(Rom) Papst Franziskus wird am 25. und 26. Mai das Heilige Land besuchen, dies berichtet CNN und beruft sich dabei auf israelische Quellen. Er tut es nicht mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus, wie von Konstantinopel erhofft, sondern mit seinem jüdischen Freund, Rabbi Abraham Skorka. Skorka gab jüngst ein Interview über seine Tage als „persönlicher Gast“ des Papstes im Gästehaus Santa Marta und legt Papst Franziskus regelrechten „Nonsense“ in den Mund. Oder doch nicht?
Die Reise des Papstes ins Heilige Land wurde vor kurzem vom Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, Msgr. Fouad Twal, für das Jahr 2014 bestätigt, ohne bisher ein genaues Datum bekanntzugeben.
Ins Heilige Land nicht mit Patriarch Bartholomäus, sondern mit Rabbi Skorka
Papst Franziskus denkt bereits seit längerem über eine Reise ins Heilige Land nach. Ursprünglich hieß es gleich nach seiner Wahl, daß er gemeinsam mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel die Stätten Jesu besuchen würde. Eine Geste in Erinnerung an die gemeinsame Begegnung in Jerusalem von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras im Jahr 1964. Eine Ereignis, das 2014 genau fünfzig Jahre später eine Wiederholung finden könnte, so der Wunsch Konstantinopels. Ein Zeichen, mit dem die besondere Nähe zwischen lateinischer und byzantinischer Kirche sichtbar gemacht werden könnte.
Doch diese Idee trat bald in den Hintergrund. Stattdessen schaute sich Papst Franziskus persönlich nach einer Reisebegleitung um. Er kontaktierte seinen Freund, den argentinischen Rabbiner Abraham Skorka, mit dem er als Erzbischof von Buenos Aires ein Gesprächsbuch veröffentlicht hatte und lud ihn ein, ihn bei seiner Fahrt ins Heilige Land zu begleiten.
Skorka: „Papst hat mit mir im Vatikan den Beginn des Shabbat gefeiert“
Skorka sagte in einem Interview für die jüdische Monatsschrift Pagine ebraiche, das vom Osservatore Romano in der Ausgabe vom 25./26. November vollständig übernommen wurde, daß er Ende September/Anfang Oktober, als er zu einem Meeting der Gemeinschaft Sant’Egidio in Rom war, „persönlicher Gast von Bergoglio in Santa Marta“ war:
„Wir waren uns einige Tage nahe, haben die drei täglichen Mahlzeiten geteilt und andere Momente sowohl öffentliche als private. Wir haben über alles gesprochen: über den Dialog, aber auch über die Reise, die wir gemeinsam nach Israel machen werden […] Wir haben gemeinsam den Beginn des Schabbat gefeiert, er war an meiner Seite, als ich den Kiddusch rezitiert und die Challot gebrochen habe, die uns der israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Zion Evrony, gebracht hat. Es waren unvergeßliche Tage und ich denke, daß sie einen Wert haben, der über die Zuneigung und das Vertrauen hinausgeht, das uns schon immer verbunden hat.“
Im Interview spricht Skorka von Papst Franziskus immer nur als Bergoglio. Ebenso spricht er nicht von einer Reise ins Heilige Land, sondern von einer Reise nach Israel, was an Umfang und möglichen Reisezielen ein anderes Territorium meint und eine delikate Frage darstellt. Im September hat der Präsident der Palästinenischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas den Papst nach Palästina eingeladen. Am kommenden Montag wird Papst Franziskus Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Audienz empfangen.
Das Skorka-Interview ist auch wegen der ungewöhnlich harten Kritik interessant, die der Rabbiner gegen das „Weltrabbinat in allen seinen Teilen“ äußert, das seiner Meinung nach „eine tiefe und zersetzende Krise durchmacht“, sowohl „in Israel“ als „auch in allen Gemeinschaften der Diaspora“.
Skorka sieht „ideales Judentum“ nach Rabbi Heschel, der Nostra Aetate betrieben hat
„Die Kirche ist in der Krise, wir sind in der Krise“, so Skorka, der das „Modell des idealen Judentums“ in jenem „von Rabbiner Abraham Joshua Heschel“ sieht. Heschel, 1907 in Warschau geboren und 1972 in New York verstorben, war gemeinsam mit dem deutschen Kurienkardinal Augustin Bea maßgeblich die „Judenerklärung“ des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Erklärung Nostra Aetate über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen betrieben hat. 1971 wurde er von Papst Paul VI. in Audienz empfangen.
Bedeutendstes Signal dieses Pontifikats? „Die Ablehnung des Proselytismus“
Allerdings als Skorka eine Parallele zwischen seinen Vorschlägen für eine Reform des Judentums und jenen von Papst Franziskus für die Katholische Kirche zieht, antwortet der Rabbi auf die Frage nach dem „bedeutendsten Signal“ des neuen Papstes:
„Ich sehe in den Stellungnahmen Bergoglios gegen den Proselytismus einen großen Wert. Es ist ein Punkt, auf dem er mit ganz besonderem Nachdruck beharrt und das bekommt noch mehr Gewicht, wenn wir an den evangelisierenden Rahmen denken, innerhalb dessen diese Aussagen ausgesprochen wurden.“
Papst Franziskus will „nur mehr Katholiken an Glauben heranführen“?
Skorka weist im Interview daraufhin, daß man erinnern müsse, wie Evangelisierung bis vor kurzem untrennbar mit Proselytismus verbunden gewesen sei:
„Jetzt aber spricht der Papst davon, nur die Katholiken an den Glauben heranzuführen“.
Der Rabbi unterstreicht im Interview mehrfach, daß Papst Franziskus „Proselytismus“ ablehne. Allerdings, wie der Vatikanist Sandro Magister aufmerksam macht, stimmt am Ende etwas nicht ganz, wenn Skorka mit der Feststellung schließt: „Jetzt aber spricht der Papst davon, nur die Katholiken an den Glauben heranzuführen.“
Osservatore Romano druckt den „Nonsens“, ohne mit der Wimper zu zucken?
„Nur die Katholiken?“ fragt Sandro Magister. „Der Osservatore Romano hat das Interview nachgedruckt ohne mit der Wimper zu zucken. Wie könnte aber Papst Franziskus je einen solche Nonsense gesagt haben?“, fragt der Vatikanist.
Insgesamt fällt auf, daß seit Amtsantritt dieses Papstes, jüdische Vertreter häufig im Vatikan ein- und ausgehen. Mit dem Skorka-Interview, der sagt, eine Aussage von Papst Franziskus wiederzugeben, handelt es sich in den vergangenen drei Monaten bereits um die dritte umstrittene Aussage, die nach einer Begegnung mit dem Papst von jüdischen Vertretern öffentlich gemacht wurde (siehe den Bericht Was hat Papst Franziskus wirklich zum Vorsitzenden des Jüdischen Weltkongresses gesagt? – Heftige Polemik in Polen und den Bericht Verurteilte Papst Franziskus den katholischen Protest gegen synkretistische „Gedenkliturgie“ in Buenos Aires? Ein Rätsel.
Text: Settimo Cielo/Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo