(Freiburg/Rom) Die Freiburger Abweichung in Sachen Wiederzulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten hat weltweite Aufmerksamkeit ausgelöst. Das Schweigen von Erzbischof Zollitsch bedeutet Zustimmung. Das ist keine Unterstellung, sondern eine Tatsachenfeststellung. Das Schweigen Roms aber bedeutet was? Der Freiburger Angriff gegen ein Sakrament ist schließlich kein Kavaliersdelikt. Unterdessen verdichten sich immer mehr die Hinweise, daß das Vorpreschen von Freiburg sorgfältig und in informeller Absprache mit anderen deutschen Diözesen einschließlich Bischöfen erfolgte. Mit der Bedeutung und den Auswirkungen des Freiburger „Streichs“ befaßt sich auch die „Corrispondenza Romana“ des Historikers Roberto de Mattei und sieht Anlaß zur Besorgnis.
Radikalität der Extremisten läßt Gemäßigte ihnen zustreben
Im ersten Teile seines Buches Revolution und Gegenrevolution zeigt Plinio Correa de Olveira, nach einer Analyse der revolutionären Strategien auf, wie „die schnellsten Bewegungen“ keineswegs umsonst handeln: „Die Explosion dieser Extremismen führt zur Aufrichtung einer Fahne, sie schafft einen fixen Anziehungspunkt, der die Gemäßigten durch die Radikalität fasziniert, und auf den sie beginnen, sich langsam zuzubewegen“. So „scheint es nur, daß die Extremisten scheitern“.
Es besteht die Gefahr, daß das so Beschriebene auch für das gilt, was in den vergangenen Tagen in der Erzdiözese Freiburg mit der Verbreitung einer neuen Handreichung des diözesanen Referats für die Familienseelsorge zur Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten, sowie ihre Einbindung in die kirchlichen Gremien geschehen ist. Die Nachricht war als erstes vom Spiegel verbreitet und in Folge von den Medien der ganzen Welt übernommen worden, die von einem „Bruch“ oder einer „Revolution“ sprachen.
In der „Handreichung“ werden Wege der „geistlichen Begleitung“ für Geschiedene und Wiederverheiratete aufgezeigt, einschließlich der Möglichkeit zur Wiederzulassung zum Kommunionempfang und sogar der Möglichkeit, einen „kleinen Ritus in der Kirche“ zu feiern, der auf irgendeine Weise die zweite Ehe legitimiert und „segnet“. Eine „offene Tür für die, die eine gescheiterte Ehe hinter sich und ein Leben in einer neuen Beziehung begonnen haben“ und die „Teil der Gemeinschaft der Gläubigen“ bleiben wollen, wie Domdekan Andreas Möhrle es der Presse erklärte.
Freiburg hat die Fahne aufgezogen
Dekan Möhrle und die Diözesanverantwortlichen haben dabei vergessen, daß der Katechismus der Katholischen Kirche etwas ganz anderes sagt, indem er die Ehescheidung als„einen schweren Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz“ definiert, daß die Ehescheidung „den Bund des Heiles mißachtet“ und präzisiert, daß „der Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat“, sich „in einem dauernden und öffentlichen Zustand des Ehebruchs befindet“ (Nr. 2384).
Pater Federico Lombardi, der Sprecher des vatikanischen Presseamtes, sprach von einer „Flucht nach vorne“, die „nicht Ausdruck der diözesanen Autorität“ sei. Dennoch erfolgte bisher keine Distanzierung von der „Handreichung“ von denen, die dazu verpflichtet wären, angefangen von der „diözesanen Autorität“, sprich dem Apostolischen Administrator und ehemaligen Erzbischof von Freiburg, Erzbischof Robert Zollitsch. Zollitsch ist nach wie vor Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, die sich zwar nicht geäußert, aber erst bei der jüngsten Vollversammlung genau mit diesem Thema befaßt hatte.
Bedeutet das Schweigen des Vatikans und des Petrus Zustimmung?
Zudem kam bisher weder eine ernsthafte Distanzierung vom Vatikan noch von Petrus. In dieser Angelegenheit hat man bisher die Stimme des Lehramtes nicht klar vernommen. Damit besteht die Gefahr, daß in der kollektiven Wahrnehmung das gefährliche Prinzip des Schweigens als stillschweigender Zustimmung überhand nehmen könnte, mit einem Dominoeffekt von unvorhersehbaren Folgen. Roma locuta, causa finita. Wenn aber Rom nichts sagt, scheint alles erlaubt. Mehr noch, mit diesem Thema und unter diesen Prämissen, dürfte sich der C8-Kardinalsrat bei seinem nächsten Treffen, vielleicht schon Anfang Dezember befassen, jenes Gremium, das der Papst wollte, um sich bei der Regierung und der Reform der Kirche helfen zu lassen. Und schließlich auch, auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus, die nächste Sonderbischofssynode. Das, was Pater Lombardi als Art der Ermutigung „für die verantwortungsvolle Mitwirkung des Episkopats aus den verschiedenen Erdteilen“ „für gemeinsame pastorale Orientierungen“ bezeichnete.
„Parlamentarische“ statt hierarchische Kirche – Benedikt XVI. widersetzte sich deutschen Bischöfen
Daß „Entscheidungen“ zu so wichtigen und heiklen Fragen wie der Familienseelsorge einer Synode, das heißt Bischofsversammlungen oder Kollegien, anvertraut werden, obwohl – wie aufgezeigt – inhaltlich zur Frage alles bereits sehr klar geschrieben steht, ist eine Neuheit. Eine Neuheit, die mit Sorge zu betrachten ist, da sie die verbreitete Idee vom Vorrang einer „parlamentarischen“ vor einer hierarchischen Kirche stärkt, die der Tradition der Katholischen Kirche entspricht.
Und die Tatsache, wie Pater Lombardi keineswegs zufällig präzisierte, daß das „die Art“ sei, „mit der der Papst beabsichtigt, das Nachdenken und den Weg der Gemeinschaft der Kirche voranzubringen“, stellt vor allem eine Mahnung dar, eine Warnung gegen eventuelle zweifelnde und abweichende Stimmen. Auch, weil die vom Freiburger Referat für Familienseelsorge aufgezogene „Fahne“ nicht auf die Unbeherrschtheit eines Einzelnen zurückgeht, sondern sich präzise in ein kirchliches Klima einfügt, das in der Erzdiözese herrscht. Im vergangenen Jahr haben 120 Priester derselben Diözese ein Dokument unterschrieben, in dem sie ihre Mißbilligung der geltenden Ordnung zum Thema Kommunionempfang für wiederverheiratet Geschiedene äußerten. Die deutschen Bischöfe selbst haben in der Vergangenheit bereits die Wiederzulassung zu den Sakramenten gefordert. Damals wurde alles nur durch die Entschlossenheit von Benedikt XVI. blockiert, der sich solchen Forderungen mit der Autorität des Petrus widersetzte. Nun, da der deutsche Papst abgetreten ist, erfolgt ein neuer Versuch.
Plinio Correa de Oliveira schrieb im selben Kapitel seines eingangs erwähnten Buches Revolution und Gegenrevolution: „Die Katholiken, die den Glauben der Kirche bekennen, aber vom revolutionären Geist durchtränkt sind“, sind „tausendmal gefährlicher als die erklärten Feinde der Kirche“, denn „sie bekämpfen die Heilige Stadt innerhalb ihrer eigenen Mauern“. Trifft das auch im konkreten Fall zu?
Einleitung und Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana