(Paris) Ludovine de la Rochère heißt die neue Vorsitzende der französischen Volksbewegung Manif pour tous. Sie war Kommunikationsbeauftragte der französischen Bischofskonferenz und der Stiftung Jerome Lejeune für das Lebensrecht. Seit Mai führt sie die neue französische Bürgerbewegung gegen die sozialistische Gesellschaftspolitik von Staatspräsident François Hollande an. Die Bewegung hielt soeben eine Großtagung ab. Aus diesem Anlaß veröffentlichen wir ein Interview mit Ludovine de la Rochère, das Tempi führte.
Was sind die Ziele dieses Treffens?
Das erste Ziel war es, daß sich unsere Sympathisanten und ehrenamtlichen Mitarbeiter aus ganz Frankreich treffen konnten, um sich kennenzulernen und über die bisher geleistete Arbeit auszutauschen. Zweitens ging es darum, darüber zu informieren, wie die Zukunft unserer Gesellschaft nach den Plänen der Regierung aussehen sollte: Ausweitung der künstlichen Befruchtung auf Homosexuelle, Leihmutterschaft, Gender-Ideologie. Dazu brauchte es Vertiefung und Ausbildung. Und schließlich haben wir zur Mobilisierung für die kommenden Monate aufgerufen nach dem Motto: wir lassen nicht locker, alles geht weiter, nichts hört auf.
Wie ist das Verhältnis zur Politik und den politischen Parteien?
Wir haben Kontakte mit Politikern, die uns in unserem Widerstand gegen die Lex Taubira unterstützt haben. Wir sind aber völlig unabhängig von allen Parteien und Politikern. Wir sind allein für die Organisation der Bewegung verantwortlich und für die Botschaften, die wir verbreiten. Und wir finanzieren uns selbst. Wir machen Politik, aber im höheren Sinn des Wortes. Das bedeutet, daß wir nicht bei den Kommunalwahlen im März 2014 dabeisein werden. Wenn unsere Sympathisanten kandidieren, dann tun sie das im eigenen Namen. Was hingegen die Europawahlen im Juni 2014 anbelangt, ist eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen worden. Wenn sich die Kandidaten der traditionellen Parteien nicht offiziell verpflichten, die Werte zu verteidigen und zu fördern, für die wir eintreten, dann ist es denkbar, daß wir mit unserer eigenen Liste antreten. Europa produziert viele Rundschreiben, Richtlinien, Gesetze und Bestimmungen zu Themen, die uns am Herzen liegen. Deshalb sind wir wachsam und bereit, in den Ring zu steigen.
Und zu den religiösen Institutionen?
Wir haben die Verantwortlichen aller in Frankreich vorhandenen Religionen getroffen, die ihre Gläubigen aufgefordert haben, an unseren Kundgebungen teilzunehmen. Es gibt aber keine formale Verbindung zu einer Religion. Wir sind keine konfessionelle Bewegung. Zu sagen, daß ein Kind nur von einem Mann und einer Frau gezeugt werden kann, ist eine Frage der Vernunft, nicht der Religion. Man kann Agnostiker sein und verstanden haben, daß die Ehe untrennbar mit der Nachkommenschaft zu tun hat und daß das daher ohne einen Mann und ohne eine Frau nicht möglich ist.
Sehen Sie sich als Opfer einer antidemokratischen und freiheitsfeindlichen Repression?
Ja. Die Haltung der Staatsmacht uns gegenüber bleibt zwiespältig. Erst heute morgen wurde Sympathisanten von uns der Zutritt zu einigen Museen verweigert, weil sie die Pullover mit dem Logo von Manif pour tous trugen. Dies, obwohl kein französisches Gesetz das Tragen von Kleidungsstücken in der Öffentlichkeit untersagt, die persönliche Überzeugungen wiedergeben. Hätten sie T‑Shirts mit einer Darstellung von Che Guevara getragen, hätte ihnen niemand Probleme gemacht. Unsere Meinungsfreiheit ist bedrängt. Im vergangenen Juni wurde Frankreich vom Europarat wegen des Vorgehens der Polizei gegen die Teilnehmer unserer Kundgebungen gerügt. Beanstandet wurden Einschränkungen der Meinungsfreiheit, ungerechtfertigte Verhöre und Verhaftungen.
Was werden die Themen der kommenden Monate sein? Die Lex Taubira ist inzwischen in Kraft getreten. Was kann noch dagegen unternommen werden?
Wir stellen deren Legitimität in Frage. Wir wissen natürlich, daß sie in Kraft bleibt, zumindest bis zu den nächsten Staatspräsidenten- und Parlamentswahlen. Wir fordern ihre Abschaffung und hoffen, daß das nächste Parlament sich in diesem Sinn aussprechen wird. Natürlich wird die Aufhebung keine rückwirkende Wirkung haben. Vordringlich sind jetzt drei Dinge: kämpfen, daß in den Schulen nicht die Gender-Ideologie eingeführt wird, daß die künstliche Befruchtung nicht auf Homosexuelle ausgedehnt wird und gegen die Homophobie. Niemandem darf wegen seiner sexuellen Orientierung nicht mit ausreichend Respekt begegnet werden.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi