(Florenz) Die „Tragödie“ der sogenannten „Konservativen“ in der Kirche unter Papst Franziskus zeige sich derzeit emblematisch in Florenz, so der Jurist Carlo Manetti. Am kommenden 25. September wird Pater Serafino Lanzetta vom „kommissarisch“ geschundenen Orden der Franziskaner der Immakulata in Florenz sein jüngstes Buch: „Das Zweite Vaticanum: ein Pastoralkonzil“ im Rahmen einer dazu veranstalteten Tagung vorstellen. Erzbischof Kardinal Betori von Florenz untersagte die öffentliche Zelebration einer Heiligen Messe im überlieferten Ritus durch Pater Lanzetta.
Pater Lanzetta war bis zur kommissarischen Verwaltung des Ordens Prior des Ordenskonventes von Florenz. Seither lebt er „exiliert“ im Kloster von Kitzbühel.
Durch den Apostolischen Kommissar Pater Fidenzio Volpi wurden nicht nur er und seine Mitbrüder zum Verlassen der Stadt gezwungen. Inzwischen mußten auch die Franziskanerinnen der Immakulata Florenz räumen, die derzeit von Apostolischen Visitatorinnen heimgesucht werden.
Der Erzbischof, die Alte Messe und „Opportunitätsgründe“
In diesen Tagen sorgt eine Entscheidung des Erzbischofs von Florenz für Aufsehen. Wegen der Aufhebung der von Papst Benedikt XVI. gewährten Zelebrationsfreiheit durch die Ordenskongregation, stellte der Veranstalter bei Erzbischof Giuseppe Kardinal Betori den Antrag, daß Pater Lanzetta aus Anlaß der Tagung und für die Teilnehmer in Florenz eine Heilige Messe im überlieferten Ritus zelebrieren kann. Die Bitte wurde durch den Kardinal abgelehnt.
Im Buch, gleichzeitig die Habilitationsschrift, skizziert und analysiert Pater Lanzetta anhand akribischer Dokumentation die Hauptströmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und ihr Wirken beim Zustandekommen der Konzilsdokumente (siehe eigenen Bericht Geisteskraft eines Verbannten – Habilitationsschrift von Pater Lanzetta über Zweites Vatikanum vorgelegt). Das Vorwort stammt vom bekannten Dogmatiker Manfred Hauke, der Lanzettas Habilitation betreute. Ein Buch von „unumstößlicher Orthodoxie“, so Carlo Manetti in einem Interview. Manetti ist Herausgeber des Buchs: Un caso che fa discutere: i Francescani dell‘Immacolata (Die Franziskaner der Immakulata. Ein Fall, der für Diskussionen sorgt, Verlag Fede & Cultura, Verona).
Der Lehrbeauftragte für Internationale Beziehungen gehört zu den Referenten der Tagung, die im Festsaal des Regionalparlaments der Toskana stattfindet. Unter anderen werden auch die Historiker Roberto de Mattei (Europäische Universität Rom) und Pietro De Marco (Universität Florenz) referieren, ebenso als Vertreter katholischer Medien Guido Scatizzi (Riscossa Christiana) und Pucci Cipriani (Controrivoluzione). Veranstalter der Tagung ist die traditionsverbundene Vereinigung Comunione Tradizionale von Florenz unter ihrem Vorsitzenden Ascanio Ruschi. Ruschi war es auch, der den Antrag beim Erzbischof stellte und von ihm die schriftliche Absage erhielt. Das Interview führte Domenico Rosa für Il Sito di Firenze.
Das Nein von Kardinal Betori zu Pater Lanzetta und zum überlieferten Ritus
Und dennoch scheint Kardinal Betori, der zu den „konservativen“ Bischöfen gerechnet wird, das Buch von Pater Lanzetta nicht als „orthodox“ zu betrachten…
Manetti: Nach seinem Brief zu urteilen, den er Rechtsanwalt Ruschi, dem Vorsitzenden der Vereinigung Comunione Tradizionale geschickt hat, in dem er Pater Serafino ausdrücklich die öffentliche Zelebration der überlieferten Messe verbietet, kann man keine doktrinelle Verurteilung des Buchinhaltes entnehmen, sondern – wenn man es so sagen kann – eine „politische“ Verurteilung des Textes. Es heißt, ein Bischof könne nicht die dort enthaltenden Thesen billigen, ohne zu behaupten, daß es sich um Häresien handle, wodurch der Zweifel entsteht, daß diese Unmöglichkeit nicht durch die Thesen selbst verursacht wird, sondern der Stellung des Bischofs; anders ausgedrückt: daß es nicht um doktrinelle Gründe, sondern um „pastorale“ Überlegungen geht, die den Leiter einer katholischen Diözese veranlassen, sich nicht öffentlich positiv für das große Werk von Pater Serafino zu äußern.
Wenn Sie erlauben, möchte ich die Frage noch erweitern, um das Drama, um nicht zu sagen, die Tragödie, darzulegen, in dem sich die sogenannten „konservativen“ Katholiken befinden: Sie möchten, vielleicht im Grunde ihres Herzens zur Wahrheit zurückkehren, aber praktische Opportunitätsgründe, heute „pastorale“ Gründe genannt, verbieten es ihnen, diese anzunehmen und als immergültig und unveränderlich zu bekennen. Um also dem heute so verbreiteten Vorwurf des „Traditionalismus“ oder neuerdings gar des „Krypto-Lefebvrianismus“ zu entgehen, sehen sie sich gezwungen, Meinungen zu vertreten und Handlungen zu setzen, die eigentlich der progressive katholische Extremismus vertritt.
Wie erklären Sie sich das Verbot in der Kirche San Gaetano eine Heilige Messe im überlieferten Ritus feiern zu können … der Kirche, die vom altrituellen Institut Christus König und Hoherpriester betreut wird? Wie sehen Sie diese „Kehrtwende“ des Erzbischofs von Florenz, der bis vor kurzem großzügig die überlieferte Messe förderte und den altrituellen Gemeinschaften Kirchen zur Betreuung anvertraute?
Manetti: Wie der Kardinal selbst in seinem Brief erklärte, sind die Gründe dafür nicht doktrineller, sondern pastoraler, politischer, ideologischer Art. Heute, nach der Thronbesteigung von Papst Franziskus, sind die „gefährdesten“ Prälaten genau die sogenannten „Konservativen“, wie der Fall von Kardinal Piacenza beispielhaft zeigte: der erste vom neuen Papst durchgeführte Fenstersturz. Sie sind weit mehr als ihre progressiven Kollegen gezwungen, Beweise ihrer Treue zum „neuen Kurs“ zu erbringen. Für die Progressiven wirkt deren Widerstand gegen Benedikt XVI. heute hingegen wie eine Lebensversicherung, eine Garantiebescheinigung für die Zukunft, daß sie überzeugt der sogenannten neuen „Kirche der Barmherzigkeit“ folgen. Die Konservativen hingegen, die sich durch Unterstützung Benedikts XVI. „verdächtig“ gemacht haben, sind gezwungen, heute, aber auch in Zukunft, Beweise ihrer „Zuverlässigkeit“ zu liefern. Vor allem dürfen sie sich nicht den geringsten Rückfall leisten und dazu gehört auch jedes Entgegenkommen gegenüber den „Traditionalisten“.
Sie befinden sich also in einer menschlich gesehen, sehr schwierigen Situation, aus der es einen Ausweg nur gibt, wenn sie uneingeschränkt für sich den Vorrang der Wahrheit über die Praxis, den Vorrang des Glaubens über die Pastoral, den Primat Jesu Christi über die Hierarchie erkennen und annehmen. Das ist nicht nur eine Frage des Mutes. Nach Jahrzehnten der Entwertung der Wahrheit zugunsten der taktischen Erringung von praktischen Ergebnissen, fällt es schwer, alles zu opfern, was man sich persönlich aufgebaut und gedanklich angeeignet hat. Oft fällt es überhaupt schon schwer, sich dieser Notwendigkeit überhaupt bewußt zu werden.
Pater Serafino Lanzetta ist also kein gefährlicher Häretiker?
Manetti: Natürlich nicht. Pater Serafino Lanzetta ist nicht nur kein gefährlicher Häretiker, sondern – trotz seines jungen Alters – einer der größten lebenden Theologen, brillant und tiefgehend zugleich, imstande, wie gesagt, bis in die Tiefe die Irrtümer, aber auch die Gründe dafür bei den von ihm untersuchten Akteuren des Konzils zu erfassen und darzustellen.
Wie wird die kommissarische Verwaltung der Franziskaner der Immakulata enden, nachdem der Großteil der Brüder vergeblich den Antrag gestellt hat, den Orden verlassen zu dürfen?
Manetti: Alles bisher Geschehene läßt darauf schließen, daß die gezielte Absicht besteht, den Orden der Franziskaner der Immakulata zu „liquidieren“, sowohl den männlichen als auch den weiblichen Zweig. Alle Maßnahmen, manchmal beschleunigt, manchmal gebremst, zielen darauf ab. Man kann unumwunden feststellen, daß der Fall der Franziskaner der Immakulata das gewalttätige Gesicht des Modernismus enthüllt und zeigt, wohin der von Gramsci postulierte Vorrang der Praxis vor der Theorie führt.
Ich möchte daher die Gelegenheit dieses Interviews nützen, um alle aufzufordern, in der Verteidigung der Wahrheit über die von Pater Manelli und Pater Pellettieri gegründeten Franziskaner der Immakulata auszuharren, damit nicht das Schweigen über diese traurige Angelegenheit gebreitet werden kann, denn aus dem Schweigen können nur die Verfolger Gewinn ziehen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino/Carlo Manetti