(Bagdad/Rom) Der mit Rom unierte chaldäische Patriarch Louis Sako von Bagdad forderte Papst Franziskus auf, in den Irak zu kommen, um der christlichen Gemeinschaft „nahe“ zu sein. Der Patriarch sagte zudem, der Papst solle sich nicht vor Angriffen des Islamischen Staates (IS) fürchten. Es handle sich um eine „Bitte“, so der Patriarch heute, die jedoch mit Nachdruck vorgebracht wurde.
„Er hat gesagt: Ich bin bereit dorthin zu gehen, wo es notwendig ist“, zitierte der Patriarch Papst Franziskus am Rande des Interreligiösen Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant’Egidio in Antwerpen.
„Ich sage: Wir brauchen seinen Besuch und seine Anwesenheit. Er soll keine Angst haben. Wir sind auch dort. Dann ist sein Leben wie unser Leben. Er ist unser Vater und ein Vater denkt und sagt nicht nur Worte zugunsten seiner Kinder, sondern ist bei ihnen. Die Anwesenheit, die Nähe, ist etwas ganz anderes“, so Patriarch Sako.
Auf seinem Rückflug aus Südkorea hatte Papst Franziskus den Journalisten gesagt, er sei bereit, auch in den Irak zu reisen.
Papst „wird von verfolgten Christen gebraucht“
Dort und in Syrien sind die Christen den ständigen Angriffen der Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt. Solange die Islamisten nur in Syrien kämpften, blieb das politische und mediale Interesse im Westen gering. Seit sie auch im mit den USA verbündeten Irak kämpfen, ist die Aufmerksamkeit deutlich gestiegen. Aufgrund der außenpolitischen Konstellationen stand eine Reise des Papstes zu den verfolgten syrischen Christen nie auf dem Programm. Ein Besuch bei den verfolgten Christen im Irak wäre nun denkbar. Patriarch Sako sagte in Antwerpen auch, daß der Irak „in erster Linie eine internationale militärische Intervention“ brauche.
Wie kompliziert aufgrund differenzierter Interessenlagen die Situation ist, zeigt die Tatsache, daß der Papst vor einem Jahr dazu aufrief, gegen eine Militärintervention zu beten und nun dazu aufrufen sollte, für eine Militärintervention zu sein. Entscheidende Kampfpartei sowohl in Syrien als auch im Irak ist damals wie heute der Islamische Staat (IS).
Zentralregierung „unfähig“ – Kurden „brauchen Waffen“
Die Zentralregierung „ist unfähig“ Herr der Lage zu werden, so der chaldäische Patriarch. Wenn er mit dem Präsidenten des autonomen Kurdistans spreche, höre er dessen Klage, „keine Waffen zu haben“.
Die Islamisten des Islamischen Staates seien gut vorbereitet. Sie verfügen über einen „starken Staat“, und über „hochentwickelte Waffen“. Der Irak sei nicht imstande, mit dem IS alleine fertig zu werden. „Ich denke, es braucht ein internationales Abkommen, um mit diesen Leuten fertig zu werden, und mehr noch mit deren Kultur.“
„USA tragen Verantwortung, da Ursprung dieser Anarchie“
Der Patriarch benannte aber auch konkrete Verantwortliche für die heutige Lage des Irak und der Christen im Irak: „Insbesondere die USA tragen eine moralische und historische Verantwortung, denn sie sind der Ursprung dieser Anarchie.“ Die USA hätte 2003 zwar eine Invasion des Landes durchgeführt und einen Regime-Wechsel durchgesetzt, doch mit dem bloßen Austausch eines Diktators sei es nicht getan.
Über die Christen an Euphrat und Tigris sagte der Patriarch: „Wir haben keine Angst vor dem Islamischen Staat (IS). Nein, wir sind stark, weil für uns der Glaube keine Ideologie, keine Spekulation ist. Glauben heißt lieben und das ist etwas ganz anderes“.
„Woher kommen die Gelder und die Kämpfer für den Islamischen Staat?“
Der Patriarch prangerte gleichzeitig an, daß die Dschihadisten über „viel Unterstützung“ verfügen. „Sie haben viel, viel Geld. Und immer neue Kämpfer. Woher kommt das Geld, woher die Kämpfer? Es gibt Sympathien, die offiziell nicht gesagt werden, aber wir wissen von welcher Seite“, so Msgr. Sako. „Die islamische Welt erlebt eine schwere Krise. Wenn die Dschihadisten die Christen aus dem Gebiet vertrieben haben, das sie kontrollieren, beginnen sie ihre Brüder zu töten.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Aciprensa