2.300 ISIS-Kämpfer aus Europa – Und wenn sie morgen zurückkommen?


Europäische Islamisten im Kriegseinsatz
Euro­päi­sche Isla­mi­sten im Kriegseinsatz

(Bag­dad) Die Isla­mi­sten des Isla­mi­schen Staa­tes im Irak und der Levan­te (ISIS) mar­schie­ren vor­wärts. Den christ­li­chen Orten bei Mos­ul haben sie die Strom- und Was­ser­zu­fuhr unter­bro­chen, wie die Nach­rich­ten­agen­tur Aina berich­tet. Den Zugang zum Was­ser zu bewohn­ten Orten wie den assy­ri­schen Sied­lun­gen Bartel­la und Qar­aqosh kon­trol­lie­ren sie und ver­lan­gen ent­spre­chen­de Zah­lun­gen. Ein Liter Was­ser kostet sechs Dol­lar. Der Preis steigt fast täg­lich. Uner­schwing­lich für vie­le Bewoh­ner. Eine neue, vor­läu­fi­ge Form der Kopf­steu­er, die Chri­sten an das isla­mi­sti­sche „Kali­fat“ zu ent­rich­ten haben. Auch eine Form, jeden Wider­stand zu brechen.

Sind Saddams Chemiewaffen noch im Irak?

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Laut Wall Street Jour­nal haben die Dschi­ha­di­sten auch Al Mut­han­na ein­ge­nom­men, wo Sad­dam Hus­sein che­mi­sche Waf­fen pro­du­zie­ren ließ und die­se lager­te. Laut ame­ri­ka­ni­schen Sicher­heits­krei­sen sei­en die Isla­mi­sten jedoch nicht in der Lage, die kom­pli­zier­ten Waf­fen zu nüt­zen. „Die Ein­zi­gen, die durch die von Isla­mi­sten betä­tig­ten Che­mi­schen Waf­fen geschä­digt wür­den, wären sie selbst“ zitiert das Wall Street Jour­nal einen ame­ri­ka­ni­schen Offi­zier. Mehr noch als die­se nai­ve Annah­me drängt sich die Fra­ge auf, wes­halb in Al Mut­han­na, knapp 45 Kilo­me­ter von Bag­dad ent­fernt, noch immer che­mi­sche Waf­fen gela­gert sind.

Tausende Islamisten aus Europa kämpfen im Nahen Osten

In den Rei­hen des ISIS kämp­fen nicht nur Ira­ker, Syrer, Sau­dis, Tsche­tsche­nen, Afgha­nen, Paki­sta­ni, Jeme­ni­ten, Soma­lis, Tune­si­er, Ägyp­ter, Alge­ri­er. Unter ihnen befin­den sich auch „euro­päi­sche“ Ein­hei­ten. Auf 2.300 schätzt Euro­pol die Zahl der Kämp­fer, die aus Euro­pa auf­ge­bro­chen sind, um im Nahen Osten für den ISIS den Dschi­had zu kämp­fen. Wie­viel es aus Deutsch­land oder Öster­reich und der Schweiz sind, weiß nie­mand genau zu sagen. Laut Euro­pol ist Groß­bri­tan­ni­en das Land, aus dem am mei­sten Dschi­ha­di­sten auf­ge­bro­chen sind.

Und wenn die ISIS-Kämpfer nach Europa zurückkehren?

Laut Laho­or Tal­aba­ni, dem Lei­ter der Anti-Ter­ror­ein­heit der auto­no­men kur­di­schen Regie­rung im Nord­irak gehe man von min­de­stens 450 bri­ti­schen Staats­bür­gern aus, die sich dem ISIS ange­schlos­sen haben. Der mit Al-Qai­da ver­bun­de­ne Kampf­ver­band kon­trol­lie­re heu­te, so Tal­aba­ni, ein zusam­men­hän­gen­des Gebiet mit einer Ost-West-Aus­deh­nung von min­de­stens 500 Kilo­me­tern. Ein Gebiet in dem die Gren­ze zwi­schen Irak und Syri­en kei­ne Rol­le mehr spielt, weil es sich über bei­de Län­der erstreckt. Nach der Erobe­rung von Fal­lu­ja im Janu­ar und nun­mehr auch Mos­ul und Tikrit, hat sich der ISIS bis auf weni­ge Kilo­me­ter an Bag­dad herangeschoben.

Für Tal­aba­ni sind die Kämp­fer aus Euro­pa nicht nur ein Pro­blem für den Irak, son­dern genau­so für Euro­pa, denn ISIS-Füh­rer Abu Bakr Al Bagh­da­di „wird sie, wenn sie den jet­zi­gen Ein­satz über­le­ben, für einen Angriff gegen Eng­land ein­set­zen. Die Lage wird sich zuse­hends ver­schlech­tern, wenn der Westen nicht etwas unter­nimmt.“ Tal­aba­ni hofft auf eine Luft­un­ter­stüt­zung durch den Westen, wie sie Iraks Mini­ster­prä­si­dent Al Mali­ki erbe­ten hat. US-Prä­si­dent Oba­ma scheint jedoch wenig begei­stert, erneut in das Land zurück­zu­keh­ren, das 2003 erobert wor­den war. Das Ende des Irak-Krie­ges hat­te Oba­ma zum Wahl­pro­gramm gemacht und damit hat­te er 2008 die Prä­si­dent­schafts­wah­len gewonnen.

Aus Steinzeit-Taliban wurden längst digitalisierte Taliban

Unter­des­sen gehört die Zeit, in der die Isla­mi­sten mit Video­kas­set­ten Bot­schaf­ten ver­schick­ten, längst der Ver­gan­gen­heit an. Sie nüt­zen heu­te gekonnt die Mög­lich­kei­ten der gren­zen­lo­sen Kom­mu­ni­ka­ti­on des Inter­net. Video­bot­schaf­ten aus afgha­ni­schen Grot­ten gibt es heu­te kei­ne mehr. Statt­des­sen unter­hal­ten die Isla­mi­sten eige­ne Inter­net­sei­ten auf neue­stem tech­ni­schen Stand. Sie ver­öf­fent­li­chen Tex­te, Bot­schaf­ten und Fotos auf Face­book. Aus den „Stein­zeit-Tali­ban“, wie es abschät­zig noch um 2000 hieß, sind „digi­ta­li­sier­te Tali­ban“ gewor­den. Ihr glo­ba­ler Laut­spre­cher ist das Internet.

Sie haben kei­ne Pro­ble­me, über Twit­ter und Face­book über ihre Aktio­nen zu berich­ten. Der Feind mag mit­le­sen. Sie aber zie­len auf die mobi­li­sie­ren­de Wir­kung in der isla­mi­schen Welt ab. Inter­net bie­tet die Mög­lich­keit, gleich­zei­tig Infor­ma­ti­on und Des­in­for­ma­ti­on zu betrei­ben. Syri­ens Staats­prä­si­dent beschul­digt alle Rebel­len, Ter­ro­ri­sten zu sein. Der Westen aber unter­stützt die Rebel­len und behaup­tet ein Teil sei demo­kra­tisch. Das bie­tet den Isla­mi­sten enor­me Spiel­räu­me, sich als Anti-Assad-Front und als „gute“ Rebel­len zu präsentieren.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi

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