(Auckland) Der anglikanische Pastor Glynn Cardy in Auckland (Neuseeland) scheint bei Oliviero Toscani in die Schule gegangen zu sein, jenem Fotografen, der die Werbeposter erfunden hat, „die von sich reden machen“. Der Pastor hatte es bereits vor zwei Jahren versucht, als er vor seiner Kirche ein Bild des heiligen Josef aushängte, der mit Maria im Bett liegt und darüber der Text: „Armer Josef, es ist hart Gott zu folgen“. Da die „Provokation“ nicht die erhoffte Steigerung der Gottesdienstbesucher in seiner Kirche brachte, versuchte es nun der Pastor erneut, diesmal mit einem Poster der Gottesmutter, die den Schwangerschaftstest liest und erschrocken feststellt, schwanger zu sein.
Sühnegebete der Traditionalisten
Dann kamen jedoch traditionalistische Katholiken und entfernten das Plakat. Der Mann, der es herunterriß, erklärte, es wieder zu tun, sollte der Pastor die Aktion wiederholen. Die rund hundertköpfige traditionalistische Gruppe kniete darauf vor der Kirche von Cardy nieder und stimmte Sühnegebete an.
Was folgte, spulte sich nach einem bekannten Drehbuch ab: Ein medialer Aufschrei gegen die Intoleranz, Distanzierungen durch die nicht-traditionalistischen Katholiken Neuseelands, Betroffenheit des anglikanischen Pastors, das Schweigen der Bischöfe.
Provokante Kampagnen bringen virtuelle, aber wenig reale Kontakte
Der Sprecher der „Ikonoklasten“ erklärte, daß die Kirche von Pastor Cardy, St. Matthew’s in the City „von einem Homosexuellen und der Femministenlobby kontrolliert wird“. Cardy rechtfertigte sich in der Presse, er habe mit seiner „Provokation“ nur „die Gläubigen zum Nachdenken anregen“ wollen. Das einzige, was er wirklich erreichte, war virtuell, aber wenig konkret: ein Boom der Facebook-Kontakte und daß seine „Idee“ rund um den Erdball bekannt wurde.
Hätte er seinen „Meister“ Toscani kontaktiert, hätte ihm dieser verraten, daß es ihm mit seiner Methode nie gelungen ist, auch nur ein Kleidungsstück mehr von Benetton zu verkaufen. Bestimmte Werbemethoden erhöhen zwar exponentiell die Zahl gesprochener und geschriebener Worte, aber nicht die Verkaufszahlen. Schon gar nicht die Gläubigenzahlen.
Benetton-Kampagne: ideologische Mission statt Verkaufssteigerung
Die jüngste Bilderserie von Toscani für Benetton sorgte im Herbst für viel Aufsehen. Sie zeigten als Fotomontagen unter grober Verletzung der Menschenwürde, wie sich Papst Benedikt XVI. und der Großmufti der islamischen Universität von Kairo küssen, ebenso US-Präsident Obama und der chinesische Staatspräsident Hu Jintao. Als Provokation in der Provokation mußte es noch aufgefaßt werden, daß die Werbeagentur nur in vier Städten „probeweise“ plakatieren ließ und dazu ausgerechnet Rom und Tel Aviv auswählte (die beiden anderen Städte waren Mailand und London). In eine moslemische oder chinesische Stadt wagten sich die mutigen Provokateure dann doch nicht. Den Papst im jüdischen Israel, man könnte zudem anfügen: im Heiligen Land, vorzuführen, war geradezu perfid. Es fehlte nicht an hämischer Freude. Die Zeitgeist-Gazetten ergötzten sich an der Verknüpfung von Werbung für Homosexualität und Anti-Werbung gegen die „Dunkelmänner“ der Moderne. Nach Protesten entschuldigte sich die Firma Benetton drehbuchgemäß umgehend und zog die Werbekampagne zurück. „Man habe niemand verletzten wollen“, lautete die wenig glaubwürdige Begründung. Weltweit wurde über die Plakate in den Medien und im Internet ausführlich berichtet. Benetton hatte einmal mehr demonstriert, wie man eine Standortbestimmung vornimmt und den vorherrschenden Zeitgeist bewirbt. Gratiswerbung für Benetton nach dem Motto: minimaler Aufwand, maximale Reichweite.
Die Benetton-Kampagnen steigern nicht die Verkaufszahlen, fördern aber sehr wohl eine bestimmte gesellschaftspolitische Sichtweise. Warum ein Unternehmen dergleichen macht, läßt sich letztlich nur mit einem ideologischen Messianismus erklären.
Da solche provokanten Kampagnen zwar viel von sich reden machen, aber nachgewiesenermaßen die Verkaufszahlen nicht nach oben beeinflussen, muß von einem ideologisch motivierten Hintergrund ausgegangen werden. Pastor Cardy in Auckland mag das noch nicht gewußt haben. In seiner naiven Begründung der Aktion ähnelt er aber durchaus den professionellen Zeitgeist-Werbestrategen mit ideologischem Touch.
Die katholischen Traditionalisten haben in den Augen der säkularen Öffentlichkeit das Image einer humorlosen Gruppe bestätigt, zumal das Plakat keine Häresie verbreitet. Und über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten. Der Kompaß spielt diesbezüglich derzeit einigermaßen verrückt. Fromme Christen werden es den belächelten neuseeländischen Traditionalisten danken, die Gottesmutter geehrt zu haben.
Papst weiß kaum mehr wohin mit den anglikanischen Konvertiten
Die anglikanische Weltgemeinschaft erlebt den radikalsten Erosionsprozeß ihrer bald fünfhundertjährigen Geschichte. Pastor Cardy, sollte er lernfähig sein, müßte inzwischen zumindest verstanden haben, womit man keine Kirchen füllt. Die Säkularisierung läßt den anglikanischen Glauben großer Massen regelrecht verdampfen. Gleichzeitig findet eine geradezu „apokalyptische“ Hinwendung zum lange bekämpften „Papismus“ statt. Papst Benedikt XVI. weiß, überspitzt formuliert, kaum mehr wohin mit den anglikanischen Konvertiten in aller Welt. Um diese dynamische Bewegung in geordnete Bahnen zu bringen, gewährte er in die Einheit mit Rom zurückkehrenden Anglikanern mit Anglicanorum coetibus eigene Personalordinariate.
Text: BQ/Giuseppe Nardi
Bild: Bussola Quotidiana