(Wien) Mit einiger Verwirrung blicken Katholiken und Nicht-Katholiken auf Papst Franziskus. Völlig unterschiedliche Reaktionen machen deutlich, daß die vom Papst ausgesandten Signale und Botschaften keine Klarheit zu schaffen scheinen und daher kaum Orientierung bieten. Die Stellungnahmen von zwei Katholiken, beide vom 11. Oktober, sollen zum Vergleich nebeneinandergestellt werden. Sie stehen symptomatisch für konträre Wahrnehmungen. Allerdings geht es nicht um Wahrnehmung, sondern um Wahrheit, schließlich steht das Seelenheil auf dem Spiel. Daß sich dabei eine „einfache“ Katholikin und ein hauptamtlicher Kirchenfunktionär gegenüberstehen, ist nicht minder symptomatisch.
Zunächst Auszüge aus der Zuschrift einer „einfachen“ Katholikin, die nicht so sehr auf die Gesten, sondern hellhörig auf die Worte von Papst Franziskus achtet und irritiert ist.
Bei Papst Franziskus kann niemand sicher sein, was als nächster Schritt folgt. Eine Charismatikerin meinte: „Das ist doch schön, das ist der Geist“. Mir fehlt diese Naivität. Für mich bedeutet es, daß keine Klarheit herrscht. Und das finde ich nicht gut. Manche sagen, daß Unklarheit sogar das Markenzeichen dieses Pontifikats ist.(…) Die Widersprüche in den Aussagen des Papstes häufen sich wirklich. Einerseits ist da die zentrale Aufforderung, die Franziskus immer wieder wiederholt: „hinauszugehen“. Andererseits erklärt der Papst den Proselytismus zur „Riesendummheit“ und sagt zum Freimaurer Eugenio Scalfari: „Ich will Sie nicht bekehren“.
Wozu aber sollen wir Katholiken dann „hinausgehen“? Immerhin kritisiert der Papst uns Gläubige dafür, daß wir es nicht oder zu wenig tun würden.
Sollen wir also nur hinausgehen, um als humanitärer Verein zu wirken, etwa als Flüchtlingshelfer und in Armenküchen? Nein, sagt derselbe Papst, die Kirche ist keine NGO. Ja, also was aber dann eigentlich unterm Strich? Das ist alles sehr verwirrend. Der Papst ist Petrus und Petrus soll die Schafe des Herrn weiden und nicht verwirren.
Und hier Auszüge aus dem Gastkommentar des seit 2011 hauptamtlichen Kirchenfunktionärs der Diözese Linz, Bert Brandstetter, Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich in der Tageszeitung Oberösterreichische Nachrichten. Der ehemalige Journalist begann seine Laufbahn bei der Linzer Kirchenzeitung und beendete sie beim ORF:
Lieber Papst Franziskus! Mehr als ein halbes Jahr amtierst Du jetzt da unten in Rom, und ich muss gestehen: Das hätte ich Dir nicht zugetraut. Von Deinem herzerwärmenden Start mit dem für einen Papst ungewöhnlichen „Guten Abend“ bis hin zur Verweigerung so vieler päpstlicher Utensilien, wie der roten Schuhe, der päpstlichen Gemächer oder der protzigen Limousine: Das hat Dir ganz viele Sympathien gebracht. (…) In das gleiche Bild passt Dein Entschluss, keine priesterlichen Titel mehr zu vergeben. Pech für alle, die noch gerne Monsignore werden wollten und damit ihr geistliches Outfit mit roten und violetten Fransen schmücken dürften. Einen sympathischen Eindruck haben derlei Gewandungen beim Kirchenvolk nur selten bewirkt. Vom Standpunkt des einfachen Gläubigen liegst Du mit dieser Entscheidung einmal mehr goldrichtig. (…) Dass die katholische Kirche aber vor allem auch in inhaltlichen Fragen einen enormen Reformstau mit sich schleppt, das bestätigst Du in deinen morgendlichen Predigten und in den Interviews. Ich kenne viele Menschen, die Dir unendlich dankbar sind, dass jetzt endlich wieder über den Zölibat gesprochen werden darf, dass wiederverheiratet Geschiedene möglicherweise nicht länger geächtet werden und dass Frauen vielleicht doch hoffen können, dereinst im kirchlichen Dienst gleichberechtigt neben den Männern stehen zu können.
Fast könnte man meinen, Du wärest Mitglied unserer Pfarrer-Initiative mit ihrem Aufruf zum Ungehorsam, wenn man Deine Aktivitäten und Ansichten so überdenkt. Hätte mir vor einem Jahr jemand prophezeit, ich würde in meinem Leben jemals noch begeistert sein von einem Papst in Rom, ich hätte jede Wette verloren.
Lieber Papst Franziskus, mir scheint, Du führst ein gefährliches Leben. Mit Sicherheit hast Du Dir schon viele Gegner zugezogen. Und wie die Geschichte zeigt, scheuen selbst manche geistliche Herrschaften vor nichts zurück, wenn es darum geht, ihre Pfründe abzusichern. Nimm Dich in Acht, weil wir Dich brauchen!
Wen die katholische Kirche als hauptamtlichen Kirchenfunktionär mit Sicherheit nicht braucht, ist jemanden mit Positionen wie Bert Brandstetter einschließlich des Zulehnerschen Psychoritts eines unterstellten Mordanschlags auf den Papst. Der vorlaute KA-Präsident würde derzeit wohl kaum einen simplen Glaubenstest bestehen, was auch bedeutet, daß er im Sold der Kirche gegen die Kirche arbeitet. Ein unehrliches Verhalten, für das man hochkantig aus jeder Partei, jedem Verein und jedem Unternehmen fliegen würde. Nur in der Kirche scheint sich Unehrlichkeit bezahlt zu machen. Das ist nicht Nächstenliebe und Barmherzigkeit, sondern mieses Ausnützertum und auch verantwortungsloses Wegsehen durch den zuständigen Bischof.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Diözese Pistoia