„Schmerz und Schande“, aber keine Entscheidung


"Schmerz und Schande" empfindet Papst Franziskus, nachdem er den Scicluna-Bericht zum Fall Barros gelesen hatte. Eine Entscheidung in der Sache steht weiterhin aus.
"Schmerz und Schande" empfindet Papst Franziskus, nachdem er den Scicluna-Bericht zum Fall Barros gelesen hatte. Eine Entscheidung in der Sache steht weiterhin aus.

„‚Schmerz und Schan­de‘ emp­fand der Papst, als er die Zeug­nis­se über schwe­ren sexu­el­len Miß­brauch und Miß­brauch des Gewis­sens und der Macht in Chi­le hörte.“

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Mit die­sen Wor­ten zitier­te die gestern ver­öf­fent­lich­te Pres­se­er­klä­rung der Chi­le­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz das Schrei­ben von Papst Fran­zis­kus an die chi­le­ni­schen Bischö­fe. Es trägt das Datum vom 8. April und wur­de eben­falls gestern vom Pres­se­amt des Vati­kans veröffentlicht.

„Verleumdungen“ werde zur „Schande“

Mit dem Brief reagier­te Papst Fran­zis­kus auf den Bericht sei­nes Son­der­ge­sand­ten, Erz­bi­schof Charles Sci­clu­na, der zahl­rei­che Opfer von Fer­nan­do Kara­di­ma und Kri­ti­ker von Bischof Juan Bar­ros Madrid gehört hat­te. Er leg­te dem Kir­chen­ober­haupt ein Dos­sier von 2.300 Sei­ten vor, das 64 Zeu­gen­aus­sa­gen enthält.

Was Fran­zis­kus nun „Schmerz und Schan­de“ nennt, bezeich­ne­te er im Janu­ar, wäh­rend sei­nes Chi­le-Besu­ches und auf dem Rück­flug nach Rom, noch als „Ver­leum­dun­gen“, die er Kara­di­ma-Opfern und einer Lai­en­grup­pe des Bis­tums Osor­no unter­stell­te, die gegen die Ernen­nung von Bischof Bar­ros protestierten.

Anfang 2015 hat­te Papst Fran­zis­kus Msgr. Bar­ros, einen Kara­di­ma-Zög­ling, zum Bischof von Osor­no ernannt, obwohl ihn Stim­men davor warn­ten. Die­se Stim­men kamen auch aus der Chi­le­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Papst Fran­zis­kus wei­ger­te sich jedoch drei Jah­re lang, die Kri­ti­ker über­haupt anzu­hö­ren. Als er von chi­le­ni­schen Gläu­bi­gen zufäl­lig am Ran­de einer Gene­ral­au­di­enz ange­spro­chen wur­de, die ihm ihre Beden­ken klag­ten, warn­te er sie, sich nicht von irgend­wel­chen Links­grup­pen instru­men­ta­li­sie­ren zu las­sen. Auf ihre Sor­gen ging das Kir­chen­ober­haupt nicht ein.

Internationale Kritik wendet das Blatt

Erst als gegen Ende sei­nes Latein­ame­ri­ka-Besu­ches vom Janu­ar die Kri­tik an sei­nem Ver­hal­ten auch inter­na­tio­nal hör­bar wur­de, zog Fran­zis­kus die Hand­brem­se. Den Anstoß gab deut­li­che Kri­tik von Kar­di­nal Sean Patrick O’Malley, dem Vor­sit­zen­der der Päpst­li­chen Kin­der­schutz­kom­mis­si­on. Dem Kar­di­nal, bestens mit dem Fall Bar­ros ver­traut, platz­te offen­sicht­lich der Kra­gen, als er die Ver­leum­dungs­vor­wür­fe des Pap­stes hörte.

Über­eif­ri­ge Par­tei­gän­ger Berg­o­gli­os ver­such­ten zunächst sogar den Kar­di­nal zu dis­kre­di­tie­ren. Nach­dem auch inter­na­tio­na­le Pres­se­agen­tu­ren und die New York Times die Kri­tik auf­grif­fen, nahm Fran­zis­kus eine Kurs­kor­rek­tur vor und ernann­te den Erz­bi­schof von Mal­ta, Charles Sci­clu­na, zum Son­der­ge­sand­ten. Sci­clu­na soll­te tun, was Fran­zis­kus sich drei Jah­re gewei­gert hat­te: Er soll­te jene anhö­ren, die etwas zur Ange­le­gen­heit zu sagen haben. Mit die­ser gewun­de­nen For­mu­lie­rung woll­te man es ver­mei­den, von „Opfern“ zu spre­chen. Anfang Febru­ar leg­te ein Spre­cher der Kara­di­ma-Opfer die Bele­ge vor, daß Papst Fran­zis­kus zum Fall Bar­ros infor­miert war, aber den­noch die Opfer attackierte.

Der Sci­clu­na-Bericht löste bei Fran­zis­kus „Schmerz und Schan­de“ aus, wie er den chi­le­ni­schen Bischö­fen nun schrieb. Auf den Fall Bar­ros, um den sich alles dreht, ging er in sei­nem Schrei­ben aller­dings nicht ein. Er kün­dig­te viel­mehr an, die chi­le­ni­schen Bischö­fe nach Rom ein­la­den zu wol­len, um mit ihnen zu sprechen.

„Ich habe an die­ses Tref­fen als einen brü­der­li­chen Moment gedacht, ohne Vor­be­hal­te und vor­ge­faß­te Idee“. Ziel sei es, „soweit als mög­lich den Skan­dal wie­der­gut­zu­ma­chen und die Gerech­tig­keit wiederherzustellen“.

Keine Entscheidung im Fall Barros

Papst Fran­zis­kus spricht zwar von „mei­nen Schluß­fol­ge­run­gen“, sagt aber nicht, wor­in die­se bestehen. Sein Schrei­ben von sechs Sei­ten an die Bischö­fe erlaubt kei­ne Schluß­fol­ge­run­gen über das wei­te­re Schick­sal von Bischof Bar­ros. Dazu wird die Begeg­nung zwi­schen Papst und Bischö­fe in Rom abzu­war­ten sein. Das deu­tet dar­auf hin, daß Fran­zis­kus auch wei­ter­hin an Bar­ros fest­hal­ten will.

Zwei Rück­tritts­ge­su­che von Bar­ros lehn­te Fran­zis­kus bereits ab. Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag berich­te­te die chi­le­ni­sche Tages­zei­tung La Ter­cera, daß Sci­clu­na ein drit­tes Rück­tritts­ge­such mit nach Rom gebracht habe. Bar­ros bestrei­tet des­sen Exi­stenz, wäh­rend es von drit­ter Sei­te bestä­tigt wurde.

Seit Sci­clu­na das Schrei­ben von Bar­ros an Fran­zis­kus über­ge­ben habe, sind laut La Ter­cera drei Wochen ver­gan­gen, ohne daß eine Ent­schei­dung gefal­len ist. Vor­erst wird auch kei­ne fal­len, denn bis zum Tref­fen mit den chi­le­ni­schen Bischö­fen, zu dem Fran­zis­kus ein­la­den will, wird noch etwas Zeit vergehen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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1 Kommentar

  1. In den letz­ten 50 Jah­ren wur­den die Ver­än­de­run­gen in der poli­ti­schen und auch kirch­li­chen Situa­ti­on im Nach­bar­land sowohl in Argen­ti­ni­en als in Chi­le auf­merk­sam beobachtet.
    Berg­o­glio lei­ste­te den Anfang sei­nes Stu­di­ums als Novi­ze in Chi­le ab. Bei den gro­ßen Tri­bu­la­tio­nen in bei­den Län­dern (Befrei­ungs­theo­lo­gie, Kom­mu­ni­sti­sches Regime unter Allen­de in Chi­le, Ope­ra­ti­on Con­dor, Rück­kehr von Peron nach Argen­ti­ni­en, Mili­tär­re­vol­te iChi­le unter Admi­ral Pino­chet, Mili­tär­jun­ta in Argen­ti­ni­en, Falk­land­krieg, Argen­ti­nisch-Chi­le­nisch Grenz­kon­klikt („Ope­ra­ci­on Sobra­ni­dad“), öko­no­mi­scher Auf­schwung in Chi­le, wirt­schaft­li­che Zer­rüt­tung Argen­ti­ni­ens, Kol­la­bo­rie­rung des Kle­rus mit den Macht­ha­bern in diver­ser Prä­gung) kann es als sicher gel­ten, daß sehr viel Infor­ma­ti­on bei de Geheim­dien­sten und eben auch in den Diö­ze­san­ver­wal­tun­gen vor­han­den ist.
    Gera­de von Berg­o­glio ist bekannt, daß er kei­ne wei­ße Weste hat. In die­sen Umstän­den kann Berg­o­lio nichts ande­res als auf Zeit spielen.

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