(Damaskus/Moskau) Die Gefahr, daß aus dem Bürgerkrieg in Syrien ein Krieg mit internationaler Intervention wird, ist sehr groß. Der russisch-orthodoxe Metropolit Hilarion, der „Außenminister“ des Moskauer Patriarchats verurteilte den immer größer werdenden Druck der USA auf Syrien. Washington drängt auf einen Angriff der NATO ohne UNO-Mandat. „Tausende weiterer Opfer werden auf dem Altar einer fiktiven Demokratie geopfert werden“, so Erzbischof Hilarion.
Während ein westlicher Militärschlag unter US-Kommando gegen die Regierung von Bashar al-Assad immer näher rückt, zeigt sich die russisch-orthodoxe Kirche „sehr besorgt“ über diese Entwicklung. „Wieder einmal, wie schon im Irak, verhalten sich die USA als internationale Scharfrichter“, klagte Metropolit Hilarion von Wolokolamsk gegenüber Asianews. Scharf kritisierte er die USA, die „völlig einseitig und ohne jede Beteiligung der Vereinten Nationen das Schicksal eines ganzen Landes mit Millionen von Einwohnern bestimmen wollen“.
USA wie „internationale Scharfrichter“ – Christen werden erste Opfer der US-unterstützten Islamisten
Die ersten Opfer werden vor allen anderen “wieder die Christen sein, um deren Schicksal sich niemand kümmert“, so der Metropolit. Die Christen laufen am meisten Gefahr, „die ersten Geiseln einer solchen Entwicklung und die ersten Opfer der radikalen extremistischen Kräfte zu werden, die mit Hilfe der USA die Macht ergreifen werden“. Die internationale Staatengemeinschaft müsse „alles tun“, damit die Ereignisse, „nicht diese Entwicklung nehmen“, so der Metropolit.
Ähnliche Töne wie aus Moskau kommen auch von den syrischen Katholiken. Patriarch Youssef III. Younan der mit Rom unierten syrisch-katholischen Kirche sagte zu Terrasanta.net, daß die syrischen Christen “vom Westen verraten und verkauft“ sind. Der Westen habe in den vergangenen zwei Jahren nichts anderes getan, als die Rebellen mit Waffen versorgt, ganz egal ob Islamisten oder nicht.
Erst in den vergangenen Tagen wurde mit Pater Amer Qassar (34) ein weiterer katholischer Priester in Damaskus verletzt. Er war 2003 für die Diözese Damaskus zum Priester geweiht worden. Am 21. August wurde er auf dem Weg in seine Kirche bei einem Bombenattentat schwer verletzt.
Syrisch-katholischer Patriarch: „USA sehen nur Erdöl“ – „Um die Christen kümmert sich keiner“
Den Druck der USA und Frankreichs zu einem westlichen Militärschlag kritisierte der Patriarch hart. Diese Mächte hätten durch ihre Waffenliefungen den Konflikt weiter entfacht und die Gewalt geschürt, statt mit allen Seiten zu sprechen und friedliche Lösungen zu suchen, so der Patriarch. „Der Westen meint, daß mit den Sunniten an der Regierung die Diktatur durch eine Demokratie ersetzt wird: Das aber ist eine große Illusion. Stattdessen wird es zu einem schlimmeren Konflikt als im Irak kommen.“
Und der Patriarch weiter: „Wir sind enttäuscht von der zynischen und machiavellistischen Politik der westlichen Staaten, von Frankreich, Großbritannien, den USA. Sie sehen nur das Erdöl und vergessen dabei ihre Grundsätze. Seit mehr als zwei Jahren erzählen sie gemeinsam mit der Türkei, daß das Regime stürzen wird. Das ist entweder die größte Lüge, die sie ihrer jeweiligen öffentlichen Meinung auftischen oder der größte Rechenfehler der vergangenen zehn Jahre. Das Regime ist immer noch an seinem Platz, das Land dafür aber zerstört und mehr als 100.000 wurden getötet. Wir Christen wurden für das Erdöl verraten und verkauft. Der Westen unterstützt im Namen der Demokratie Regime, an denen nichts demokratisch ist wie in Katar und Saudi-Arabien. Das sind zwei der rückständigsten Länder der Welt. Ihre Anführer werden aber in den westlichen Palästen wie Helden der Demokratie, des politischen Pluralismus und der Toleranz gefeiert.“
In Syrien leide die gesamte Bevölkerung, so der syrisch-katholische Patriarch, „die Christen jedoch ganz besonders“. Die Christen „sind das Opfer des Haßes einer Gemeinschaft, die meint, die Sache Gottes mit Gewalt durchsetzen zu müssen“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews/Terrasanta.net