Vatikan hofft Viganò-Dossier auszusitzen


Papst Franziskus
Im Vatikan herrschen Betrübnis und Unruhe. Das Viganò-Dossier erschüttert das aktuelle Pontifikat und die nächsten Stürme brauchen sich schon zusammen.

(Rom) Im Vati­kan herrscht über das Dos­sier des ehe­ma­li­gen Apo­sto­li­schen Nun­ti­us Car­lo Maria Viganò offen­sicht­li­che Irri­ta­ti­on. Erkenn­bar ist sie an wider­sprüch­li­chen Reak­tio­nen. Offen­sicht­lich herrscht noch kei­ne wirk­li­che Stra­te­gie, wie damit umge­gan­gen wer­den soll. Die mini­ma­li­sti­sche Gegen­stra­te­gie lau­tet: igno­rie­ren und aus­sit­zen. Eine Stra­te­gie, der es nicht an Bri­sanz fehlt, denn auf die­sel­be Wei­se wur­de in der Ver­gan­gen­heit häu­fig auf sexu­el­le Miß­brauchs­vor­wür­fe reagiert. 

Papst nicht betrübt, Avvenire
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Zunächst berich­te­te die ita­lie­ni­sche Nach­rich­ten­agen­tur ANSA am Mon­tag abend, daß Papst Fran­zis­kus „betrübt“ sei über das Dos­sier, aber nicht an einen Rück­tritt den­ke. Eine Rück­tritts­for­de­rung war von Erz­bi­schof Viganò mit der Ver­öf­fent­li­chung des Dos­siers ver­bun­den wor­den. ANSA nann­te kei­ne kon­kre­te Quel­le, son­dern ledig­lich „Mit­ar­bei­ter“ des Pap­stes. Es besteht den­noch kein begrün­de­ter Zwei­fel, daß die Infor­ma­tio­nen dazu nicht aus dem eng­sten Umfeld des Pap­stes stamm­ten, und ihre Ver­öf­fent­li­chung zu jenem Zeit­punkt ent­spre­chend gewollt war.

Am Diens­tag berich­te­ten dann aber zwei dem Papst sehr nahe­ste­hen­de Jour­na­li­sten im Avve­ni­re, der Tages­zei­tung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, das Gegenteil:

„Papst Fran­zis­kus ist nicht betrübt wegen des Viganò-Briefes“.

Und wei­ter:

„Die Stim­men über die Reak­ti­on von Fran­zis­kus auf das Dos­sier des ehe­ma­li­gen Nun­ti­us, der sei­nen Rück­tritt for­dert, wur­den dementiert.“

Wie bereits in frü­he­ren Momen­ten die­ses Pon­ti­fi­kats demen­tier­te damit eine vati­ka­ni­sche Quel­le eine ande­re, und das gleich scharf.

Laut Avve­ni­re, „arbei­tet der Papst wie immer“. Eine gegen­tei­li­ge Behaup­tung „einer Pres­se­agen­tur“ wur­de von der Zei­tung der Bischö­fe als „Machen­schaft“ und „Vul­ga­ri­tät“ bezeich­net. Auch Avve­ni­re nann­te ledig­lich „glaub­wür­di­ge vati­ka­ni­sche Quel­len“, aber kei­ne kon­kre­ten Namen.

Unab­hän­gig davon reagier­te Vati­kan­spre­cher Greg Bur­ke auf Jour­na­li­sten­fra­gen mit einer salop­pen Gegenfrage:

„Wirk­te der Papst am Sonn­tag abend im Flug­zeug betrübt? Ich bit­te Sie …“.

Soweit der Aspekt der päpst­li­chen Betrüb­nis. Zum bri­san­te­ren Aspekt, der Rück­tritts­for­de­rung von Kuri­en­erz­bi­schof Viganò,  demen­tier­te Avve­ni­re den ANSA-Bericht nicht. Daß der Papst nicht an Rück­tritt denkt, ent­spricht dem­nach den Tatsachen.

Aldo Maria Val­li, lang­jäh­ri­ger Vati­ka­nist der RAI, der sei­nen Kol­le­gen Mar­co Tosat­ti zum Viganò-Dos­sier unter­stützt, ver­öf­fent­lich­te am Diens­tag ein Inter­view mit Nun­ti­us Viganò. Die­ser ver­tei­dig­te sich gegen teils har­te Kri­tik aus dem päpst­li­chen Umfeld, mit der sei­ne Beweg­grün­de und sei­ne Glaub­wür­dig­keit in Zwei­fel gezo­gen wurden.

„Ich hand­le nicht aus Rache. Ich will nur, daß die Wahr­heit ans Licht kommt“.

In dem Inter­view sag­te Viganò aber noch mehr:

„Ich habe gere­det, weil die Kor­rup­ti­on inzwi­schen in den Spit­zen der kirch­li­chen Hier­ar­chie ange­kom­men ist. An die Jour­na­li­sten gewandt: War­um fra­gen sie nicht, was aus der Doku­men­ten­ki­ste gewor­den ist, die – wir haben es alle gese­hen – von Papst Bene­dikt auf Castel Gan­dol­fo an Papst Fran­zis­kus über­ge­ben wur­de? War alles umsonst?“

In der Tat zeig­ten Film­auf­nah­men im März 2013, wie der soeben zurück­ge­tre­te­ne Bene­dikt XVI. bei der ersten Begeg­nung mit Papst Fran­zis­kus die­sem eine gan­ze Kiste von Doku­men­ten über­gab. Die vati­ka­ni­schen Medi­en leg­ten damals größ­ten Wert dar­auf, ein har­mo­ni­sches Ver­hält­nis zwi­schen den bei­den Kir­chen­ober­häup­tern zu zei­gen, wes­halb mas­sen­haft Bil­der ver­brei­tet wur­den, die bei­de Päp­ste zei­gen. Nicht bekannt­ge­ge­ben wur­de, was die bei­den mit­ein­an­der besprachen.

Gestern mel­de­te sich schließ­lich Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin zum Viganò-Dos­sier zu Wort.

„Der Papst ist gelas­sen“, so die Über­schrift von Vati­can Insi­der in direk­ter Rede, aber „im Vati­kan herr­schen Betrüb­nis und Unruhe“.

Der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär bügel­te damit die sich wider­spre­chen­den Berich­te der Vor­ta­ge aus. Es herr­sche Betrüb­nis, aber nicht der Papst sei betrübt, son­dern Mit­ar­bei­ter im Vati­kan. Das Dos­sier des ehe­ma­li­gen Nun­ti­us in den USA habe „gro­ßen Schmerz“ aus­ge­löst, aber nicht bei Fran­zis­kus, so Paro­lin, son­dern „bei den Mit­ar­bei­tern von Franziskus“.

Der Kar­di­nal war bemüht, den Ein­druck zu ver­mit­teln, daß alles sei­nen gewohn­ten Gang gehe. Das Gespräch mit Vati­can Insi­der fand am Ran­de eines Emp­fangs in einem der Höfe der Vati­ka­ni­schen Muse­en bei „typisch mexi­ka­ni­schem Essen und mexi­ka­ni­scher Musik“ statt.

Liest man die Aus­sa­gen Paro­lins genau­er, sagen sie aller­dings nicht ganz aus, was die Über­schrift behaup­tet. Wört­lich sag­te der Kardinalstaatssekretär:

„Ich habe eine Erklä­rung des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes gese­hen, die sagt, daß der Papst gelas­sen ist. Was ich gese­hen habe (in die­sen Tagen war ich mit ihm auf der Rei­se nach Irland und danach), scheint er gelassen.“

So ganz bestä­ti­gen woll­te Paro­lin die­se Gelas­sen­heit also nicht. Wei­ter sag­te er:

„Der Papst ist eine gro­ße Gna­de, auch ange­sichts sol­cher Din­ge, die natür­lich so viel Betrüb­nis und auch Unru­he schaf­fen. Er ver­fügt aber über eine Fähig­keit, eine sehr gelas­se­ne Art zu haben.“

Zum Dos­sier von Erz­bi­schof Viganò woll­te der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär nicht Stel­lung nehmen:

„Gegen­über sol­chen Din­gen ist nur mög­lich, den Schmerz zum Aus­druck zu brin­gen, gro­ßen Schmerz. Ich hof­fe, daß wir alle an der Suche nach Wahr­heit und Gerech­tig­keit arbei­ten, daß das die Bezugs­punk­te unse­res Han­delns sind und nicht ande­re. Natür­lich ist die Sache kei­nes­wegs besorgniserregend.“

Auch auf die expli­zi­te Nach­fra­ge von Vati­can Insi­der wei­ger­te sich der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär zum Inhalt des Viganò-Dos­siers Stel­lung zu nehmen:

„Es ist bes­ser zu die­sen Din­gen nicht in Details zu gehen. Ich wie­der­ho­le, was der Papst gesagt hat: Lest es selbst und bil­det euch eurer Urteil. Der Text spricht für sich.“

Stim­men die Vor­wür­fe, sind sie sehr wohl „besorg­nis­er­re­gend“. Die Wei­ge­rung, auch nur den Ver­such zu unter­neh­men, sie zu wider­le­gen, wirft neue Fra­gen auf. Mit die­sem von Paro­lin zitier­ten Satz, for­mu­liert auf dem Rück­flug am Sonn­tag abend von Irland, folg­te Fran­zis­kus ein­mal mehr sei­ner Stra­te­gie, unan­ge­neh­men Fra­gen durch eine Nicht-Ant­wort aus­zu­wei­chen. Daß inzwi­schen auch der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär die­sen Satz wie­der­hol­te, bestä­tigt, wie sehr die Bom­be des Viganò-Dos­siers das der­zei­ti­ge Pon­ti­fi­kat erschüt­tert. Die Gegen­stra­te­gie lau­tet igno­rie­ren und aus­sit­zen. Iro­ni­scher­wei­se ent­spricht das der Stra­te­gie, mit der zu oft von kirch­li­cher Sei­te auf sexu­el­le Miß­brauchs­vor­wür­fe reagiert wurde.

Unter­des­sen braut sich bereits der näch­ste Sturm zusam­men. Erz­bi­schof Viganò wirft Fran­zis­kus vor, über die Schand­ta­ten von Kar­di­nal McCar­ri­ck infor­miert gewe­sen zu sein und den­noch geschwie­gen zu haben. Inzwi­schen wird Fran­zis­kus vor­ge­wor­fen, auch zu Nika­ra­gua geschwie­gen zu haben. Dort geht es um einen ähn­li­chen Fall: um ein homo­se­xu­el­les Dop­pel­le­ben und sexu­el­le Bezie­hun­gen eines Bischofs mit eige­nen Semi­na­ri­sten und Untergebenen.

Die Zei­chen ste­hen auf Sturm, und es scheint die „Homo-Häre­sie“ zu sein, die die­ses Pon­ti­fi­kat ins Wan­ken bringt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider/​Avvenire/​ANSA (Screen­shots)

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1 Kommentar

  1. Paro­lin muß natür­lich etwas sagen- es ist sein Job und gera­de in die­sem Fall darf nichts vom Vati­kan nach aussen kommen…
    „Fran­zis­kus“ ist natür­lich nicht gelassen:
    Berg­o­glio war noch nie gelas­sen: hyper­dy­na­misch, ja, teils wild hin und her lau­fend und sprin­gend; und dann auch wie­der sehr ady­nam und sehr schlecht in die Gän­ge kommend.
    Dabei mit gro­ßen Schwan­kun­gen im Tagesverlauf.
    Wie all­ge­mein bekannt schon in den 70er Jah­ren in psych­ia­tri­scher Behandlung.
    Das Video vom Rück­flug von Irland zeigt es sehr deutlich:
    wenn die Fra­ge betr. Vig­a­no und der Reha­bi­li­tie­rung v. McCarrck gestellt wird, sieht man sehr gut wie unsi­cher Berg­o­glio wird: die Augen gehen schnell von links nach rechts und viceversa,er sucht ver­zwei­felt nach einer hil­fe­bie­ten­den Per­son, und kramt dann Unsinn aus: daß er lie­ber über die Irland­rei­se spre­chen möch­te (da kennt er sich aus), daß er nicht über Details spre­chen will, und daß man den Text lesen soll und sich selbst ein Urteil bil­den soll.
    Jetzt ist der Text von Erz­bis­hof Vig­a­no klar und deut­lich; der Text (Verbum/​Logos) spricht tat­säch­lich für sich und ist, im Gegen­satz zu den wir­ren Aus­sa­gen und Undeut­lich­kei­ten von Berg­o­glio, auch eindeutig.
    Berg­o­glio scheint die Situa­ti­on nicht rich­tig ein­schät­zen zu können:
    er wird kon­fron­tiert mit sei­nen eige­nen Taten, die nun in der Miß­brauchs­wel­le als äusserst unpas­send ange­se­hen werden;
    Berg­o­glio will immer alles diri­gie­ren und am Bestem von allen geliebt und anson­sten gefürch­tet wer­den- und jetzt ist die Situa­ti­on umge­kehrt: er wird gejagt und steht mit dem Rücken zur Wand.
    Mit sei­ner Ver­rückt­heit ist er inzwi­schen für die Links­gut­mensch- und Homo­lob­by und die New Age-Bewe­gung eine Ballast.
    Erste Abkopp­lungs­ten­den­zen bei katho​lisch​.de und in der Pre­digt von Kard. DeKesel heu­te nach­mit­tag (02.09.2018 15:00) bei der Bischofs­wei­he in Mechelen (Koen­raad Van Hout­te, lang­jäh­ri­ge rech­te Hand von VanG­he­lu­we und lang­jäh­ri­ger Direk­tor des Groß­se­mi­nars von Brüg­ge (über 20 Jah­ren Brut­stät­te von Homo- und Pädo­phi­len, aber VVan­Hout­te hat nie etwas bemerkt 🙁 ))
    Die „Gelas­sen­heit“ ist dann wohl Para­ly­se; und ein­ge­kes­sel­te Trup­pen unter Artil­le­rie­be­schuß sind wirk­lich „bit­ter“ und „unru­hig“: man hat nur ein Men­schen­le­ben und in Todes/​Verletzungsgefahr befin­det sich kein Mensch gerne.

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