(Rom) „Den Papst wählen die Kardinäle, nicht der Heilige Geist. Verfallen wir nicht in frömmelnde Absurditäten.“ Mit diesen Worten beginnt der spanische Kirchenhistoriker und bekannte katholische Blogger Francisco Fernandez de la Cigoña seinen jüngsten Beitrag. Ohne es zu erwähnen, ist die Anspielung offensichtlich: Seit dem jüngsten Konklave steht die These in Hochblüte, der Heilige Geist habe die Wahl des neuen Papstes entschieden. Die These wird mit einer Intensität vertreten, selbst von einigen Papstwählern wie dem Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, wie sie nach den vorherigen Konklaven in dieser Form nicht zu vernehmen war. Wahrscheinlicher scheint, daß gerade im westlichen Europa, gewohnt den Papst zu stellen, hinter der Wahl von Kardinal Bergoglio noch immer ein großes Fragezeichen stehen, weil die gängigen Erklärungsmuster für die Wahl dieses oder jenes Kandidaten versagen.
„Die Liebe und der Respekt für den Stellvertreter Christi, den Nachfolger des Petrus“ haben Katholiken veranlaßt, ihn mit einer „Aura der Verehrung“ zu umgeben, die sich im Laufe der Jahrhunderte ausformte. Es seien immer neue Formen aufgetreten, die in keiner direkten Verbindung zum ersten Papst stehen. „Und das ist auch alles in Ordnung so“, wie de la Cigoña anmerkt. Einige Formen der Papst-Verehrung seien auch wieder weggefallen, weil man sie nicht mehr „für geeignet“ für die heutige Zeit hielt. Zum Beispiel „die Sänfte, die Tiara, den Kuß der Sandale…“
Wahlordnungen ändern sich – Der Heilige Geist hat eine Mission, die uns verborgen bleibt
„Wir lieben den Papst und umgeben ihn mit Glanz und Ehren“. Ausschlaggebendes Kriterium sei es gewesen, daß diese Formen nicht den Evangelien widersprechen, denn direkt vom Evangelium herleitbar seien sie nicht gewesen. „Meinungen und Geschmäcker“ ändern sich mit der Zeit. Das gelte, so de la Cigoña, auch für die Art, wie der Papst gewählt wird. „Seinen ersten Nachfolger wählte Christus selbst.“ Viele von dessen Nachfolger wiederum seien nicht von Kardinälen gewählt worden, weil es solche noch gar nicht gab. „Sie sind erst eine spätere Einrichtung, obwohl ihnen heute allein das Recht zusteht, den Papst zu wählen. Papst Paul VI. zum Beispiel faßte den Beschluß, daß Kardinäle, die älter als 80 sind, von der Papstwahl ausgeschlossen werden. „Morgen könnte ein anderer Papst entscheiden, daß sein Nachfolger von den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, oder den Teilnehmern der zuletzt stattgefundenen Bischofssynode gewählt wird, oder von den emeritierten Bischöfen, die nicht älter als 70 Jahre sind usw. usf.“
Der Heilige Geist habe „eine Mission in der Kirche, die aber bleibt geheimnisvoll und unergründlich. Er handelt und er handelt immer gut, aber ohne daß wir Menschen seine Handlungen kennen.“ Daher, so der Historiker, rühren Weisheiten wie, „Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade“, oder „Gottes Wege sind unergründlich“.
Codex Iuris Canonici sprach bei Papstwahl von „quasi Inspiration“
„Ich bin gerade nicht in meiner Bibliothek, aber ich meine mich zu erinnern, daß im Codex Iuris Canonici von 1917 der Weg zur Wahl eines geeigneten Papstes als ‚quasi Inspiration‘ beschrieben wurde.“ Und das erscheine wirklich so, wenn man sich manche Wahlen in der Kirchengeschichte betrachte, dann scheinen sie schwerlich als „Zufall“ erklärbar. „Und dennoch stellte die Kirche der göttlichen Inspiration ein einschränkendes ‚quasi‘ voran“, so de la Cigoña. „Das ist, was die Kirche glaubt. Und das ist auch, was der gesunde Menschenverstand nahelegt.“ Die Wahl schlechter Päpste, „die es auch gab“, seien schwerlich göttlicher Eingebung anzulasten.
„Natürlich steht der Heilige Geist der Kirche bei. Nicht aber in allen ihren Handlungen und durch einen direkten Eingriff Gottes.“ Wie hätte nämlich der Heilige Geist, fragt sich der katholische Blogger, Pius XI. ein Verbot der Action francaise eingeben können, das 12 Jahre später von Pius XII. wieder aufgehoben wurde? „Wurden pädophile Bischöfe vom Papst inspiriert vom Heiligen Geist ernannt? Ist es die dritte göttliche Person, die den einen Papst inspiriert rote Schuhe zu tragen und den nächsten schwarze? Lenkt er die Stimmabgabe der Kardinäle direkt wie bei einer Abstimmung, indem er eingibt A und nicht B zu wählen?“
„Wir erheben keinen Anspruch zu wissen, was unergründlich ist. Der Heilige Geist wacht über der Kirche. Das muß uns genügen. Wie? Er weiß es. Wir nicht.“ Mit „unserem armen Verstand“ sei ein Verstehen oft gar nicht möglich. „Nicht jeder Papst ist heilig, intelligent und ein guter Papst“, so de la Cigoña. Es gelte sich „zuversichtlich in Gottes Hände zu legen in der Gewißheit“, daß Gott wisse, was für „uns gut ist“. Die Menschen aber, und der Papst ist auch ein Mensch, können Fehlentscheidungen treffen, das gelte immer, auch im Konklave. Der Heilige Geist greife „korrigierend“ ein, diese Verheißung und Sicherheit habe die Kirche. Wie und wann er das tue, das aber bleibe „unbekannt“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La cigüeña de la torre