der Beziehung zu Gott.
„Offenhalten der Frage nach Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern“
Der Leser möge sich anhand folgender Zitate, die weitgehend unkommentiert bleiben, selbst eine Meinung bilden, was den Stand der Dinge in der Kirche angeht. Die erste „Empfehlung“ der „Brennpunktgruppe MACHT“ – die „Brennpunktgruppe GEMEINDE“ vernachlässigen wir hier einfach – beschäftigt sich, wie nicht anders zu erwarten, mit dem Thema „Offenhalten der Frage nach der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern“.
Um die Frage nach der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern offen zu halten, empfehlen wir folgende praktische Maßnahmen:
– die Feier des Tages der Diakonin im Bistum Aachen;
– den Einsatz unseres Bischofs und der Weihbischöfe in der Bischofskonferenz, die Frage offen zu halten. […]
– die Anerkennung der diakonischen Praxis in der Kirche am Ort, die überwiegend von Frauen getragen wird.
„Mehr Frauen in Leitungspositionen im Bistum“
Eine ähnliche Orientierung weist die zweite „Empfehlung“ mit der Forderung „Mehr Frauen in Leitungspositionen der Kirche im Bistum Aachen“ auf.
Empfohlen wird:
1. die Handlungsempfehlungen aus der o.g. Studie zur Beschäftigungssituation von Frauen im kirchlichen Dienst im Bistum Aachen zu aktualisieren und umzusetzen;
2. Mentoring-Programme zu entwickeln und durchzuführen;
3. Ziele festzulegen, in welchem Zeitraum welcher Anteil von Frauen in Führungspositionen erreicht werden soll;
4. die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten im Bischöflichen Generalvikariat einzurichten
und mit Entscheidungskompetenzen auszustatten.
„Machtkultur – Machtmissbrauch“ in der Kirche
Während die erste „Empfehlung“ wenigstes eine Gegenstimme aufwies, stimmten alle Mitglieder der „Brennpunktgruppe MACHT“ für die zweite „Empfehlung“, die nur auf Strukturen fixiert ist und wie das farblose Programm einer austauschbaren politischen Partei klingt. Unter der Überschrift „Machtkultur – Machtmissbrauch“ finden wir sodann folgende „Empfehlung“:
In der Ausbildung der zukünftig in der Pastoral Tätigen die wesentlichen Inhalte des Präventionskonzeptes des Bistums Aachen (Kindeswohl, Auseinandersetzung mit Sexualität (auch der eigenen!), Täterstrategien, Opferverhalten, Handlungsschritte bei Verdacht auf Missbrauch) zu behandeln.
Seelsorgekolchosen: „Leitung in Gemeinschaft“
Erneut um Strukturen geht es in der fünften „Empfehlung“, diesmal in Bezug auf die Leitung von Pfarreien oder „Seelsorgekolchosen“ oder dem, was davon übrig ist, wiederum mit nur einer einzigen Gegenstimme.
Um die positiven Ergebnisse der gerade hinter uns liegenden Strukturreform nicht zu gefährden, stattdessen die neuen pastoralen Einheiten mit notwendigem und neuem Leben zu füllen, empfehlen wir dem Bischof, allen Leitungsverantwortlichen und den Gremien, für die Zukunft unseres Bistums stärker das Prinzip „Leitung in Gemeinschaft“ zu berücksichtigen und voranzutreiben.
„Wohlwollender Umgang“ mit „wiederverheiratet Geschiedenen“ und Homosexuellen
Um dem Elend ein Ende zu setzen, nachfolgend eine letzte „Empfehlung“ mit Blick auf „wiederverheiratete“ Geschiedene und Homosexuelle, die auch wieder mit einer Gegenstimme gewürdigt wurde. Übrigens wird in der nächsten „Empfehlung“ ein schwammiger „wohlwollender Umgang“ mit solchen Personen gefordert, wenn sie von der Kirche bezahlt werden.
Wir empfehlen,
1. das pastorale Angebot für wiederverheiratet Geschiedene umfassender bekannt zu machen und in dem Sinne auszuweiten, dass eine konkrete Beauftragung erfolgt. Die beauftragte Kontaktperson soll für Betroffene unkompliziert und zuverlässig erreichbar sein. Zum Aufgabenspektrum sollen persönliche Beratung, Vermittlung sowie weitere festzulegende Aufgaben gehören.
2. das pastorale Angebot „Bischöfliche Beauftragung für Homosexuelle und ihre Angehörigen“ allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt zu machen, um ein höheres Maß an Möglichkeiten zu eröffnen, dieses pastorale Angebot zu nutzen. Dazu ist es u.a. auch hilfreich, einen Hinweis im Schematismus auf diese Beauftragung zu platzieren.
Was der „Dialogprozeß“ nicht hören will
Eine Ausnahme in der Reihe zahlreichen „Empfehlungen“ der „Brennpunktgruppe MACHT“ ist bemerkenswert, wurden doch alle „Empfehlungen“ mit großer Mehrheit verabschiedet, häufig mit nur einer Gegenstimme. Die folgende „Empfehlung“ hingegen wurde von der Mehrheit abgelehnt und mit nur einer positiven Stimme ausgestattet. Warum? Lassen wir den Text für sich sprechen:
Bei allen aktuellen Bestrebungen, Änderungen in der Organisation und dem Aufbau unserer Kirche vornehmen zu wollen, darf niemals unsere menschliche Logik der Maßstab unserer Entscheidungen sein.
Es ist unserer Kirche verheißen, durch die Zeit getragen zu sein, trotz aller Schwächen und Sünden seiner menschlichen Vertreter. Aber es hat niemals zuvor Überlegungen gegeben, die in dieser Nachhaltigkeit und Ausprägung darauf ausgerichtet waren, elementare Wahrheiten unseres Glaubens den scheinbaren Erfordernissen unserer Zeit anzupassen.
Daher sollte unser Bestreben sein, im Einklang mit der Lehre unserer Kirche den Willen Gottes zu erkennen und uns für seinen Willen zu öffnen. Wenn wir mit dem Vater unser beten „Herr, dein Wille geschehe“, dann sollte uns dies Auftrag und Mahnung sein, danach zu suchen und nicht unsere eigene menschliche Sichtweise zum Maß aller Dinge zu erklären.
Der Begriff „Gott“ kommt etwa 15 Mal in allen Empfehlungen der „Brennpunktgruppe MACHT“ vor. Davon entfallen 13 Erwähnungen auf jene „Empfehlung“, der das letzte Zitat entstammt, wobei die beiden anderen Fälle den Begriff „Gott“ auch nicht gerade in besonders aussagekräftiger Form verwenden. Ein Sinnbild für die neue Ausrichtung der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil? Der Leser möge entscheiden.
Text: M. Benedikt Buerger
Bild: bistum-aachen.de (Screenshot)