(Washington/Kairo) Zuerst unterstützte US-Präsident Barack Obama den islamistischen “Arabischen Frühling“ und ließ Ägyptens Staatspräsident und treuen US-Verbündeten Hosni Mubarak fallen. Dann unterstützte er den neuen islamistischen Staatspräsidenten Mohammed Mursi und nun erklärte US-Außenminister John Kerry, die „Revolution“ sei von den Islamisten geraubt worden. Dahinter steht Saudi-Arabien, dem die USA Ägypten überlassen haben. Für Ägyptens Christen führt der Weg immer vom Regen in die Traufe.
„Die ägyptische Revolution wurde von der einzigen organisierten Gruppe im Staat, der Muslimbruderschaft gestohlen“. Seit Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ war aus Washington noch keine so eindeutige Erklärung zu hören. Sie stammen vom US-Außenminister John Kerry.
Ja zum „Arabischen Frühling“
Barack Obama ließ seine Ablehnung der Muslimbruderschaft nie so deutlich verkünden. Noch vor zwei Monate schickte er eine überschwengliche Grußbotschaft an den US-amerikanischen Ableger der Muslimbruderschaft. Was ist geschehen?
30 Jahre lang unterstützen die USA Ägyptens starken Mann Hosni Mubarak. Als der „Arabische Frühling“ ausbrach, verkündeten Washington und dessen engste Verbündete, daß es sich um eine „demokratische“ Veränderung handle, obwohl Fachleute sofort davor warnten, daß hinter dem „Frühling“ die Islamisten stehen. Obama ließ den Rais fallen, förderte den „Arabischen Frühling“ und begrüßte begeistert die Wahl des Islamisten Mohammed Mursi zum neuen Staatspräsidenten.
Im Juni 2012 erklärte Obama, daß die USA die Veränderung hin zu einer Demokratie in Ägypten unterstützen werden, denn die USA stünden an der Seite des ägyptischen Volkes.
Unterstützung für die Muslimbruderschaft
Als sich die Regierung der Muslimbrüder als Reinfall erwies, wuchs die Kritik an Obamas Politik. Dem US-Präsidenten wurde vorgeworfen, keine klare Politik zu Ägypten und Nordafrika zu haben. Die amerikanische Regierung finanzierte jedoch weiterhin die neue islamistische Regierung, ohne eine wirkliche Demokratisierung einzufordern.
Die Verwirrung in der amerikanischen Politik verdeutlichte sich, als das Militär die Islamisten absetzte und wieder selbst die Macht übernahm. Nach der Absetzung von Mursi erklärten die USA ihre „große Besorgnis“ über das Vorgehen der Militärs, sprachen aber nicht von einem Staatsstreich.
Das Zeichen aus Riad
Gestern entledigten sich die USA nach zweijährigem Hoffieren und etlichen Milliarden Dollar endgültig der Muslimbruderschaft. Die Aufgabe fiel Außenminister John Kerry zu. „Die Menschen, die auf den Tahrir-Platz gingen, haben es nicht aus religiösen oder ideologischen Dingen getan. Sie wollten eine Chance auf mehr Bildung, Arbeit und eine bessere Zukunft und nicht eine korrupte Regierung, die ihnen das alles und noch mehr raubte. Aber die Revolution wurde von den Muslimbrüder geraubt.“
Nachdem Obama bereits den ehemaligen Verbündeten Mubarak fallenließ, ließ er nun auch seinen Ex-Freund Mursi fallen. Dahinter steht Saudi-Arabien. Das Land des strengen Islamismus gehörte zu den Förderern der Muslimbruderschaft. Als diese jedoch, einmal an der Macht, der saudischen Kontrolle zu entgleiten drohte und ihre Ideen sogar in Saudi-Arabien zu verbreiten suchte, zog Riad die Handbremse. Entsprechende Wünsche wurden in Washington deponiert und nun dort auch übernommen. Die USA überlassen Ägypten an Saudi-Arabien. Riad hat den neuen Militärmachthabern bereits bedingungslose finanzielle Unterstützung zugesagt. Was „bedingungslos“ für Saudi-Arabien bedeutet, das haben die Muslimbrüder zu spüren bekommen.
Die neuen Machthaber am Nil
Seit Anfang September künden in Luxor riesige Werbeplakate vom neuen Wind. Sie zeigen König Abdullah von Saudi-Arabien. In der arabischen Welt zeigt sich dem Volk so der eigentliche Machthaber. Von denselben Plakatwänden zeigte sich bis Anfang 2011 Hosni Mubarak, dann Mohammed Mursi. Nach der Absetzung des Muslimbruders Mursi wurde der Hauptplatz von Luxor umbenannt. Er heißt nun König Abdullah-Platz, nachdem Riad sofort der neuen Militärregierung Petrodollars zur Unterstützung gegen die Muslimbrüder überwies. Als Belohnung für die Absetzung Mursis flossen im August fünf Milliarden aus Saudi-Arabien in die ägyptischen Staatskassen. Es folgten weitere großzügige Zahlungen durch die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait. Insgesamt zwölf Milliarden Dollar. Schon am 19. Auguste versicherte der saudische Außenminister Al-Faisal die neuen ägyptischen Militärmachthaber, jede Streichung von Finanzzuwendungen des Westens auszugleichen. Inzwischen wurden die Zahlungen weiter aufgestockt. In Wien ist ein mit saudischem Geld finanziertes Zentrum für den interreligiösen und interkulturellen Dialog nach König Abdullah benannt.
Die Christen Ägyptens wissen nicht, was sie von der Entwicklung halten sollen. Auf Unterstützung aus dem „christlichen“ Westen hoffen sie nicht mehr. Das Militär war für die Kopten das kleiner Übel in einem allgemein sehr ungünstigen Kontext. Eine Stärkung des saudischen Einflusses in Ägypten und damit des wahabitischen Islams, ist das Letzte, was die Christen wünschen. Der Wahabismus steht für das Ende des Christentums. Eine Koexistenz ist nicht möglich.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Sussidiario