(Rom) Die Anrufung Roms durch sieben deutsche Bischöfe zeigt zunächst zwei Dinge: der Dachstuhl in Deutschlands Kirche brennt lichterloh, die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) denkt nicht so einheitlich, wie es gerne vermittelt wird. Und sie zeigt noch etwas: Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland noch sieben katholische Bischöfe.
Sieben Bischöfe haben sich an Rom gewandt, um die Interkommunion mit den Protestanten zu verhindern. Dies bedeutet, daß die Mehrheit der Bischofskonferenz und ihr Vorsitzender ebendiese umsetzen will.
Vorsitzender der DBK ist Reinhard Kardinal Marx, der Erzbischof von München-Freising, der 2015 im arroganten Ton ein „Emanzipationsprogramm“ der DBK verkündete, indem er erklärte, „Wir sind keine Filiale von Rom“.
Derselbe Kardinal Marx bezeichnete 2016 Martin Luther als „bombastische Gestalt“ und widersprach mit keinem Wort, als der Bayerische Rundfunk vor kurzem ihm den Wunsch nach „Homo-Segnungen“ in den Mund legte.
Kardinal Marx steht auch für eine Anerkennung von Scheidung und Zweitehe (Drittehe). Natürlich mit den Einschränkungen, wie sie sich in einigen „Richtlinien“ zur Umsetzung des umstrittenen nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia finden. Noch! Die Richtung ist aber illusionslos vorgezeichnet. Das Modell, an dem sich Kirchenvertreter wie Marx orientieren, ist der liberale Protestantismus. Die Gesellschaft verändere sich, angetrieben von welchen Kräften auch immer, ob christlich oder nicht, und die Kirche habe diese „Zeichen der Zeit“ zu erkennen, zu akzeptieren und zu integrieren.
Im Ausland werden Deutschlands Bischöfe wegen der üppigen Kirchensteuer gelegentlich als Simonisten bezeichnet. Das kirchliche Leben verdunste, während die Kirchensteuereinnahmen von Rekord zu Rekord eilen. Der Eindruck sei, der Erhalt dieser Einnahmen das oberste Ziel der Bischofskonferenz, und ihr Anpassungskurs dadurch motiviert. Das, so der Vorwurf, sei eine moderne Form von Simonie.
Aufstand der Aufrechten
Am 20. Februar 2018 hatte die Bischofskonferenz mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen, im Widerspruch zu grundlegenden Teilen der kirchlichen Lehre, die Interkommunion mit den Protestanten anzustreben. Konkret geht es (vorerst) um die Gewährung der Kommunion an den protestantischen Ehepartner eines Katholiken.
Eine Minderheit von sieben Bischöfen ist nicht bereit, diesen häretischen Bruch mitzumachen und hat ihren Widerspruch formalisiert. Protestantische Gemeinschaften sind schließlich nicht nur Schismatiker. Zumindest hat es die Kirche seit 500 Jahren so gelehrt.
Die sieben Bischöfe haben sich mit einem drei Seiten langen Papier an den Vatikan gewandt und um Klärung dogmatischer und kanonischer Fragen gebeten. Das Schreiben richtet sich an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Luis Ladaria Ferrrer SJ, sowie an den Vorsitzenden des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch.
Unterzeichnet ist das Schreiben von Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln, Erzbischof Ludwig Schick von Bamberg, Bischof Konrad Zdarsa von Augsburg, Bischof Gregor Maria Hanke von Eichstätt, Bischof Wolfgang Ipolt von Görlitz, Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg und Bischof Stefan Oster von Passau.
In der Kritik steht eine Sachfrage, aber auch eine Person, Kardinal Marx, der machtbewußte Anführer eines Zeitgeistkatholizismus, der sich – wenn auch anders als Kardinal Kasper – auf seine Weise auch als eine Art Schrittmacher des derzeitigen Pontifikats sieht. Der Großteil der Bischöfe, die sich auflehnen, stammen nicht von ungefähr aus Bayern, wo auch Marx residiert.
Apropos „Zeitgeistkatholizismus“: Auf wessen Seite die deutschen Medien stehen, ist an ihren Schlagzeilen unschwer ablesbar.
Was bedeutet das Minderheiten-Schreiben an Rom? In der Kirche tut sich unter diesem Pontifikat, dem Kardinal Marx sich betont nahe fühlt, eine weitere Front auf und immer öfter taucht die Gefahr eines Schismas am Horizont auf.
Der spanische, katholische Kolumnist Francisco Fernandez de la Cigoña schrieb mit nüchternem Staunen:
„Deutschland hat noch sieben katholische Bischöfe“.
Was ist von Rom zu erwarten?
Ist Marxens Vorstoß zur Interkommunion nicht eine direkte und „logische“ Folge der „Luthermania“, die Papst Franziskus im Reformationsgedenkjahr vollzog (siehe eine Chronologie 2013–2016)? Seine Entschuldigungen, Verneigungen und irrigen Lobhudeleien („Luther hatte recht“) konnten nicht ohne Folgen bleiben. Jemand mußte es ernstnehmen. Wer, wenn nicht die seit Jahrhunderten in Glaubensfragen durch Luther gespaltenen Deutschen?
Franziskus erklärte mehrfach, „Prozesse anstoßen“ zu wollen. Genau das ist mit dem DBK-Beschluß vom 20. Februar geschehen.
Hatte zudem nicht Papst Franziskus auf eben diese Frage: „Wann können verschiedenkonfessionelle Eheleute gemeinsam die Kommunion empfangen“, die ihm von einer Lutheranerin im November 2015 in der lutherischen Christuskirche von Rom gestellt wurde, mit einem verklausulierten „Nein, Jein, Ja“ geantwortet?
Und wurde nicht im Januar 2016 nach einer Audienz bei Papst Franziskus den Lutheranern, die zu einer finnischen Delegation gehörten, einschließlich eines lutherischen Bischofs, im Petersdom die Kommunion gespendet?
Was also ist von Rom zu erwarten?
Präfekt der Glaubenskongregation ist nicht mehr Gerhard Kardinal Müller, dessen Entlassung durch Papst Franziskus im Palais Holnstein, der Münchner Residenz von Kardinal Marx, nicht ohne Genugtuung aufgenommen worden sein soll.
Pessimistisch zeigt sich Fernandez de la Cigoña, über das, was von Kurienerzbischof Ladaria und Kardinal Koch zu erwarten sei:
„Ich fürchte, sie werden der üblichen vatikanischen Linie folgen: über das zu sprechen, was sie nicht sollten und über das zu schweigen, was sie sagen sollten“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Kirche-und-leben.de/Vatican.va (Screenshots)