(Rom) Für keinen anderen Orden hatte der Pontifikatswechsel im Spätwinter 2013 so dramatische Folgen wie für die Franziskaner der Immakulata. Im Juli wurde der Orden von der Ordenskongregation mit päpstlicher Zustimmung unter kommissarische Verwaltung gestellt. Obwohl der Orden eigentlich genau dem entspricht, was Papst Franziskus wünscht, nämlich evangelische Armut, missionarischer Eifer und Neuevangelisierung, sind die Franziskaner der Immakulata der einzige Orden, gegen den der neue Papst mit drastischen Maßnahmen vorgehen läßt.
So drastisch, daß sich selbst ein progressiver Vatikanist wie Marco Tosatti nun fragte, was diese armen Ordensbrüder nur angestellt, ja verbrochen haben sollen, um eine so harte Bestrafung zu verdienen? Eine Antwort darauf fand er keine, weil er keine „Verbrechen“ finden konnte, die ihnen zur Last gelegt werden. Er veröffentlichte deshalb einen Brief, der die Radikalität schildert, mit der der Orden umgebaut wird. Die Frage bleibt: Warum zerstört man einen blühenden Orden?
Jung, arm, missionarisch und evangelisierend, doch mit einem „Makel“…
Die Antwort ist nämlich auf einer ganz anderen Ebene zu suchen und trifft die Bestraften ganz unschuldig. Es geht einmal um die Ebene der Intrige. Um einen ebenso kalten, wie brutalen Putsch einer Minderheit im Orden. Möglich wurde dieser allerdings nur, weil diese Minderheit Gehör in der Ordenskongregation fand und diese wiederum Gehör beim Papst. Der Orden hatte einen großen „Makel“. Den „Makel“ unter der Führung und Anleitung von Papst Benedikt XVI. den überlieferten Ritus wiederentdeckt und ordensintern übernommen zu haben. In der Seelsorge wurde der Orden birtuell, ordensintern altrituell. Alles in perfekter Übereinstimmung mit den geltenden Bestimmungen und dem Kirchenrecht.
Der Orden gehört zu den wenigen Orden, die zahlreiche Berufungen haben und sowohl im männlichen als auch im weiblichen Zweig als blühende Ordensfamilie bezeichnet werden können. Die Widerentdeckung des liturgischen Reichtums der Kirche macht die Franziskaner der Immakulata noch mehr zu einer einzigartigen Erscheinung in der Katholischen Kirche. Franziskanisch, missionarisch, blühend und altrituell. Einzigartig war an den Franziskanern der Immakulata, daß ein neuritueller Orden zum Alten Ritus wechselte. Eine Kombination, die dem Orden nicht nur Freunde im Vatikan einbrachte. Mit der Wiederentdeckung der alten Liturgie begann der Orden sich auch intensiv mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und seiner Prüfung und Auslegung im Licht der immer gültigen Tradition zu befassen.
Der Orden folgte Benedikt XVI. und entdeckte den Alten Ritus
Ein „Makel“, der umso schwerer wog, als der Orden zahlreiche Berufungen hatte. Ein „Makel“, den bestimmte, wenig freundlich gesonnene und wohl auch neidische Kirchenkreise unter Papst Benedikt XVI. nicht zu kritisieren wagten. Umso ungehemmter und mit unerhörter Eile schlugen sie nach dessen Abtritt zu. Und Papst Franziskus erlaubte es ihnen. Für keinen Orden wirkte sich der Pontifikatswechsel dramatischer aus, als für die Franziskaner der Immakulata.
Hören wir also was Marco Tosatti am Mittwoch in der Tageszeitung La Stampa schrieb:
„Wir erhielten den Brief eines Laien, der den Franziskanern der Immakulata nahesteht, eines kleinen Ordens, der unter ‚kommissarische Verwaltung‘ gestellt wurde (eine höchst diskutable Angelegenheit), und der eine besondere Härte beklagt, die von den neuen Verwaltern ausgeht. Aufgrund langer Erfahrung wissen wir, daß die Grausamkeit im Umgang mit Mitbrüdern in kirchlichen Kreisen jener anderer Kreise um nichts nachsteht. Aber gerade Papst Franziskus, der die kommissarische Verwaltung unterschrieben hat, forderte in seinem Interview mit dem Chefredakteur der Civiltà Cattolica zu einer Haltung der ‚Barmherzigkeit‘ und der ‚Sanftheit‘ auf. Er war es, der von der Kirche als einem ‚Feldlazarett nach einer Schlacht‘ sprach und sagte: ‚Ich sehe ganz klar, dass das, was die Kirche heute braucht, die Fähigkeit ist, Wunden zu heilen‘, denn: ‚Dessen ungeachtet sind die Menschen des Autoritarismus überdrüssig‘.
Jeder Leser soll selbst entscheiden, ob in der Sache der Franziskaner der Immakulata Autoritarismus und Schwester Anmaßung eine Rolle spielen. Man fragt sich: Was nur werden diese armen Ordensmänner angestellt haben? Geld verspekuliert, Minderjährige sexuell mißbraucht oder einen unmoralischen Lebenswandel gepflegt haben? Nichts von alledem! Hier also der Brief.“
Brief eines Laien, der den Franziskanern der Immakulata nahesteht
Wie die Dinge weitergingen, nachdem der Orden der Franziskaner der Immakulata unter kommissarische Verwaltung gestellt wurde, ist kaum bekannt. Darum ist eine kurze Zusammenfassung notwendig.
Nachdem gegen Pater Stefano Maria Manelli, den hochverdienten und frommen Gründer der Franziskaner der Immakulata (FI) Anklage erhoben wurde, er habe die Brüder von ihrem Gründungscharisma weggeführt, ohne bis heute zu erklären, wovon der Vater konkret weggeführt haben soll; nachdem allen Priestern die Zelebration des Alten Ritus verboten wurde, ein Verbot, das bis zum heutigen Tag gilt, und dem der Orden in absolutem und treuem Gehorsam gefolgt ist; nachdem die Brüder, die dem Charisma der Gründerväter treu sind, abgesetzt und im Eilverfahren versetzt und entfernt wurden und alle jene Brüder befördert wurden, die in den verschiedenen Klöstern rund um den Erdball die „neue“ Linie unterstützen; nachdem ohne ersichtlichen Grund der Generalprokurator Pater Apollonio, Direktor des Theologischen Seminars und Guardian des Klosters Roma-Boccea abgesetzt und nach Portugal versetzt wurde; nachdem Pater Lanzetta von der Lehrtätigkeit am ordenseigenen Priesterseminar entfernt, als Ordensoberer von Florenz abgesetzt und nach Österreich versetzt wurde; nachdem Pater Settimio Manelli und Pater Siano, als Rektor und Vize-Rektor des ordenseigenen Seminars abgesetzt und nach Afrika versetzt wurden; nachdem die beiden durch zwei Brüder der „neuen“ Linie ersetzt wurden, von denen einer noch nicht einmal einen Studienabschluß besitzt; nachdem Pater Budani, der gerade mitten im Abschluß seines Studiums des Kirchenrecht war, von heute auf morgen und ohne Möglichkeit die Studien zu beenden nach Afrika verschickt wurde; nachdem Ordensgründer Pater Stefano Manelli als Generaloberer abgesetzt und exiliert wurde und obwohl er in absolutem Gehorsam allen Anweisungen Folge leistet, sogar seinen engsten Verwandten untersagt wird, ihn zu besuchen, und es ihm verboten ist, Telefongespräche zu führen oder zu empfangen und ihm jeder Kontakt mit der Außenwelt verwehrt wird… nach alldem, setzt nun der Apostolische Kommissar, der Kapuzinerpater Fidenzio Volpi, mit Unterstützung von Pater Alfonso Bruno, dem neuen mächtigen Mann im Orden, seinen uneingeschränkten Krieg auch gegen die Laien fort, die dem Orden verbunden sind.
Mit Schreiben vom 27. November untersagte er jegliche Aktivität der Laienangehörigen der Mission Immakulata Mediatrix (MIM) und des Dritten Ordens der Franziskaner der Immakulata (TOFI). Er untersagte ebenso den Tertiaren, ihr Gewand zu tragen.
Löst man mit solcher unglaublicher Härte und solchen Stalinschen Säuberungen behauptete, angebliche interne Schwierigkeiten einer blühenden Ordensgemeinschaft? Oder zerstört man damit nicht vielmehr ihr Charisma, das nicht nur imstande war, immer zahlreichere Berufungen zu wecken und anzuziehen und den Orden auf alle Kontinente auszubreiten, sondern bis gestern von den höchsten kirchlichen Autoritäten gelobt und gefördert wurde. Man denke nur, daß die heute geächteten Pater Manelli und Pater Lanzetta, bis vor wenigen Monaten bei Kardinälen und Bischöfen gern gesehen waren und ihnen die Spalten des Osservatore Romano für Veröffentlichungen offenstanden.
Text: La Stampa/Giuseppe Nardi
Bild: Franziskaner der Immakulata