(Rom) In Rom verstarb am vergangenen Samstag, den 3. September 2011, der 87jährige polnische Kardinal Andrzej Maria Deskur, ein enger Freund Papst Johannes Pauls II. Seit langem an den Rollstuhl gefesselt, pflegte er auch darüber zu scherzen: „Ich bin wie das Kolosseum: eine Ruine, aber viel besucht.“ Während des Pontifikats Johannes Pauls II. aß er einmal wöchentlich mit dem Papst zu Mittag. Sein privilegierter Zugang zum Papst machte ihn zum viel gesuchten Gesprächspartner und Mittelsmann, um direkt oder indirekt zum Pontifex vorzudringen.
Kardinal Deskur wurde 1924 in Sancygniow geboren. Während der deutschen Besetzung trat er in das Untergrundpriesterseminar in Krakau ein, wo er den jungen Landsmann Karol Wojtyla kennenlernte. Er war bald von ihm tief beeindruckt, „wegen dessen innigem Gebetsleben“. „Wir anderen zerstreuten uns im Gebet immer wieder, wie es eben fast allen so ergeht. Er aber war in einer anderen Welt mit Gott.“ Später in der päpstlichen Privatkapelle habe er Johannes Paul II. im Gebet mit Gott reden hören, als stünde ihm Gott direkt gegenüber.
1950 zum Priester geweiht, blieb Msgr. Deskur mit Wojtyla verbunden, der 1958 Weihbischof von Krakau wurde. Für diesen überbrachte Deskur 1962 einen Brief an Pater Pio von Pietrelcina nach Apulien. Eine äußerst wichtige Mission, wie sich herausstellen sollte. Darin bat Bischof Wojtyla den bekannten italienischen Kapuziner um dessen Fürbitte für die Heilung von Wanda Poltawska, einer an Krebs erkrankten Familienmutter. Poltawska genas auf wunderbare Weise vor dem chirurgischen Eingriff.
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils wirkte Deskur im Vatikan als Untersekretär der Päpstlichen Medienkommission, aus der später der heutige Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel hervorging. 1970 wurde er deren Sekretär und später deren Präsident. Papst Paul XVI. ernannte ihn zum Kurienbischof.
Wann immer Kardinal Wojtyla aus Polen nach Rom kam, um an den Arbeiten verschiedener Kongregationen und Synoden teilzunehmen, war Msgr. Deskur für ihn ein Bezugspunkt. Einige Biographen Johannes Pauls II. betonten Deskurs Rolle, den Erzbischof von Krakau in den Kreisen der römischen Kurie bekannt zu machen, weshalb er als unscheinbarer „Papstmacher“ im Hintergrund galt.
Im Oktober 1978, kurz vor Beginn des zweiten Konklaves jenes Jahres, nachdem Papst Johannes Paul I. nach nur wenigen Tagen Amtszeit verstarb, erlitt Deskur einen schweren Schlaganfall. Kardinal Wojtyla erfuhr davon erst, als er schon auf dem Weg in die Sixtinische Kapelle war. Aus ihr ging er zwei Tage später als neuer Papst hervor. Karol Wojtyla war stets sehr aufmerksam gegenüber dem menschlichen Leid. So stand er Wanda Poltawska nahe, die durch ihre KZ-Haft traumatisiert war, dem Priesterfreund und späteren Kardinal Marian Jaworski, der eine Hand verlor, als er sich auf dem Weg befand, eine Heilige Messe in Vertretung Wojtylas zu zelebrieren.
Am Tag nach seiner Wahl zum Papst verließ Johannes Paul II. überraschend den Vatikan, um seinen Freund Deskur in der Gemelli-Klinik zu besuchen. Es sollte seine erste Pastoralvisite in Rom und Italien sein. Er besuchte zahlreiche Kranke und hielt sich lange bei seinem polnischen Weggefährten auf. 1985 erhob er den polnischen Landsmann zum Kardinal.
Msgr. Deskur blieb seit seinem Schlaganfall 1978 an den Rollstuhl gefesselt. Er wurde zum Präsidenten der Päpstlichen Akademie der Immakulata. Seine ausgeprägt marianische Frömmigkeit, die ihn mit dem Papst verband, trat besonders 1995 ans Licht, als eine Marienstatue in Civitavecchia in der Nähe von Rom Blut weinte. Die Gerichtsbehörden beschlagnahmten die Statue. Kardinal Deskur begab sich in die Stadt und schenkte dem dortigen Bischof eine Kopie der Marienstatue und betete für die „Befreiung“ der „weinenden“ Statue.
Der Kardinal erinnerte daran, daß ähnliches 1967 in Polen geschehen sei, als die kommunistischen Behörden die berühmte Mariendarstellung der Schwarzen Gottesmutter von Tschenstochau beschlagnahmten. Ein Ereignis, das ihn innerlich tief bewegt hatte.
Nach dem Tod des Seligen Johannes Pauls II. gab der polnische Kardinal einige Details des geistlichem und mystischem Lebens seines päpstlichen Freundes bekannt. Er bestätigte, daß Karol Wojtyla im Augenblick seiner im Untergrund empfangenen Priesterweihe am 1. November 1946 eine besondere Gnade erfahren hatte. Er habe die Gnade empfangen vom Heiligen Geist geführt zu werden mit Erscheinungen und inneren Stimmen. „Aus dieser ganz besonderen Nähe zu Gott erklärt sich alles“, so der nun hochbetagt verstorbene polnische Freund und Kardinal Johannes Pauls II., Andrzej Maria Deskur.
Text: Vatican Insider/Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider/Sacri Palazzi