(JF) Der neue Erzbischof Wielgus (67) ist nach einem Bericht von Gazeta Polska für den polnischen Geheimdienst in den sechziger und siebziger Jahren tätig gewesen. Der Erzbischof bestritt, jemals für den Staatsicherheitsdienst bewußt tätig gewesen zu sein.
Die Gazeta Polska hat einige Tage vor Weihnachten die Vorwürfe erhoben. Der Vatikan reagierte promt und spricht in einem Kommuniqué dem Erzbischof „das volle Vertrauen“ von Papst Benedikt dem XVI. aus.
Premier Jaroslaw Kaczynski will nicht kommen
Problematisch wird die Sache allerdings. Am Sonntag zur Amtseinführung möchte der Premier Jaroslaw Kaczynski, so ist in der polnischen Presse zu lesen, allerdings wegen der neuen Entwicklungen der Feier fernbleiben. Zeitungskommentatoren fordern die Amtseinführung bis zum Abschluß der Prüfung der Sicherheitsdienstdokumente zu verschieben.
Der Historiker Andrzej Paczkowski von dem Institut für das Nationale Gedächtnis (ähnlich der deutschen Birthler-Behörde) erklärte, er habe keine Zweifel, daß Wielgus „aktiver Informant des SB“ war.
In Rom wird derzeit auf einen Bericht einer kirchlichen Historikerkommission gewartet. Dieser wird aber nicht öffentlich sein.
Auf den Internetseiten der Gazeta Polska sind 68 Seiten aus den SB-Akten zu Wielgus, der die Decknamen „Adam“, „Adam Wysocki“ und „Grey“ getragen haben soll, zu finden. Darunter befinden sich auch zwei Verpflichtungserklärungen. Der Erzbischof hatte zuletzt wiederholt erklärt, er habe niemandem geschadet. Berichte von ihm sind nicht unter den veröffentlichten Seiten.
Nach Aktenlage gab es 50 Treffen Wielgus mit SB-Offizieren. „Routinetreffen“, so der Erzbischof. Jeder Priester, besonders die Elite des Klerus sei überwacht worden. Ende der sechziger Jahre unterschrieb er eine erste Verpflichtungserklärung. Sein Aufgabenfeld: Amtsbrüder und das akademische Umfeld. 1973 erhielt Wielgus ein zweijähriges Stipendium der Alexander-Humboldt-Stiftung zum Studium in München. Mit der zweiten Verpflichtungserklärung war die Reise nach München möglich. Auftrag: Berichte über die polnische Exilgemeinde in München, die polnische Redaktion von Radio Freies Europa liefern. Die Zusammenarbeit schien funktioniert zu haben, der sehr gut sprechende Wielgus durfte nun wiederholt nach München reisen.
Rückendeckung aus Krakau
Dem Vatikan will Wielgus schon vor einiger Zeit über seine Geheimdienstkontakte unterrichtet haben. Nach den Veröffentlichungen in der Gazeta Polska bekam er auch Rückendeckung anderer Geistlicher. So hat sich Kardinal Stanislaw Dziwisz erneut gegen Kampagnen mit SB-Akten ausgesprochen. Eine eigene Historikerkommission, die die Unterwanderung durch den SB im Erzbistum untersuchen soll, will er einsetzten. Dem gefolterten Solidarnosc-Priester Tadeusz Isakowicz-Zalewski hat er verboten, ein Buch darüber mit den Klarnamen der priesterlichen Spitzel zu veröffentlichen.
Beim letzten Besuch Papst Benedikt XVI. in Polen sagte er: „Es gilt, die arrogante Pose von Richtern über die vergangenen Generationen, die zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen lebten, zu vermeiden.“ Auf dieser Grundlage erklärt Dziwisz, wäre es letztlich ein Sieg des SB, dessen Aufgabe es gewesen sei, die Kirche zu zerstören. Die Worte des langjährigen Sekretärs Papst Johannes Paul II. haben ein starkes Gewicht in Polen.
Wielgus, ein international anerkannter Experte für mittelalterliche Philosophie, gehörte dem von den Bischöfen eingesetzten Gremium an, das den umstrittenen nationalkatholischen Sender Radio Maryja kontrollieren soll. Er forderte wiederholt die Redaktion auf, sich aus der Politik herauszuhalten.