Seit mehr als 40 Jahren steht die katholische Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche in Deutschland im Kreuzfeuer der Kritik.
Hinterfragt, bezweifelt oder bestritten wird beispielsweise, daß
- Jesus Christus „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“ ist [1]Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel;
- Jesus Christus von der Jungfrau Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen worden ist;
- Jesus Christus sein Leben am Kreuz als Sühnopfer hingegeben hat;
- Jesus Christus der „einzige Mittler“ zwischen Gott und den Menschen [2]II. Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Art. 8, 14, 28, 49, 60, 62 sowie „die Fülle der ganzen Offenbarung“ [3]II. Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche „Dei Verbum“, Art. 2. ist;
- die hierarchische Verfassung der katholischen Kirche göttlichen Ursprungs und Rechts ist;
- „nur durch die katholische Kirche Christi, die das allgemeine Hilfsmittel des Heiles ist“, ein „Zutritt zu der ganzen Fülle der Heilsmittel“ möglich ist [4]II. Vatikanisches Konzil: Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“, Art. 3.;
- der Empfang des Weihesakraments dem Mann vorbehalten ist;
- das sakramentale Priestertum vom allgemeinen Priestertum im Wesen verschieden ist;
- in der Feier der Eucharistie das Kreuzesopfer Jesu Christi vergegenwärtigt wird;
- Jesus Christus mit seiner Gottheit und Menschheit unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein gegenwärtig ist;
- nur derjenige die Eucharistie würdig empfängt, der im Stand der heiligmachenden Gnade lebt;
- nur derjenige das ewige Heil erlangen kann, der im Stand der heiligmachenden Gnade stirbt;
- die Ehe eine in der Schöpfungsordnung begründete Vereinigung von zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts ist;
- zivil wiederverheiratete Geschiedene „sich in einer Situation, die dem Gesetze Gottes objektiv widerspricht“, befinden [5]Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1650;
- niemand das Recht hat, über Leben und Tod eines ungeborenen Kindes zu entscheiden;
- Abtreibung ein „verabscheuungswürdiges Verbrechen“ ist [6]II. Vatikanisches Konzil: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Art. 51;
Im Kreuzfeuer der Kritik stehen jedoch nicht nur einzelne katholische Wahrheiten, sondern bereits die Annahme, daß es überhaupt eine Unterscheidung zwischen wahr und falsch, gut und böse gibt. Dementsprechend gilt „als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste“ [7]Kardinal Joseph Ratzinger in der Predigt während der Messe „Pro eligendo papa“ am 18. April 2005, dem Tag vor seiner Wahl zum Papst.
Dieser Widerstreit begegnet in beträchtlichem Ausmaß in der wissenschaftlichen Theologie und im Religionsunterricht, in Predigt und Katechese, in katholischen Akademien, in der kirchlichen Erwachsenenbildung und Jugendarbeit, in Kirchenzeitungen und im Kirchenfunk, in kirchlichen Räten und Verbänden.
Leider war und ist die Mehrheit der deutschen Bischöfe nicht bereit oder in der Lage, dieser Zerstörung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre Einhalt zu gebieten. Obwohl sich nach can. 1364 § 1 des Codex Iuris Canonici der Apostat, der Häretiker oder der Schismatiker die Exkommunikation als Tatstrafe zuziehen, werden diese i. d. R. nicht daran gehindert, kirchliche Ämter, Dienste und Aufgaben auszuüben oder die Sakramente zu empfangen. De facto ist es also in das Belieben des Einzelnen gestellt, ob und inwieweit er sich zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre bekennt.
Damit befindet sich die katholische Kirche in Deutschland auf dem Weg in eine offene Weltanschauungsgemeinschaft, in der sich jeder seine eigene „Wahrheit“ machen kann.
Als einheitsstiftende Prinzipien verbleiben unter diesen Umständen der ergebnisoffene Dialog, die „versöhnte Verschiedenheit“, die Arbeit „an einer Kirche, die die Vielfalt des heutigen Lebens positiv akzeptiert“ [Erzbischof Robert Zollitsch [8]Die Tagespost vom 20. 9. 2010, S. 6.] oder das Verständnis von Pluralität und Pluralismus als „Reichtum“ und „Bereicherung“ [Kardinal Reinhard Marx [9]Ebda].
Daher verwundert es auch nicht, daß mittlerweile nicht mehr Häretiker, Apostaten und Schismatiker in die Schranken gewiesen werden, sondern diejenigen, die katholisch bleiben und den Weg in eine offene Weltanschauungsgemeinschaft nicht mitgehen wollen. Dieses gilt jedenfalls dann, wenn es Katholiken hierzulande ablehnen, als Kirchensteuerzahler den Umbau der katholischen Kirche in eine nationalkirchliche Organisation mitzufinanzieren, die der Beliebigkeit zugetan ist und „als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste“ akzeptiert. (Bl)
Text: Christoph Blath/ Beitrag erschien zuerst in IK-Nachrichten, Nr. 4/2013
Bild: Una Fides
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↑1 | Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel |
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↑2 | II. Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Art. 8, 14, 28, 49, 60, 62 |
↑3 | II. Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche „Dei Verbum“, Art. 2. |
↑4 | II. Vatikanisches Konzil: Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio“, Art. 3. |
↑5 | Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1650 |
↑6 | II. Vatikanisches Konzil: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Art. 51 |
↑7 | Kardinal Joseph Ratzinger in der Predigt während der Messe „Pro eligendo papa“ am 18. April 2005, dem Tag vor seiner Wahl zum Papst |
↑8 | Die Tagespost vom 20. 9. 2010, S. 6. |
↑9 | Ebda |