Epochaler Umbruch bei Frankreichs Seminaristen: Jeder dritte Neueintritt gehört der Tradition an


(Paris) Gera­de­zu epo­cha­le Umbrü­che kenn­zeich­nen den Prie­ster­stand Frank­reichs. Die Gene­ral­ten­denz läßt sich mehr oder weni­ger auch auf eini­ge ande­re west­eu­ro­päi­sche Staa­ten über­tra­gen. Die fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz ver­öf­fent­lich­te aktu­el­le Zah­len über den diö­ze­sa­nen Prie­ster­nach­wuchs, Neu­prie­ster, Semi­na­ri­sten und Neu­ein­trit­te in die Prie­ster­se­mi­na­re. Die Errech­nung der genau­en Zah­len scheint auf den ersten Blick ein leich­tes Unter­fan­gen, gestal­tet sich aber nicht ganz so ein­fach. Die Ergeb­nis­se sind kei­nes­wegs rosig, bie­ten im Detail aber bemer­kens­wer­te Erkennt­nis­se. La Paix Lit­ur­gi­que befaß­te sich damit im Rund­brief 275.

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Die inter­ne Erhe­bung der Bischofs­kon­fe­renz ergab zum Stand 15. Novem­ber 2010 ein recht pes­si­mi­sti­sches Bild. Die Zah­len sind noch ein­mal schlech­ter als die bereits schlech­ten Zah­len von 2009/​2010. Offi­zi­ell berei­ten sich in allen fran­zö­si­schen Prie­ster­aus­bil­dungs­stät­ten (Diö­ze­san­se­mi­na­re, Uni­ver­si­tä­ten, ein­schließ­lich der Über­see­ge­bie­te) für die Diö­ze­sen 732 Diö­ze­san­se­mi­na­ri­sten auf das Prie­ster­tum vor. Das bedeu­tet noch ein­mal einen Rück­gang um drei Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr (756).

Ver­gleich­bar gerin­gen Zah­len sehen sich auch die Bischö­fe Deutsch­lands, der Schweiz und Bel­gi­ens gegen­über. Selbst Spa­ni­en erlebt in den ver­gan­ge­nen Jah­ren einen star­ken Abwärts­trend, als habe es einen Nach­hol­be­darf wett­zu­ma­chen. Dort liegt das Minus sogar bei neun Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr. Die Gesamt­zahl sank von 1337 Semi­na­ri­sten (Herbst 2009) auf 1227 (Herbst 2010). Auch in Ita­li­en gab es in den letz­ten 100 Jah­ren nicht so wenig Priesteramtsanwärter.

Die fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz gab Ende des Vor­jah­res bekannt, daß 2010 ins­ge­samt 96 Prie­ster für den Diö­ze­san­dienst geweiht wur­den. Mehr als ursprüng­lich gedacht und mit­ge­teilt. Die Anga­be klingt erfreu­lich, ändert jedoch wenig an der Grund­ten­denz. Die höhe­re Zahl ergab sich durch drei Wei­hen der Prie­ster­ge­mein­schaft St. Mar­tin, zwei der Bru­der­schaft St. Tho­mas Becket (die bei­de For­men des römi­schen Ritus pflegt) und acht Wei­hen von Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten, die kei­ne Orden sind.

Die Errech­nung genau­er Zah­len gestal­tet sich auch des­halb schwie­rig, weil nicht immer genau gesagt wer­den kann, ob alle zu Prie­stern Geweih­te letzt­lich in fran­zö­si­schen Diö­ze­sen inkar­di­niert wer­den und dort seel­sorg­lich tätig sind. Drei­zehn Pro­zent der 732 der­zei­ti­gen Semi­na­ri­sten sind Ausländer.

Semi­na­ri­sten der Tradition

Im Gegen­satz zu den rück­läu­fi­gen Diö­ze­san­se­mi­na­ri­sten sind die Zah­len der tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Semi­na­ri­sten posi­tiv. Deren Zah­len las­sen sich zudem leich­ter errech­nen. Die nun­mehr genau­en Anga­ben der fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz erlau­ben zudem einen prä­zi­se­ren Ver­gleich und ermög­li­chen eine bes­se­re Gesamt­schau der Ent­wick­lung. Zu den Semi­na­ri­sten der Tra­di­ti­on wer­den hier nur jene gezählt, die kei­ner Ordens­ge­mein­schaft ange­hö­ren und daher für die Diö­ze­san­seel­sor­ge geweiht wer­den. Das sind die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten. Dazu gehört auch die Mis­si­ons­ge­sell­schaft der Gött­li­chen Barm­her­zig­keit. Der Ein­fach­heit hal­ber wer­den hier die Semi­na­ri­sten des Alten Ritus im Sin­ne von Sum­morum Pon­ti­fi­cum als „außer­or­dent­li­che“ Semi­na­ri­sten bezeichnet.

Ins­ge­samt gibt es der­zeit in Frank­reich 140 Semi­na­ri­sten des Alten Ritus, dar­un­ter 50 von der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. Das ent­spricht einem Anteil von fast 16 Pro­zent an allen fran­zö­si­schen Semi­na­ri­sten, wobei die Semi­na­ri­sten von Tou­lon bereits mit ein­ge­schlos­sen sind. Berück­sich­tigt man zudem die Diö­ze­san­se­mi­na­ri­sten ande­rer Diö­ze­sen, die sich der Tra­di­ti­on ver­pflich­tet füh­len und in bei­den For­men des römi­schen Ritus aus­ge­bil­det wer­den, sind es fast 20 Pro­zent. Die Zahl der tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Semi­na­ri­sten ist posi­tiv stabil.

Im Herbst 2010 began­nen 41 Kan­di­da­ten der Tra­di­ti­on das Stu­di­um, 2009 waren es 40. Wegen der gleich­zei­ti­gen Abnah­me der „ordent­li­chen“ Semi­na­ri­sten wächst der Anteil der „außer­or­dent­li­chen“ Semi­na­ri­sten kon­ti­nu­ier­lich. Jeder drit­te Neu­ein­tritt im Stu­di­en­jahr 2010/​2011 ist der Tra­di­ti­on ver­pflich­tet. Das Gesamt­bild im Frank­reich von heu­te stellt sich also fol­gen­der­ma­ßen dar: nur mehr zwei Drit­tel aller „Erst­se­me­ster“ gehö­ren der „ordent­li­chen“ Form des römi­schen Ritus an und bereits ein Drit­tel der „außer­or­dent­li­chen“ Form. Die­ser Anteil wird wei­ter wach­sen, zumin­dest in dem Aus­maß, wie die „ordent­li­chen“ Prie­ster­be­ru­fun­gen abnehmen.

Die Anga­ben der fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz bie­ten auch Ein­blick, in wel­chem Rah­men heu­te Prie­ster­be­ru­fun­gen erfol­gen. Genannt wer­den in die­sem Zusam­men­hang häu­fig die „Neu­en Gemein­schaf­ten“, in den ver­gan­ge­nen Jah­ren jedoch immer öfter die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on. Die Zah­len der Bischofs­kon­fe­renz geben Aus­kunft: Von den 732 „ordent­li­chen“ Semi­na­ri­sten kom­men 68 aus den Neu­en Gemein­schaf­ten, 27 von der Gemein­schaft Emma­nu­el, 23 vom Neo­ka­techu­me­na­len Weg (von denen ein Groß­teil Aus­län­der sind) wäh­rend sich die übri­gen mit 1–3 Semi­na­ri­sten auf ver­schie­de­ne Gemein­schaf­ten aufteilen).

Der Anteil der Neu­en Gemein­schaf­ten an den 872 Semi­na­ri­sten (732 ordent­li­chen und 140 außer­or­dent­li­chen) beträgt acht Pro­zent, jener der Tra­di­ti­on ist dop­pelt so hoch. Zählt man die Semi­na­ri­sten der Gemein­schaft St. Mar­tin zu den Neu­en Gemein­schaf­ten, beträgt ihr Anteil elf Pro­zent. Die Pius­bru­der­schaft allein hat gleich­viel Semi­na­ri­sten wie Emma­nu­el und der Neo­ka­techu­me­na­le Weg zusammen.

In abseh­ba­rer Zeit mehr als die Hälf­te des fran­zö­si­schen Kle­rus der Tra­di­ti­on verpflichtet

Hin­zu kommt, daß die Bischö­fe und Regen­ten der Prie­ster­se­mi­na­re fest­stel­len, daß ein wach­sen­den Teil der „ordent­li­chen“ Semi­na­ri­sten sich offen zu tra­di­tio­na­li­sti­schen Ten­den­zen beken­nen und das Recht bean­spru­chen, in bei­den For­men des Ritus aus­ge­bil­det zu wer­den. Es han­delt sich bereits um jeden fünf­ten „ordent­li­chen“ Semi­na­ri­sten, wahr­schein­lich sogar mehr, wobei Paris der­zeit eine Aus­nah­me bildet.

Dar­aus läßt sich schlie­ßen, daß jener Teil der Kir­che, der sich auf einen „Geist des Kon­zils“ beruft, auch in sei­ner mode­ra­ten Form immer mehr zurück­geht. Frank­reich zähl­te heu­te etwas mehr als 8000 akti­ve Prie­ster, deren Durch­schnitts­al­ter über 65 liegt. Jähr­lich ster­ben rund 800. Eini­ge Diö­ze­sen ver­fü­gen nur mehr über weni­ge Dut­zend oder noch weni­ger akti­ve Priester.

Soll­te sich die­se Ent­wick­lung fort­set­zen, wird in abseh­ba­rer Zeit mehr als die Hälf­te des fran­zö­si­schen Kle­rus der Tra­di­ti­on im Sin­ne des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum angehören.

Text: Paix Liturgique/​Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides

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