(Madrid) Was ist aus dem glorreichen Jesuitenorden geworden, aus der geistlichen Streitmacht Gottes auf Erden, dem Orden, den sein Gründer, der ehemalige spanische Hauptmann Ignacio de Loyola wie ein Heer organisierte, das in geschlossener Formation kämpfte und in dem jeder Soldat ein Einzelkämpfer ist?
Der Orden war jahrhundertelang gefürchtet. Allein seine Erwähnung löste in manchen Kreisen Reaktionen aus, die denen um nichts nachstanden, wenn in katholischen Kreisen das Stichwort Freimaurer fiel.
Was wurde aus dem Orden, der ganze Länder missionierte oder für die Kirche zurückgewann und dem fast die Christianisierung Chinas und Japans gelungen war?
Seine geistige Macht und damit sein Einfluß war so groß, daß sie den mächtigen Bourbonen-Herrschern in die Quere kamen und das nicht nur, weil sie mit ihren Indianer-Reduktionen und ihrer Verteidigung der Menschenwürde der Indios den ökonomischen Interessen einiger Granden im Weg standen. Der Orden überlebte sein Verbot von 1773 bis 1814 im Untergrund, offen nur im orthodoxen Rußland.
Die Ausbildung eines Jesuiten dauert viel länger als bei anderen Orden. Und dennoch!
Die Zeichen des Verfalls und der Erschöpfung lassen den größten katholischen Männerorden immer mehr zusammenschrumpfen. Ein Sprichwort sagt: Es gibt nichts, wo nicht mindestens ein Jesuit die Finger im Spiel hat. So finden sich unter den Jesuiten herausragende Verkünder und Verteidiger des katholischen Glaubens, aber seit einigen Jahrzehnten auch kaum einen bizarren Abweg, den nicht auch irgendein Jesuit beschreiten würde.
Die Lage in Spanien, dem Kernland des Ordens ist dramatisch. 2014 werden die fünf historischen Ordensprovinzen Spaniens zu einer einzigen Provinz zusammengeschlossen. Derzeit gibt es in Spanien zwar noch 1.393 Jesuiten, eine große Zahl, doch ihr Durchschnittsalter liegt bei 70 Jahren. Viele können ihr Amt nicht oder nur mehr sehr eingeschränkt ausüben. In fünf Jahren erreicht der Orden in Spanien die Altersgrenze von 75 Jahren und wird wahrscheinlich weniger als 1000 Angehörige zählen. 2018 stößt der Orden damit an jene magische Pensionierungsschwelle, die Papst Paul VI. einführte.
Der Orden wirkt führungslos. Der große Abwesende ist der „Schwarze Papst“ Adolfo Nicolas Pachon, der als 30. Ordensgeneral seit 2008 die Geschicke der Gesellschaft Jesu lenkt. Er scheint nicht weniger abwesend, wie Gott der große Abwesende in Nicolas jüngster Predigt am vergangenen Sonntag in Valladolid (vollständiger Text) ist.
Laut der Predigt des Ordensgenerals reduziert sich der Jesuitenorden auf eine humanitäre NGO, deren Zweck es ist, anderen zu helfen, nicht aber sie zu Gott zu führen. Bemerkenswert, weil Papst Franziskus, der selbst dem Jesuitenorden angehört, bereits mehrfach die Rolle der Kirche als NGO zurückgewiesen hat. Bei seinem Ordensgeneral scheinen die Worte des Papstes und Mitbruders nicht angekommen zu sein. Für Pater Nicolas reduziert sich das geistliche Leben auf ein absolutes Minimum, vielmehr auf ein Leben, in dem eigentlich jeder macht, was er will, weil alles von Gott irgendwie inspiriert sei.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La cigüeña de la torre