(Vatikan) Kardinal Antonio Cañizares Llovera, der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung stellte sein neugegliedertes Dikasterium mit eigenen Abteilungen für die sakrale Musik und die sakrale Kunst vor. Aus diesem Anlaß führte der Vatikanist Andrea Tornielli mit dem Kardinal, der am vergangenen 3. November im Petersdom ein Pontifikales Hochamt in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus zelebrierte, ein Interview über diese Neuorganisation, die Arbeit der Kongregation, liturgische Mißbräuche als Folge von Glaubensirrtümern und wie man diese abstellen könne, die revidierten Missale des Novus Ordo mit den korrigierten Wandlungsworten von „für alle“ zu „für viele“, über Unterschiede zwischen „liturgischer Erneuerung“ und der „Liturgiereform“, die Gültigkeit der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Sacrosanctum Concilium und die Arbeit der neuen Abteilung für Kunst und Musik in der Liturgie.
Die Kongregation wurde umorganisiert und es gibt ein neues Amt, das der sakralen Architektur und Musik gewidmet ist. Können Sie uns erklären, warum es dazu kam und wozu das neue Amt dient?
Tatsächlich wurde mit 1. Dezember an der Kongregation ein neues „Amt“ errichtet. Es handelt sich um eine Abteilung, die der sakralen Kunst und der sakralen Musik im Dienst der Liturgie gewidmet ist, mit der man beabsichtigt, dem einen Impuls zu geben, was in den Kapiteln 6 und 7 der Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium steht. Eine notwendige Initiative; um auf die bestmögliche und angemessene Art und Weise auf die Bedürfnisse der Liturgie in diesen beiden Bereichen antworten zu können. Nicht jede musikalische oder künstlerische Ausdrucksform enstpricht dem Wesen der Liturgie, die ihre eigenen Gesetze hat, die es zu schützen gilt. Wenn wir die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewollte liturgische Erneruerung vertiefen und die Schönheit verstärken sollen, die die Liturgie selbst ist und haben soll, dann sind die Musik und die Kunst grundlegende Elemente dafür. Es ist daher sehr wichtig, daß die Gottesdienstkongregation der Kunst und der Musik Impulse für die Liturgie gibt, ihnen Richtlinien und Orientierung für dieses Ziel in Übereinstimmung mit der umfangreichen Lehre und der überreichen Tradition der Kirche bietet und die Beziehungen zu den Musikern, Architekten, Malern, Goldschmieden usw. fördert. Und dies alles verlangt eine besondere und konkrete Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund und zu diesem Zweck wurde dieses „Amt“, diese Abteilung geschaffen.
In den vergangenen 50 Jahren waren wir Zeugen, wie in der ganzen Welt Kirchen gebaut wurden, die Garagen, Betonblöcken oder Kerkern ähneln. Welche Merkmale muß Ihrer Meinung nach eine katholische Kirche haben?
Der Katechismus der katholischen Kirche nennt diese auf sehr klare und verständliche Weise, indem er in zwei Paragraphen ein Kirchengebäude beschreibt. In einem erklärt er: „Diese sichtbaren Kirchen sind nicht einfach Versammlungsorte, sondern bezeichnen und bezeugen die Kirche, die an diesem Ort lebt, die Wohnung Gottes unter den in Christus versöhnten und geeinten Menschen.“[1180]
Man versteht, daß der tiefere Grund für die Existenz eines Sakralbaues nicht einfach der ist, die Versammlung der Gläubigen zu ermöglichen. Das ist schon viel, aber gleichzeitig ist es zu wenig. In Wirklichkeit ist die Kirche der Begegnungsort mit dem Sohn des lebendigen Gottes und dadurch wird er auch zum Begegnugsort für uns. Der Katechismus sagt weiter: „Das Gotteshaus, in dem die Heiligste Eucharistie gefeiert und aufbewahrt wird, in dem die Gläubigen sich versammeln und die Gegenwart des auf dem Opferaltar für uns dargebrachten Erlösers zur Hilfe und zum Trost der Gläubigen verehrt wird, soll schön sein, geeignet zu Gebet und heiliger Handlung. In diesem ‚Gotteshaus‘ sollen die Wahrheit und Harmonie der Zeichen, die es bilden, Christus kundtun, der an dieser Stätte zugegen ist und handelt.“ [1181] Die neuen Kirchen sollten getreu diesen grundlegenden Kriterien erbaut werden, wie dies in der langen und überreichen Tradition der Kirche geschehen ist, und wir deshalb diese so außergewöhnlichen Beispiele der Kunst besitzen. Für das vergangene Jahrhundert, um beispielhaft eine Kirche zu nennen, bei der diese Kriterien sehr beachtet werden, möchte ich an die Basilika Sagrada Familia von Antonio Gaudà in Barcelona erinnern.
Wie würden Sie den Zustand der Musik und des Gesangs in der Liturgie definieren?
Man muß zugeben, daß die Musik und der Gesang in der Liturgie, trotz einiger lobenswerter und gelungener Bemühungen, einer Erneuerung und eines neuen Impulses bedürfen. Vergessen wir nicht, daß die große liturgische Erneuerung des heiligen Pius X. von einer herrlichen, von ihm durchgeführten Erneuerung des Gesangs und der Musik begleitet und ergänzt wurde. Die heute dringend und mehr denn je notwendige liturgische Erneuerung wäre nicht vollständig, wenn man nicht auch eine ernsthafte und wirksame Arbeit in der Erneuerung der Musik und des Gesangs anstreben und leisten würde, die nicht bloßes Zierwerk sind, um die Zelebrationen gefälliger zu machen, sondern ein Element der Zelebration selbst, das uns vor das Mysterium, vor die Präsenz Gottes stellt, und das daher mit dem, was in der liturgischen Zelebration geschieht, übereinstimmen muß und das heißt: „der Himmel, der sich zur Erde öffnet“.
Sie sind nun seit vier Jahren der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Können Sie kurz die geleistete Arbeit in Erinnerung rufen und erklären, welches die Ziele für die unmittelbare Zukunft sind?
Ja, ich habe in diesem Monat Dezember vier Jahre seit meiner Ankunft im Dikasterium vollendet. Indem ich die rigorose und sehr gültige Arbeit meiner Vorgänger fortsetzte, habe ich nichts anderes versucht, als der liturgischen Erneuerung des Zweiten Vatikanums einen Impuls zu heben, und das wird auch im neuen Jahr mein Ziel sein. Zu diesem Zweck wird, neben der notwendigen Neuorganisation und der neuen Ordnung des Dikasteriums, das seine Komplexität hat, an „Orientierungen und Richtlinien für die liturgische Ausbildung“ der Priester, der Priesteramtskandidaten, der Personen geweihten Lebens, den Pfarrmitarbeitern bei den liturgischen Feiern, den Gläubigen im allgemeinen gearbeitet, um dabei zu helfen, die Lehren des Zweiten Vatikanums über die Liturgie in Kontinuität mit der reichen kirchlichen Tradition besser kennenzulernen und zu verinnerlichen.
Wir bereiten auch ein Hilfsmittel vor für eine würdige Zelebration und eine angemessene Teilnahme an der Eucharistiefeier. Die „Instruktionen“ der verschiedenen Rituale für die Sakramente werden überarbeitet. Die Arbeit ist weit fortgeschritten, was das Bußsakrament betrifft. Wir arbeiten an der Einführung zu den Sakramenten der christlichen Initiation und an der Erneuerung der Initiationspastoral. Ich hoffe, daß in wenigen Monaten die neue Einführung in das Rituale für den eucharistischen Kult außerhalb der Messe, besonders die eucharistischen Anbetung fertig sein wird. In einem fortgeschrittenen Stadium befinden sich auch die Arbeiten am Rituale für die Beerdigungen. Zudem gegen die Arbeiten am fünften Band des Stundengebets weiter. Ich hoffe, daß in einigen Monaten das Projekt des Direktoriums für die Predigten abgeschlossen werden kann und der Band mit den Predigtempfehlungen für die drei liturgischen Zyklen nach dem Katechismus der katholischen Kirche fertiggestellt werden kann. Ich muß auch erwähnen, was bereits in der neuen Abteilungen für Kunst und Musik in der Liturgie geschieht. Unter anderem werden Direktorien für die Musik und die Kunst erarbeitet. Abgesehen von den übrigen laufenden Arbeiten, den kontinentalen Treffen mit den Liturgieverantwortlichen der Bischofskonferenzen, muß auch an die Vorbereitung des internationelen Symposiums erinnert werden, das im Februar 2014 über die Liturgiekonstitution des Konzils Sacrosanctum Concilium stattdinden wird, von dem wir hoffen, daß es eine große Resonanz finden wird.
Und die Korrektur der liturgischen Mißbräuche?
Ein Einsatz, an den erinnert werden muß, sind die Ad-limina-Besuche der Bischöfe, Gelegenheiten von großem Interesse, um die Grundsätze der vom Zweiten Vatikanum geforderten liturgischen Erneuerung zu verbreiten, ohne dabei die Hilfe bei der Korrektur einiger liturgischer Mißbräuche zu übersehen, die durch die wichtige Instruktion der Gottesdienstkongregation und der Glaubenskongregation Redemptionis Sacramentum geboten wird, die geschrieben wurde, um die Mißbräuche abzustellen und dabei zu helfen, würdig die Liturgie zu zelebrieren und an ihr teilzunehmen.
Das alles trägt zum Hauptziel bei, daß die Liturgie den zentralen Platz einnimmt, der ihr im Leben der Kirche zusteht. Ich hoffe, daß 2013 ein wichtiges Jahr in dieser Hinsicht sein wird. Ich würde mich in diesem Jahr des Glaubens besonders damit zufriedengeben, wenn man die sonntägliche Eucharistiefeier aufwerten und neu beleben würde, daß der Sonntag zurückgewonnen würde und man häufiger und besser das Bußsakrament nützen würde. Unsere Kongregation wird in diese Richtung weitermachen.
Wie schätzen Sie den Zustand der katholischen Liturgie in der Welt ein? Ist die Zeit der Mißbräuche zu Ende?
Ich spreche von der Notwendigkeit, die vom Zweiten Vatikanum gewollte liturgische Erneuerung zu vertiefen. Ein klares Signal, in welchem Zustand sich die katholische Liturgie in der Welt befindet. Sie durchlebt nicht ihren besten Moment. Es besteht die eindeutige Notwendigkeit, den wahren Sinn der Liturgie im christlichen Leben und dem Leben der Kirche neu zu beleben. Es wurde viel gemacht, keine Frage, es ist aber unzureichend. Es muß viel mehr gemacht werden, vor allem dafür, daß die Lehren des Zweiten Vatikanum in unser Bewußtsein eintreten, die wir die Kirche bilden, daß die Liturgie der Mittelpunkt der Kirche ist, daß sie Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens ist. Leider gibt es neben einer gewissen Oberflächlichkeit, Äußerlichkeit und Gefahr der Routine auch zahlreiche Mißbräuche. Die Mißbräuche sind Ausdruck von Glaubensirrtümern, die gleichzeitig zu einer Deformierung des Glaubens selbst führen. Es gilt den maximalen Einsatz zu erbringen, um die Mißbräuche abzustellen und für den Glauben zu arbeiten. Eine Verantwortung, die wir alle und immer tragen, vor allem jedoch in diesem Jahr des Glaubens und in besonderem Maße die Bischöfe.
Wie weit sind die Übersetzungen des neuen Missale in die verschiedenen Sprachen fortgeschritten?
Die revidierten Übersetzungen gehen zügig voran. Wie bekannt ist, wurde die englische Übersetzung für alle englischsprachigen Länder bereits approbiert. Derzeit arbeiten wir an der revidierten italienischen Übersetzung. Ich hoffe, daß sich ihre Approbierung nicht allzulange verzögert. Als nächstes kommt die revidierte spanische Übersetzung der Bischofskonferenzen von Spanien und Mexiko. Auch diesbezüglich hoffe ich, daß sie bald genehmigt wird. Derzeit warten wir noch auf die deutsche, französische und portugiesische Überarbeitung.
Wird man auch in Italien bei den Wandlungsworten von „für alle“ zu „für viele“ übergehen?
Nach dem so durchdachten und überzeugenden Schreiben des Papstes zu diesem Thema [an die deutschen Bischöfe, Anm.d.Redaktion] denke ich nicht, daß sich daran etwas ändern wird: Die Forumlierung wird „für viele“ lauten. Die Wandlungsworte in der heiligen Messe werden direkt vom Papst aprobiert.
Ist die Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium noch aktuell? Ist sie umgesetzt worden?
Diese Konstitution ist völlig aktuell und hat einen bewunderswerten Reichtum zum Inhalt. So wie sicherlich das Sichtbarste der liturgischen Veränderung in der Liturgiereform zum Ausdruck kommt, ist es ebenso sicher, daß die Wahrheit der Liturgie und die Lehren von Sacrosanctum Concilium nicht mit der nötigen Tiefe in das Bewußtsein und das Leben des Gottesvolkes eingedrungen sind. Deshalb besteht die Notwendigkeit sie mehr zu vertiefen, dann wird es eine neue Blüte in der Kirche geben, einen neuen Eifer für die Evangelisierung und eine große Erneuerung der Kirche. Es geht nicht darum, die Formen zu ändern, sondern sie zu leben, in der Innerlichkeit der heiligen Liturgie. Deshalb spreche ich nicht von „Reform“, sondern von Vertiefung der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewollten liturgischen Erneuerung.
Interview von Andrea Tornielli/Vatican Insider
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider