Papst Franziskus und das Mittagessen: Luxus versus Einfachheit oder Legionäre Christi versus Franziskaner?


Notre Dame of Jersualem Center, eine der ältesten lateinischen Niederlassungen in der Heiligen Stadt(Jer­sua­lem) Am ver­gan­ge­nen Mon­tag befand sich Papst Fran­zis­kus in Jeru­sa­lem. Trotz des dicht­ge­dräng­ten Pro­gramms fan­den eini­ge Medi­en, dar­un­ter auch katho­li­sche, es berich­tens­wert, daß das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt statt am ver­ein­bar­ten Mit­tag­essen teil­zu­neh­men, uner­war­tet die Nie­der­las­sung der Fran­zis­ka­ner­kus­to­die auf­such­te, um dort zu essen. Der Vor­fall wur­de als „wei­te­re Geste der Ein­fach­heit“ inter­pre­tiert, die „das Pon­ti­fi­kat prägt“.
Das Mit­tag­essen für Fran­zis­kus und sein Gefol­ge war pro­gramm­ge­mäß im Not­re Dame of Jeru­sa­lem Cen­ter nahe dem Damas­kus­tor am Ran­de der Jeru­sa­le­mer Alt­stadt vor­be­rei­tet wor­den. Medi­en wuß­ten zu berich­ten, der Papst habe es abge­lehnt dort zu essen, weil das Not­re Dame Cen­ter ein Luxus­ho­tel sei. Er aber suche die Schlicht­heit, wes­halb er die Fran­zis­ka­ner auf­such­te, die, von dem uner­war­te­ten Besuch über­rascht, „schnell einen wei­te­ren Tel­ler“ aufstellten.
Luxus gegen Ein­fach­heit? Oder Legio­nä­re Chri­sti gegen Franziskaner? 

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Das Not­re Dame of Jeru­sa­lem Cen­ter liegt knapp außer­halb der Jeru­sa­le­mer Stadt­mau­er, die Kusto­die inner­halb. Den­noch ist es vom einen zum ande­ren Ort kaum mehr als ein Stein­wurf. Das Pro­gramm der Rei­se, soweit nicht ohne­hin vom Papst selbst gestal­tet, wur­de ihm detail­liert vor­ge­legt. Unbe­an­stan­det auch der Ort des Mit­tag­essens. Wel­ches Stich­wort offen­bar jemand dem Papst wäh­rend der Rei­se flü­ster­te, ist nicht bekannt. Das Not­re Dame of Jeru­sa­lem Cen­ter, eine wich­ti­ge Prä­senz der latei­ni­schen Kir­che in der Stadt, wird jeden­falls vom katho­li­schen Orden der Legio­nä­re Chri­sti betreut. Damit kommt man einer Erklä­rung der päpst­li­chen Pro­gramm­än­de­rung schon näher.

Notre Dame Center 1885 für französische Pilger gegründet

Notre Dame of Jerusalem Center 1929, damals noch Notre Dame de France genannt1885 wur­de zur Betreu­ung der grö­ßer wer­den­den Pil­ger­schar, die ins Hei­li­ge Land kam, mit dem Bau des Pil­ger­hau­ses begon­nen. Die Initia­ti­ve dazu ging von fran­zö­si­schen Pil­gern aus, wes­halb das Hos­piz zunächst vom fran­zö­si­schen Orden der Assump­tio­ni­sten betreut wur­de. Sowohl vom Osma­ni­schen Reich als auch nach 1948 von Isra­el konn­te der Orden eine Bestä­ti­gung sei­ner Rech­te erhal­ten. Die Geschich­te des Pil­ger­zen­trums spie­gelt die dra­ma­ti­sche Geschich­te Jeru­sa­lems und des Hei­li­gen Lan­des wider. Im israe­lisch-ara­bi­schen Krieg von 1948 wur­de es bei den Kämp­fen schwer beschä­digt. In einem Teil des Pil­ger­hos­pi­zes rich­te­te Isra­el einen Mili­tär­po­sten ein, wäh­rend in ande­ren Tei­len zahl­rei­che christ­lich-ara­bi­sche Fami­li­en Auf­nah­me fan­den, die zu Flücht­lin­gen gewor­den waren. Die Assump­tio­ni­sten ver­such­ten trotz der schwie­ri­gen Bedin­gun­gen aus­zu­har­ren und den nur mehr weni­gen Pil­gern ein offe­nes Haus anzu­bie­ten. Die Lage war jedoch so uner­träg­lich, die Pil­ger­strö­me zu gering und die War­tungs­ko­sten zu hoch, so daß die Assump­tio­ni­sten auf­ge­ben muß­ten und das Pil­ger­haus 1972 dem Hei­li­gen Stuhl vermachten.

Die­ser begann 1973 dank der Spen­den ame­ri­ka­ni­scher Katho­li­ken mit der Reno­vie­rung des Hos­pi­zes. 1978 ver­sam­mel­ten sich die Ober­häup­ter aller sie­ben in Jeru­sa­lem ver­tre­te­nen katho­li­schen Riten, weil das Pil­ger­zen­trum von Papst Johan­nes Paul II. in den Rang eines Päpst­li­chen Insti­tuts erho­ben wurde.

Sicherer Hort für geschundene Christen des Heiligen Landes

Salvatorkirche der Franziskaner mit Sitz der Kustodie vom Notre Dame Center aus gesehenWäh­rend der ersten Inti­fa­da wur­de das Not­re Dame Cen­ter eine wich­ti­ge Anlauf­stel­le für die ein­hei­mi­schen christ­li­chen Fami­li­en und über­haupt für das palä­sti­nen­si­sche Volk, des­sen sozia­le und öko­no­mi­sche Lage sich dra­ma­tisch ver­schlech­ter­te. Um ihnen zu hel­fen, wur­de in einem Teil des Cen­ters eine Schu­le für palä­sti­nen­si­sche Jugend­li­che eröff­net. Zahl­rei­che ara­bi­sche Fami­li­en, deren Häu­ser in und um Jeru­sa­lem vom israe­li­schen Mili­tär gesprengt wur­den, fan­den in der Fol­ge­zeit Zuflucht im Pil­ger­haus. Chri­sten Jeru­sa­lems fan­den im Hos­piz vor allem Arbeit und damit eine Lebens­grund­la­ge für ihre Fami­li­en. Als durch Inti­fa­da und Golf­krieg die Pil­ger zurück­gin­gen und das Haus nicht wirt­schaft­lich geführt wer­den konn­te, gelang es dem dama­li­gen Direk­tor, Msgr. Richard Mathes, gleich­zei­tig Kul­tur­at­ta­ché des Vati­kans in Isra­el, Spen­den aus dem Aus­land zu mobi­li­sie­ren, um wei­ter­hin die Gehäl­ter für die Mit­ar­bei­ter bezah­len und den Betrieb des Hau­ses sichern zu kön­nen. Nach 1991 beru­hig­te sich die Lage und das Haus konn­te sich selbst tra­gen. 1998 ende­te Msgr. Mathes zwan­zig­jäh­ri­ges segens­rei­ches Wir­ken in Jeru­sa­lem. Der Fort­be­stand des Hau­ses schien zu die­sem Zeit­punkt durch die ruhi­ge­ren Gewäs­ser gesichert.

2000 brach die zwei­te Inti­fa­da aus. Die Pil­ger­strö­me ris­sen abrupt ab. Die Lage wur­de so schwie­rig, daß das Haus 2001 im Win­ter schlie­ßen muß­te. 2002 nach einem hal­ben Jahr mit Beginn der „Pil­ger­sai­son“ wie­der­eröff­net, kämpf­te das Hos­piz wegen der weni­gen Jeru­sal­em­pil­ger wei­ter­hin mit dem Über­le­ben und konn­te nur durch aus­län­di­sche Spen­den gestützt wer­den. Um das Über­le­ben des Hau­ses sicher­zu­stel­len und „Sta­bi­li­tät und Kon­ti­nui­tät zu gewähr­lei­sten“, ver­trau­te Johan­nes Paul II. im Novem­ber 2004 mit einem Motu pro­prio die Lei­tung von Not­re Dame of Jeru­sa­lem Cen­ter den Legio­nä­ren Chri­sti an.

Um Fortbestand zu sichern, 2004 den Legionären Christi übertragen

Notre Dame Center JerusalemDie poli­ti­sche Lage sta­bi­li­sier­te sich, die Pil­ger kamen wie­der und die Legio­nä­re lie­ßen umfang­rei­che Reno­vie­rungs­ar­bei­ten durch­füh­ren. Das Cen­ter besteht heu­te aus einem moder­nen Gäste­haus, einer Kir­che, die den Pil­gern und der Seel­sor­ge der Jeru­sa­le­mer Chri­sten dient, einem Aus­bil­dungs­zen­trum für die palä­sti­nen­si­sche Jugend und einer Dau­er­aus­stel­lung: „Wer ist der Mann auf dem Grab­tuch?“ über die Sin­do­ne von Turin. Im Cen­ter haben zudem ver­schie­de­ne Büros und Dienst­stel­len des Latei­ni­schen Patri­ar­chats von Jeru­sa­lem ihren Sitz. Kurz vor dem Papst­be­such war es Ziel­schei­be von anti­christ­li­chen Schmier­ak­tio­nen radi­ka­ler Juden gewor­den. Viel­leicht ein Grund zur Solidarität?

Ob das Gäste­haus luxu­riö­ser ist als ver­gleich­ba­re Pil­ger­hos­pi­ze des Hei­li­gen Lan­des, etwa jenem der Fran­zis­ka­ner in Bet­le­hem, mögen die Pil­ger selbst ent­schei­den. Sicher ist, daß es wegen der jüng­sten von den Legio­nä­ren Chri­sti ver­an­laß­ten Reno­vie­rungs­ar­bei­ten natür­lich neu­er und gepfleg­ter ist.

Die Anwe­sen­heit der Fran­zis­ka­ner ist schon bald 800 Jah­re alt. Wei­te­re latei­ni­sche Ein­rich­tun­gen im Hei­li­gen Land ent­stan­den erst in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts. Das Pil­ger­zen­trum Not­re Dame ist eine der älte­sten davon.

Päpstliches Gespür, was ankommt und was nicht

In Rom heißt es, nicht so sehr der angeb­li­che „Luxus“ sei es gewe­sen, der Papst Fran­zis­kus vom Not­re Dame of Jeru­sa­lem Cen­ter fern­hielt, son­dern der Wunsch, nicht in eine Nähe zu Mar­cial Maciel-Degollado, den wenig ehren­haf­ten Grün­der der Legio­nä­re Chri­sti gerückt zu wer­den. Der Orden hat inzwi­schen die Abna­be­lung vom 2008 ver­stor­be­nen Grün­der und einen Neu­be­ginn bra­vou­rös bewäl­tigt, doch Papst Fran­zis­kus hat ein aus­ge­präg­tes Gespür für das, was (nicht nur bei den Medi­en) ankommt und was nicht. Eine indi­rek­te Nähe zu Maciel-Degollado, der bei der Zere­mo­nie Ende 2004 in Rom anwe­send war, als Papst Johan­nes Paul II. den Legio­nä­ren das Jeru­sa­le­mer Pil­ger­hos­piz über­gab, wäre alle­mal nicht nütz­lich. Eine gewis­se Distanz zu den Legio­nä­ren Chri­sti wäre hin­ge­gen nach der­sel­ben Logik ehr­lich von Vor­teil. So erhiel­ten die Fran­zis­ka­ner der Kusto­die gegen 13 Uhr des 26. Mai uner­war­te­ten päpst­li­chen Besuch, wor­über sie sich jeden­falls sehr freuten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Infovaticana/​Wikimedia

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9 Kommentare

  1. Ein wirk­lich schö­nes Haus das „NDo­JC“. Ich war dort schon (wenn auch nicht als Übernachtungsgast).
    Auch sicher­heits­tech­nisch macht die­ses Haus doch mehr her als der Fran­zis­ka­ner­kon­vent. Dass da die päpst­li­che Secu­ri­ty nicht Ein­spruch ein­ge­legt hat. Aber gut, an Über­ra­schun­gen soll­ten wir uns bei die­sem Papst ja mitt­ler­wei­le gewöhnt haben.

  2. es ist unan­stän­dig einen geplan­ten und zuvor appro­bier­ten Besuch im besag­ten Not­re Dame of Jeru­sa­lem Knall auf Fall fal­len zu las­sen (ohne recht­zei­tig dort zu infor­mie­ren?). Bloss auf Ver­dacht hin es könn­te ein Schand­fleck ver­gan­ge­ner Zeit ihn kon­ta­mi­nie­ren-ist sicher abso­lut publi­kums­wirk­sam aber den Orga­ni­sa­to­ren und Gast­ge­bern gegen­über eine schal­len­de Ohr­fei­ge und des­halb ver­werf­lich und mora­lisch sehr fragwürdig.Für mich rüp­pel­haft, eines Geist­li­chen in sol­cher Posi­ti­on unwürdig.Schade!

    • Da bin ich ganz Ihrer wer­ten Mei­nung! Es ist aber der Stil die­ses argen­ti­ni­schen Pap­stes, zu brüskieren.

      • dabei sind die Legio­nä­re, doch genau wegen ihres Grün­ders, an den Rän­dern und schlecht ange­se­hen und sie gehö­ren doch genau sozu­sa­gen zu denen man nichts zu tun haben will.
        Somit ist Papst Fran­zis­kus der es ja immer mit den Rän­dern, den Ver­ach­te­ten, denen mit denen man als anstän­di­ger Mensch nix zu tun haben will, hat, ein­fach auch einer der kneift, wenn es eng wird!
        halt auch nur einer, der es mit denen an den Rän­dern hat, die doch im Grun­de main­stream sind, oder halt doch nur einer der Was­ser pre­digt und pri­vat Cham­pa­gner trinkt.

    • Sor­ry aber seit wann hat die­ser Mann ein Gespür für das was sich gehört und was nicht.

      • Genau rich­tig erkannt.
        Die­ser Mann hat kei­nen STIL und kennt kei­ne ETIKETTE!!
        Die­ser Mann ist eine ein­zi­ge PROVOKATION alles bis­her dagewesenen.
        Aber er will ja auch nicht Staats­ober­haupt sein,
        er will eigent­lich auch nicht Papst sein, (NB: zu min­dest nicht wie man sich bis­her einen vor­ge­stellt hat,) …
        Was will er eigent­lich sein .…
        War­um hat er über­haupt die­ses Amt angenommen … ?????
        WARUM ???
        Hat er sich das im Kon­kla­ve nicht über­legt ??? Dass man hät­te NEIN sagen können .… ???

  3. Pac­ta sunt servanda.
    Was aus­ge­macht ist, soll ein­ge­hal­ten wer­den. Alles ande­re ist brüs­kie­rend. Und sicher nicht „demü­tig“.

  4. Anstand, Eti­ket­te und Wür­de- ergän­zen könn­te man: gute Erzie­hung- das sind für Berg­o­glio wahr­schein­lich ewig gest­ri­ge Wert­vor­stel­lun­gen, auf die man auch ver­zich­ten kann. Die­ser Argen­ti­ni­er taugt kei­nes­falls als Vor­bild für die Erzie­hung unse­rer Kin­der. Denn wenn mein Wort nichts mehr gilt, dann ist auch der Rest sinn­los und wertlos.
    Auch hier setzt der Herr in Rom neue Maß­stä­be- ob sie nun aller­dings bes­ser sind als die vor­ma­li­gen- das wage ich stark zu bezweifeln.

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