Kollektives Bild der Inquisition ist eine Fake News


Inquisition
Anna Foa beklagt das Zerrbild der Inquisition, das sich im kollektiven Gedächtnis festgesetzt hat.

(Rom) Die Histo­ri­ke­rin Anna Foa, ehe­ma­li­ge Assi­stenz-Pro­fes­so­rin für Geschich­te der Neu­zeit an der römi­schen Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za, mel­de­te sich jüngst in den Medi­en zum The­ma Inqui­si­ti­on zu Wort, unter ande­rem mit dem Auf­satz „Inqui­si­ti­on ohne Mon­ster“ in der Wirt­schafts­ta­ges­zei­tung Il Sole 24 Ore. Anlaß war eine Histo­ri­ker­ta­gung zur Öff­nung des Vati­ka­ni­schen Geheim­ar­chivs vor 20 Jahren.

Anzei­ge

Foa erin­ner­te dar­an, daß der neue­ste For­schungs­stand alle „schwar­zen Legen­den“ zur Hei­li­gen Inqui­si­ti­on wider­legt. Die zahl­rei­chen Anschul­di­gun­gen gegen die Inqui­si­ti­on sei­en zwar in das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis ein­ge­gan­gen, aller­dings erst in jün­ge­rer Zeit. Mit der histo­ri­schen Wirk­lich­keit hät­ten sie wenig zu tun.

Bei den Ankla­gen, die im Zusam­men­hang mit der Inqui­si­ti­on gegen die Kir­che vor­ge­bracht wer­den, hand­le es sich um ech­te „Fake News“. Das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis, das offen­sicht­lich eine sehr kla­re Vor­stel­lung des­sen habe, was die Inqui­si­ti­on war, gehe nicht auf ein direk­tes Wis­sen zurück, son­dern sei ein anti­ka­tho­li­sches Kon­strukt, des­sen Ursprün­ge im 18. Jahr­hun­dert zu suchen sind. Vie­le Sei­ten haben an dem Zerr­bild mitgearbeitet.

Das Pro­blem, so Foa, sei wie bei zahl­rei­chen Fake News, daß fal­sche Behaup­tun­gen „lau­ter“ sein kön­nen als die Wahr­heit. Das habe vor allem damit zu tun, wer die Mei­nungs­bil­dung kon­trol­liert, aber auch damit, daß man­che Fake News geglaubt wer­den wollen.

„Lei­den­schaf­ten und Vor­ur­tei­le“ sei­en, so Foa bedau­ernd, „eine Mythen-Fabrik“, die sich selbst zu näh­ren scheint.

So sei es auch im Zusam­men­hang mit der Inqui­si­ti­on und der Kir­che. Die histo­ri­schen Fak­ten sei­en inzwi­schen bekannt und erforscht, doch die fal­schen Ste­reo­ty­pe in den Köp­fen der Leu­te sei­en stär­ker. Die histo­ri­sche Wirk­lich­keit sei davon so ver­schie­den, daß sie nicht nur jede Form von Sen­sa­ti­ons­gier ersticken wür­de, son­dern aus Lie­be zur Wahr­heit und aus intel­lek­tu­el­ler Red­lich­keit nach einer grund­le­gen­den Revi­si­on des bis­he­ri­gen Geschichts­bil­des verlangt.

Es sei ange­bracht und drin­gend gebo­ten, so Foa, das Aus­maß der Ankla­gen gegen die Kir­che und ihre Ver­ur­tei­lung zu revi­die­ren. Vor allem aber sei bei der tat­säch­li­chen Rol­le der Inqui­si­ti­on zwi­schen wirk­li­cher und ver­meint­li­cher Ver­fol­gung zu unterscheiden.

Zwi­schen wis­sen­schaft­li­cher Gewiß­heit und „Volks­mei­nung“ lie­ge beim The­ma Inqui­si­ti­on ein gigan­ti­scher Abgrund. Inter­net habe bis­her kei­ne Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on gebracht. Viel­mehr wer­de im welt­wei­ten Netz das ver­brei­te­te Zerr­bild viel­fach wei­ter­ver­brei­tet. Es sei ent­mu­ti­gend, zu sehen, so Foa, wie wahr­heits­re­si­stent vie­le Men­schen gegen die in ihren Köp­fen ein­ge­pflanz­te Fake News Inqui­si­ti­on sei­en. Es erwei­se sich als sehr schwie­rig, abso­lut halt­lo­se, aber ver­fe­stig­te Vor­ur­tei­le auf­zu­bre­chen. Lei­der tue sich die Wahr­heit schwer, sich einen Weg zu bah­nen, wäh­rend Fake News immer neue und rasche Ver­brei­tung finden.

Anna Foa, pro­mo­vier­te 1968 mit Aus­zeich­nung an der Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za, an der sie spä­ter selbst lehr­te. Sie ist eine Uren­ke­lin des anti­zio­ni­sti­schen Ober­rab­bi­ners von Turin, Giu­sep­pe Foa (1840–1917) und Toch­ter eines Grün­der­va­ters des demo­kra­ti­schen Nach­kriegs­ita­li­ens, des links­ra­di­ka­len, athe­isti­schen Par­tei­vor­sit­zen­den und Par­la­ments­ab­ge­ord­ne­ten Vitto­rio Foa (1910–2008).[1]Der Jurist war wäh­rend des Faschis­mus über­zeug­ter Libe­ra­ler und wur­de des­halb 1936 in Ita­li­en zu 15 Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt. Nach dem Sturz Mus­so­li­nis 1943 aus der Haft ent­las­sen, schloß er … Con­ti­n­ue rea­ding
Sei­ne Toch­ter Anna Foa fand zu ihrem jüdi­schen Glau­ben zurück. Zuletzt war sie Gast­pro­fes­so­rin an der Hebrew Uni­ver­si­ty in Jerusalem.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: You­tube (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email

-

-
1 Der Jurist war wäh­rend des Faschis­mus über­zeug­ter Libe­ra­ler und wur­de des­halb 1936 in Ita­li­en zu 15 Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt. Nach dem Sturz Mus­so­li­nis 1943 aus der Haft ent­las­sen, schloß er sich der Par­ti­sa­nen­be­we­gung an. 1946 wur­de er für die Akti­ons­par­tei Abge­ord­ne­ter der ver­fas­sungs­ge­ben­den Ver­samm­lung, dann vie­le Jah­re Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Sozia­li­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (PSI) in der Abge­ord­ne­ten­kam­mer und Gene­ral­se­kre­tär der kom­mu­ni­stisch-sozia­li­sti­schen Gewerk­schaft CGIL. 1964 ver­ließ er den PSI und wur­de Grün­der und Vor­sit­zen­der der lin­ken Abspal­tung Sozia­li­sti­sche Par­tei Ita­li­ens der Pro­le­ta­ri­schen Ein­heit (PSIUP). 1968 ver­lor er sein Par­la­ments­man­dat. Er saß im Vor­stand der kom­mu­ni­sti­schen Tages­zei­tung Il Mani­festo und gehör­te in den fol­gen­den Jah­ren einer Rei­he sek­tie­re­ri­scher, links­extre­mer und revo­lu­tio­nä­rer Par­tei­en links von der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (KPI) an. 1980 zog er sich kurz­zei­tig aus der Poli­tik zurück und wur­de Pro­fes­sor für Zeit­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Mode­na und der Uni­ver­si­tät Turin. 1987 wur­de er als Unab­hän­gi­ger auf der Liste des Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (KPI) in den Senat gewählt. 2007 nahm er an der Grün­dung der lin­ken Demo­kra­ti­schen Par­tei (PD) teil, die bis vor weni­gen Tagen in Ita­li­en regierte.
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!