(Vatikan) Am 27. September 2011 wurde das Apostolische Schreiben Quaerit semper Papst Benedikts XVI. in Form eines Motu proprio veröffentlicht. Das Schreiben wurde bereits am 30. August vom Oberhaupt der katholischen Kirche unterzeichnet. Von Kirchenrechtlern wird das Schreiben als „historisch“ bezeichnet. Es überträgt vordergründig der Rota Romana, dem Obersten Gerichtshof des Heiligen Stuhls, zwei Zuständigkeitsbereiche, die bisher bei der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung lagen, wie zahlreiche Medien berichteten. Das eigentlich Ziel dieser Kurienreform ist jedoch die Stärkung der Liturgie, indem Kapazitäten der Gottesdienstkongregation für ihre eigentliche Aufgabe freiwerden.
Der erste Zuständigkeitsbereich betrifft die Nichtigkeit von Priesterweihen. Wie eine Eheschließung kann auch eine Priesterweihe nichtig sein aufgrund von Formfehlern oder Hinderungsgründen sowohl durch den Weiheempfänger als auch den Weihespender. Ein vom Heiligen Stuhl definitiv geklärter Bereich ist zum Beispiel die Weihe einer Frau, die kategorisch ausgeschlossen sind. Ein hypothetischer Nichtigkeitsgrund wäre auch dann gegeben, wenn der Weihende nicht wußte, daß der Weiheempfänger eine Frau ist, also eine arglistige Täuschung eines Bischofs vorläge. Mangelnde innere Zustimmung oder Vorbehalte gegenüber der Glaubenswahrheit oder der kirchlichen Disziplin können ein Nichtigkeitsgrund sein für eine formal korrekt gespendete Priesterweihe. In solchen Fällen erklärt die katholische Kirche, daß das Sakrament der Weihe nie wirksam gespendet wurde und nie ein gültiges und daher wirksames Priestertum bestanden hat. Solche Fälle unterscheiden sich grundlegend von jenen, in denen eine Entlassung oder Entbindung aus dem Klerikerstand erfolgt, jedoch eine gültige Weihe vorliegt.
Der zweite Zuständigkeitsbereich betrifft die Entbindung geschlossener, aber nicht vollzogener Ehen. Die Ehe ist absolut unauflöslich. Das eheliche Sakrament wird jedoch nicht bereits wirksam durch eine formal korrekt geschlossene Ehe, sondern erst, wenn sie durch die Ehegatten auch vollzogen wurde. Fehlt der geschlechtliche Vollzug der Ehe, können die Ehepartner oder auch nur einer von ihnen vom Heiligen Stuhl die Entbindung von den ehelichen Pflichten beantragen, obwohl sie gültig geschlossen wurde. Theologische Grundlage dafür ist die Idee, daß das Fehlen des ehelichen Vollzug die volle Gültigkeit und Entfaltung des Ehesakraments als Spiegelbild der sakramentalen Einheit zwischen Christus und der Kirche verhindert. Die Entbindung ist ein Verwaltungsakt, die vom Papst im Gnadenweg gewährt wird. Die Eheleute haben also keinen Rechtsanspruch darauf, dürfen sie aber erwarten. Die päpstliche Macht, die eheliche Bindung bei mangelndem Ehevollzug zu lösen, gilt nicht nur für Eheschließungen unter Getauften, sondern ebenso bei Eheschließungen zwischen einem getauften Ehepartner und einem nicht getauften.
Die Übertragung der Zuständigkeit von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung auf die Rota Romana verfolgt jedoch nicht nur die eine Absicht, damit eine genauere Untersuchung jedes einzelnen dieser delikaten Fälle sicherzustellen, die einem eigens dafür neu errichteten Senat des Gerichthofs übertragen wurde. Die eigentliche Absicht Papst Benedikts XVI. mit dem Motu proprio Quaerit semper liegt darin, daß sich die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung verstärkt auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentriert, nämlich die Förderung und Überwachung der katholischen Liturgie.
„Wie alle wissen“, kommentierte der Soziologe Massimo Introvigne, „ist ein solcher Einsatz heute dringend notwendig, damit die katholische Liturgie würdig und gut zelebriert wird.“
Text: BQ/Giuseppe Nardi
Bild: Bussola Quotidiana