(Rom) Neben der unglücklichen Ernennung Riccas, des „Prälaten der Homo-Lobby“, so der Vatikanist Sandro Magister, sorgt eine weitere Ernennung in Rom für einiges Rätselraten. Am 18. Juli errichtete Papst Franziskus mit einem Chirograph eine neue Päpstliche Kommission für die Reform der Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten des Heiligen Stuhls (siehe eigenen Bericht). Die Kommission besteht aus sieben Laien, die gewissermaßen Inventur im Vatikan machen und „Vorschläge“ für Verbesserungen, mehr Effizienz und Einsparungen machen sollen. In der päpstlichen Anweisung heißt es, daß die Mitglieder der neuen Kommission Zugang „zu allen Dokumenten, Daten und Informationen“ der Vatikanbank IOR, aller Bilanzen, jeglicher Behörde und Einrichtung des Vatikans und dem gesamten beweglichen und unbeweglichen Besitz des Heiligen Stuhls weltweit haben. Jedes Amtsgeheimnis wurde für die Kommission vom Papst aufgehoben. Informationen, die „pures Gold“ wert sind, so Insider. Die sieben Kommissionsmitglieder wissen am Ende mehr als jeder im Vatikan selbst. Entsprechende Kritik über den möglichen Beginn des „Ausverkaufs“ der Kirche wurde daher laut (siehe eigenen Bericht). Zweifel wurden auch an den Ernannten geäußert.
Wie kommt Lobbyistin in päpstliche Kommission?
Sie konkretisieren sich vor allem rund um Francesca Immacolata Chaouqui. Die Ernennung der erst 30jährigen Italienerin mit französischem Vater marokkanischer Abstammung stößt auf Kritik in- und außerhalb des Vatikans.
Es bestehen vor allem Zweifel an ihrer Qualifikation, weshalb sich nicht wenige in Rom fragen, wie sie in diese Kommission kommen konnte. Die rassige Süditalienerin arbeitet derzeit für Ernst & Young, einen der international größten Dienstleister für Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmens- und Managementberatung. Chaouqui ist allerdings weder Wirtschaftsprüferin noch Steuerberaterin, sondern von Beruf Kommunikationsexpertin. Von denen gibt es „neuerdings eine ganze Menge im Vatikan“, so Magister, und nicht bei allen sei klar, was sie eigentlich dort machen. Chaouqui ist mit anderen Worten eine Lobbyistin. Eine Arbeit, die sie offensichtlich zur Zufriedenheit ihrer Arbeitgeber erledigt.
Es geht allerdings um ihre Eignung für die päpstliche Kommission. Abgesehen von fachlichen Zweifeln gibt es auch einige Bedenken zur Person. Chaouqui lebt und arbeitet als Lobbyistin mit Informationen. Informationen können Einfluß und Macht bedeuten und „pures Gold“ sein. Das ist ein Nehmen und Geben. So ist Chaouqui auch als “engagierte“ Informantin der Internetseite Dagospia tätig, dem größten virtuellen Sammelbecken von Indiskretionen, Gerüchten, Klatsch und Tratsch und nicht wenigen Giftpfeilen rund um … den Vatikan!
Nuzzi der Nutznießer (und Drahtzieher?) der Vatileaks-Affäre gegen Papst Benedikt XVI.
Aus ihrem Twitterzugang geht hervor, daß die umtriebige Chaouqui einen direkten Draht zu Gianluigi Nuzzi hat, als dessen Verehrerin sie sich selbst bezeichnet.
Nuzzi ist jener Journalist, der durch die Veröffentlichung von Dokumenten bekannt wurde, die der untreue Kammerdiener Paolo Gabriele Papst Benedikt XVI. direkt von dessen Schreibtisch gestohlen hat. Nuzzi machte sich in seiner Sendung auf einem privaten Fernsehsender einen Namen als der, der über „geheimste“ Dokumente aus dem Vatikan verfüge. Wen wundert es: bei seinem kammerdienerlichen Draht in die päpstlichen Gemächer. Nuzzi war der einzige wirkliche Nutznießer des Datenklaus im Vatikan. Die vom Papst gestohlenen Dokumente, darunter private Briefe von Gläubigen an das Kirchenoberhaupt, veröffentlichte Nuzzi mit reißerischer Aufmachung auch als Buch, das inzwischen in mehreren Sprachen vorliegt. Zahlreiche Medien folgten dem marktschreierischen Tönen Nuzzis und konstruierten daraus den Vatileaks-Skandal. Und obwohl Papst Benedikt XVI. das Opfer dieser skrupellosen wie treulosen Machenschaft war, wurde er in den Medien als „unfähiges Regierungsoberhaupt“ dargestellt, unter dem die Kirche „von einem Skandal zum anderen“ tappe.
Das wirklich Skandalöse an Nuzzis Dokumentenklau-Affäre war diese Verdrehung der Tatsachen und daß Nuzzis Rolle in der Affäre größer ist, als allgemein dargestellt.. Die eigentliche Frage ist: Kam der geldgierige Kammerdiener Paolo Gabriele von sich aus zu Nuzzi und bot ihm die gestohlenen Dokumente an, oder wurde er gar von Nuzzi für Geld dazu angestiftet?
Den meisten Journalisten, darunter auch manchem Vatikanisten gefiel es allerdings viel zu gut, über „Skandale im Vatikan“ berichten zu können, als der Frage nachzugehen, wer als Auftraggeber oder Abnehmer hinter dem Kammerdiener stand. Die Sache wäre plötzlich deutlich kleiner dagestanden und als das, was sie wirklich ist: keine große Vatikan-Intrige, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit eine kleine lumpige Geschichte zwischen einem Kammerdiener und einem Journalisten.
Der Kammerdiener wurde entlarvt und verurteilt. Der Menschenfreundlichkeit der Kirche ist es zuzuschreiben, daß sie den Mensch Gabriele trotz der Enttäuschung nicht fallen ließ. Er wurde aus dem Vatikan entfernt, erhielt jedoch eine Anstellung in einer kirchlichen Einrichtung. Schließlich ist er verheiratet und Vater von Kindern, die er zu versorgen hat, hieß es im Vatikan. Welche weltliche Einrichtung würde so handeln?
Gegen Nuzzi aber wurde nie ermittelt. Er wurde auf Kosten von Papst Benedikt XVI. auf recht schäbige Art und Weise berühmt und kassiert Tantiemen seiner weltweit verkauften Bücher, denn: „Skandal im Vatikan“, verkauft sich auch auf dem Buchmarkt immer gut.
Chaouqui Informantin von Dagospia und Mitglied im Think Tank des italienischen Ministerpräsidenten
Das Bild (oben) von Chaouqui veröffentlichte Sandro Magister. Damit stellte sich die adrette Lobbyistin bis zum 23. Juli auf ihrem Twitterzugang vor. Fünf Tage nach ihrer Ernennung in die „goldene“ päpstliche Kommission entfernte sie es dann doch. Vor Ernst & Young arbeitete Chaouqui für die international tätige Anwaltskanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe. Sie ist zudem Mitglied des Think Tank Vedrò, des neuen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta, der einer Art großer Koalition aus Rechts‑, Zentrums- und Linksdemokraten vorsteht. Letta selbst gehört dem katholischen Flügel der Linksdemokraten an. Seit Jahren kämpft Chaouqui dafür, daß Italien mit einem eigenen Gesetz die Tätigkeit von Lobbyisten anerkennt.
In einem Twitter-Eintrag zeigt sich die junge Italienerin begeistert über ihre Ernennung und versichert ihre Papsttreue. Einiges Kopfzerbrechen dürfte dem Vatikan dennoch Chaouqui Tätigkeit für Dagospia bereiten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo