Sex, Drogen, Aids


Studentenproteste 1968
Studentenproteste 1968

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(Rom) 2018 ist in viel­fa­cher Hin­sicht ein Gedenk­jahr. Gleich in zwei­fa­cher Hin­sicht ist es ein mar­xi­sti­sches Gedenk­jahr und wird im Bereich des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks eif­rig gefei­ert. Vor 200 Jah­ren wur­de Karl Marx gebo­ren und vor 50 Jah­ren signa­li­sier­te das Jahr 1968 einen neo­mar­xi­sti­schen Paradigmenwechsel.

(Neo)Marxistisches Gedenkjahr 1968–2018

1968 in Mailand
1968 in Mailand

Höch­ste Kir­chen­krei­se such­te seit den 60er Jah­ren eine Annä­he­rung an den unauf­halt­sam auf dem Vor­marsch schei­nen­den Rea­len Sozia­lis­mus. Es geschah, was gese­hen muß­te, die Sowjet­herr­schaft schei­ter­te, doch der Mar­xis­mus ging nicht damit unter. Die Suche nach der „authen­ti­schen“ Umset­zung des Mar­xis­mus in einem Staat ging unver­dros­sen wei­ter. Die ein­zi­ge Adap­tie­rung, die vor­ge­nom­men wur­de, war eine gewis­se Aus­söh­nung mit dem Kapi­ta­lis­mus. Geblie­ben sind Staats­di­ri­gis­mus, Mate­ria­lis­mus und die Ableh­nung des Natur­rechts. Dar­aus ergibt sich eine heu­te nicht weni­ger uner­bitt­li­che Abnei­gung gegen die Kir­che, die Ehe, die Fami­lie, das Lebens­recht wie vor hun­dert oder 150 Jahren.

Neu ist heu­te das Aus­maß der Kum­pa­nei und des ideo­lo­gi­schen Schul­ter­schlus­ses zwi­schen Tei­len der Kir­che und den Mar­xi­sten wel­cher Cou­leur auch immer.

Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster ver­öf­fent­lich­te heu­te die Erin­ne­run­gen eines Bene­dik­ti­ners, um genau zu sein, eines Kamald­u­len­ser-Ere­mi­ten, an das Jahr 1968, das Zeit­ge­nos­sen das Gedächt­nis auf­fri­schen und Nach­ge­bo­re­nen dabei hel­fen kann, jenes Jahr und jene Zeit sowie die Aus­wir­kun­gen für die Kir­che zu veranschaulichen.

Der Teufel im Konvent

von San­dro Magister

Der 50. Jah­res­tag der „Revo­lu­ti­on“ von 1968 wird jeden Tag um neue Erin­ne­run­gen berei­chert. Eini­ge waren bereits bekannt, ande­re nicht wie jene – beein­drucken­de – Erin­ne­rung, die erst­mals von einem Kamald­u­len­ser­mönch, P. Gui­do Inno­cen­zo Gar­ga­no, zu Papier gebracht wur­de, einem geschätz­ten geist­li­chen Lehr­mei­ster und gro­ßen Gelehr­ten der Bibel und der Kir­chen­vä­ter. Er war bereits Pri­or von San Gre­go­rio al Celio, dem Klo­ster, das vom hei­li­gen Gre­gor dem Gro­ßen gegrün­det wurde.

Das Mutterkloster Camaldoli
Das Mut­ter­klo­ster Camaldoli

In einem Buch, das soeben zum 70. Geburts­tag sei­nes Mit­bru­ders im Mönchs­or­den, Gio­van­ni Dal­piaz ver­öf­fent­licht wur­de, der heu­te Pri­or der Ere­mi­ta­ge von San Gior­gio am Gar­da­see, aber auch eine ange­se­he­ner Sozio­lo­ge ist, erin­nert Gar­ga­no dar­an, was in den stür­mi­schen Jah­ren der Nach­kon­zils­zeit und nach 1968 im Kamald­u­len­ser­or­den los war, als der jun­ge Dal­piaz gera­de in das Klo­ster eintrat.

Dal­piaz kam von der Uni­ver­si­tät Tri­ent, dem ideo­lo­gi­schen Hort der 68er-Stu­den­ten­be­we­gung und Kader­schmie­de für den bewaff­ne­ten Ter­ro­ris­mus, von denen eini­ge aus dem katho­li­schen Umfeld kamen, die dann in den Roten Bri­ga­den aktiv wur­den.[1]An der erst 1962 gegrün­de­ten Uni­ver­si­tät ent­stand die erste Fakul­tät für Sozio­lo­gie in Ita­li­en; hier tra­fen die tra­di­tio­nell star­ken Kon­tak­te eines Tei­les der ita­lie­ni­schen Intel­li­genz zu … Con­ti­n­ue rea­ding

Dal­piaz stand sol­chen Stu­di­en­kol­le­gen nahe, trenn­te sich dann aber von ihnen und ent­schied sich für das Mönchs­le­ben. Ange­zo­gen wur­de er vor allem vom Cha­ris­ma des dama­li­gen Gene­ral­obe­ren des kamald­u­len­si­schen Zwei­ges des Bene­dik­ti­ner­or­dens, Bene­det­to Cala­ti, angezogen.

Es ist noch anzu­mer­ken, daß Camal­do­li seit Jahr­zehn­ten ein sehr stark von der katho­li­schen Intel­li­gen­zi­ja fre­quen­tier­tes Zöna­kel war.

Doch auch in Camal­do­li drang der 68er-Geist mit Ell­bo­gen ein, wie P. Gar­ga­no schreibt, der in den frü­hen 60er Jah­ren für die Postu­lan­ten zustän­dig war.

Ihm das Wort.

Erotik, Drogen, Aids. Das 68er Jahr in Camaldoli

von Gui­do Inno­cen­zo Gar­ga­no OSBCam

[…] Zusam­men mit Gian­ni Dal­piaz tra­ten in jenen Jah­ren in Camal­do­li auch jun­ge Män­ner ein, die aus Wel­ten kamen, die extrem ver­schie­den waren von der mei­nen und wahr­schein­lich auch der seinen.

Kamaldulenserkloster
Kamald­u­lens­er­klo­ster

Es han­del­te sich um jun­ge Ita­lie­ner, die kul­tu­rell, aber auch geist­lich aus der Bahn gera­ten waren. Sie gehör­ten zu jenen – und das waren Tau­sen­de in jenen Jah­ren –, die aus Indi­en zurück­kehr­ten, wo sie außer­ge­wöhn­li­che spi­ri­tu­el­le Wege erlebt hat­ten, die ihnen von Gurus des Hin­du­is­mus gezeigt wor­den waren, und die ver­an­laßt wor­den waren, „spi­ri­tu­el­le“ Tech­ni­ken jeder Art aus­zu­pro­bie­ren. Ero­ti­sche Erfah­run­gen und der Kon­sum von mehr oder weni­ger har­ten Dro­gen, deren Opfer dann tra­gi­scher­wei­se vie­le wur­den, waren dabei nicht ausgeklammert.

Camal­do­li zog, dank sei­ner Aus­strah­lung als tau­send­jäh­ri­ger, hei­li­ger Ere­mi­ta­ge, mehr als einen die­ser jun­gen Men­schen an in der Über­zeu­gung, in Camal­do­li das fort­set­zen zu kön­nen, wor­an sie in Indi­en Geschmack gefun­den hatten.

Sie fan­den groß­zü­gi­ge Aufnahme.

Und wir, die wir völ­lig arg­los und uner­fah­ren in die­sen Din­gen waren, lie­ßen es zu – und nicht nur der Unter­fer­tig­te, son­dern auch P. Fran­co Mos­co­ni und P. Ber­nar­di­no Coz­za­ri­ni, die wir in jenen Jah­ren für die Postu­lan­ten und die Novi­zen ver­ant­wort­lich waren, alles unter dem Man­tel von P. Bene­det­to Cala­ti und mit der Zustim­mung von P. Emma­nu­e­le Bar­gel­li­ni, dem Pri­or des Klo­sters von Camal­do­li und künf­ti­gen Nach­fol­ger von Cala­ti als Generaloberen.

Kamaldulenser-Eremit
Kamald­u­len­ser-Ere­mit

Die­se Jun­gen waren meist extrem auf­rich­tig und auf ihre Wei­se sogar groß­zü­gig, aber die vor­an­ge­gan­ge­nen Erfah­run­gen hat­ten fast immer und in jedem von ihnen unaus­lösch­li­che und lei­der auch sehr schwer­wie­gen­de Spu­ren hin­ter­las­sen, die man­chen sogar in den Tod führ­ten – nicht nur in den see­li­schen Tod, son­dern  auch den kör­per­li­chen Tod, indem sie Opfer der begin­nen­den Tra­gö­die namens Aids wur­den. Ande­re waren von der Annah­me gelei­tet, ihre psy­cho­phy­si­schen und psy­che­de­li­schen Erfah­run­gen fort­set­zen zu kön­nen, die sie für magi­sche Hilfs­mit­tel zur völ­li­gen mensch­li­chen Ver­wirk­li­chung hielten.

Sie blie­ben natür­lich nicht in der Gemein­schaft, aber es brauch­te eini­ge Jah­re, damit wir Aus­bil­der, die wir dar­in ganz naiv waren, uns des­sen völ­lig bewußt wur­den und ihnen nahe­leg­ten, das Klo­ster zu verlassen.

Nicht nur ich, aber auch die ande­ren, die für die Aus­bil­dung ver­ant­wort­lich waren, und erst recht P. Bene­det­to Cala­ti wuß­ten nichts von bestimm­ten Din­gen, vor allem wuß­ten wir nichts von den Mecha­nis­men von exter­nen Kom­pli­zen und dem Zusam­men­spiel zwi­schen drin­nen und drau­ßen, das soweit ging, daß eini­ge sich über undenk­ba­re Kanä­le Dro­gen in die Gemein­schaft schmug­geln lie­ßen, dar­un­ter auch har­te Dro­gen wie LSD.

Der jun­ge Gian­ni Dal­piaz ent­schied sich gera­de damals für Camal­do­li, als der Sturm auf sei­nem Höhe­punkt war. Ein Sturm, der der Gesell­schaft, aber auch der kirch­li­chen Gemein­schaft eine saf­ti­ge Rech­nung prä­sen­tie­ren sollte.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo/​Camaldoli/​Napoli Today (Screen­shots)

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1 An der erst 1962 gegrün­de­ten Uni­ver­si­tät ent­stand die erste Fakul­tät für Sozio­lo­gie in Ita­li­en; hier tra­fen die tra­di­tio­nell star­ken Kon­tak­te eines Tei­les der ita­lie­ni­schen Intel­li­genz zu Frank­reich mit den histo­risch engen Kon­tak­ten Tri­ents zum deut­schen Sprach­raum zusam­men. Mehr noch von Nor­den als von Westen sprang der zün­den­de Fun­ke der 68er-Revol­te über, der auch das gären­de sozio­lo­gi­sche Bio­top ent­flam­men und wahr­schein­lich in Ita­li­en mehr Tote for­dern soll­te, als in jedem ande­ren Land, Anm. GN.
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3 Kommentare

  1. Aber,Aids exi­stiert erst ab 1980.Das war dann auch das Ende vie­ler Expe­ri­men­te mit frei­er Lie­be und so.

  2. Nun, das Kon­zil hat mit sei­nem nai­ven Fort­schritts­op­ti­mis­mus die 68er-Bewe­gung inso­weit vor­we­ge­nom­men als mit der mit ihm ein­set­zen­den Auto­sä­ku­la­ri­sie­rung der Kir­che und die Ent­wick­lung der katho­li­schen Reli­gi­on hin zur blo­ßen „Opti­on“ unter vie­len die Men­schen jenen fest Halt ver­lo­ren hat­te, denen sie in der alten Kir­che noch genie­ßen konn­ten. Natür­lich wäre es auch so zu die­sen 68-Umbrü­chen gekom­men. Aber das schlim­me ist nun mal, daß zu die­sem Zeit­punkt die Kon­zils­kir­che die­se Ent­wick­lun­gen ent­we­der offen begrüß­te, teil­wei­se auch rezi­pier­te und die anony­me, damals schwei­gen­de Mehr­heit jeg­li­che Anlei­tung durch die Kir­che ver­lor, sodaß spä­ter­hin die 68er Mino­ri­tät in den fol­gen­den Jah­ren über den Marsch durch sämt­li­che Insti­tu­tio­nen die Revo­lu­ti­on über Gesetz­ge­bung und Erzie­hung imple­men­tie­ren konnten.
    Ich bin sel­ber Jahr­gang 1929 und kann mich noch erin­nern wie vie­le an sich kon­ser­va­ti­ve Gläu­bi­ge jeg­li­che Bin­dung an die Kir­che in die­ser Peri­ode ver­lo­ren, da die Kir­che über­haupt kei­nen Anker in die­sen stür­mi­schen Zei­ten mehr bot. Und das hat sich bis heu­te mit­nich­ten geän­dert, bedenkt man den unauf­halt­sa­men Mas­sen­ex­odus aus der Amtskirche.

  3. Absurd
    Die Aus­sa­ge „Es geschah, was gese­hen muß­te, die Sowjet­herr­schaft schei­ter­te, doch der Mar­xis­mus ging nicht damit unter. Die Suche nach der „authen­ti­schen“ Umset­zung des Mar­xis­mus in einem Staat ging unver­dros­sen wei­ter. Die ein­zi­ge Adap­tie­rung, die vor­ge­nom­men wur­de, war eine gewis­se Aus­söh­nung mit dem Kapi­ta­lis­mus.“ ist in sich absurd, denn das Kern­an­lie­gen des Mar­xis­mus war die Kri­tik und die Über­win­dung des Kapi­ta­lis­mus. Mar­xis­mus ohne den Wil­len zur Über­win­dung des Kapi­ta­lis­mus wäre so sinn­wid­rig wie das Chri­sten­tum ohne den Glau­ben an Gott. Heu­te gibt es Lin­ke, auch radi­cale, aber mar­xi­stisch sind sie nicht mehr. Die­se Kräf­te müs­sen aus christ­li­cher Sicht kri­ti­siert wer­den, aber sie als mar­xi­stisch zu bestim­men, ist ein Fehl­ur­teil, das dann auch die not­wen­di­ge Kri­tik entwertet.
    Ein Bespiel möge das ver­an­schau­li­chen: Eine mar­xi­sti­sche Kri­tik ver­ur­teil­te den
    Natio­nal­so­zia­lis­mus (Dimitroff) als Ideo­lo­gie des Kapi­ta­lis­mus, die heu­ti­gen Lin­ken als deut­sches Pro­dukt, sodaß nun nicht mehr eine Kapi­lis­mus­kri­tik berie­ben wird, son­dern man anti­deutsch sein müs­se, um kein Nazi zu sein.
    Des­halb ist man auch gegen die deut­sche Fami­lie und dage­gen, daß Deut­sche Kin­der bekom­men. Es wird jetzt „völ­kisch“ argu­men­tiert mit dem von Natur aus „bösen“ Deut­schen als lin­ke Vari­an­te der Erbsündenlehre.
    Uwe C. Lay
    bekommen.

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