Nun weiß er wirklich alles


Stephen Hawking stellte die „Theorie von Allem“ auf. Nun weiß der dem 14. März verstorbene Wissenschaftler wirklich alles.
Stephen Hawking stellte die „Theorie von Allem“ auf. Nun weiß der dem 14. März verstorbene Wissenschaftler wirklich alles.

Von Mar­co Respinti*

Anzei­ge

Gott ist nur ein Trick: Sein Name sei auf das anzu­wen­den, was er/​es in Wirk­lich­keit sei, das Uni­ver­sum. Das ist das gro­ße Den­ken und letzt­lich auch der gro­ße Betrug von Ste­phen W. Haw­king, den er der Welt auf­tisch­te. Der Astro­phy­si­ker starb am Mitt­woch im Alter von 76 Jah­ren. Sein Trick bestand dar­in, den meta­phy­si­schen Gott durch ein Sur­ro­gat „ent­thront“ zu haben: dem sich selbst erschaf­fen­den Uni­ver­sum. Sein Grand Design, der „gro­ße Ent­wurf“, ent­hüllt dabei eine erschrecken­de Angst, die ihn getrie­ben hat.

Fest steht: Nun weiß der Pro­phet der „Theo­rie von Allem“ wirk­lich alles. Der vor zwei Tagen in Cam­bridge ver­stor­be­ne Ste­phen W. Haw­king wuß­te, wie dumm sei­ne Wor­te waren, die er Mit­te Mai 2011 dem Inter­view­er des Guar­di­an, Ian Sam­ple, sag­te. Den­noch sag­te er sie:

„Ich betrach­te mein Hirn wie einen Com­pu­ter, der zu funk­tio­nie­ren auf­hö­ren wird, wenn es an sei­nen Bestand­tei­le fehlt. Für kaput­te Com­pu­ter gibt es kein Para­dies und kein Leben nach dem Tod. Das ist ein Mär­chen für jene, die Angst vor der Dun­kel­heit haben.“

Wir soll­ten für ihn beten.

Stephen Hawking, der Big Bang und Gott
Ste­phen Haw­king, der Big Bang und Gott

Der Phy­si­ker und Mathe­ma­ti­ker beherrsch­te jahr­zehn­te­lang die Sze­ne einer Wis­sen­schaft, der Astro­phy­sik, die es ohne einen katho­li­schen Prie­ster, den Jesui­ten Ange­lo Sec­chi (1818–1878), gar nicht gäbe. Wäh­rend des ita­lie­ni­schen Risor­gi­men­to wur­de er wegen sei­nes Glau­bens und sei­ner Treue zum Papst ver­spot­tet. Ein katho­li­scher Prie­ster ist der Begrün­der die­ser Wis­sen­schaft, da er als erster mit der Fra­ge der che­misch-phy­si­ka­li­schen Zusam­men­set­zung der Ster­ne befaß­te (so begrün­de­te er zudem die Astro­spek­tro­sko­pie, die Klas­si­fi­zie­rung der Ster­ne und eine Viel­zahl wei­te­rer Dis­zi­pli­nen). Er ahn­te, wie sehr sich die Astro­no­mie mit der phy­si­schen Beschaf­fen­heit der Him­mels­kör­per zu befas­sen habe, um jen­seits der blo­ßen Beob­ach­tung die Eigen­schaf­ten der Ster­ne zu ergrün­den und ihre Mecha­nis­men zu begreifen.

Da Haw­king ein eben­so erklär­ter wie berühm­ter Feind jeg­li­cher teleo­lo­gi­schen und theo­lo­gi­schen Per­spek­ti­ve war  und selbst die gering­ste Mög­lich­keit ablehn­te, daß die Phy­sik des Uni­ver­sums mit einer tran­szen­den­ten Sicht­wei­se ver­ein­bar sei, wur­de er zum Pro­pa­gan­di­sten einer der größ­ten Fake News der west­li­chen Geschich­te: der Unver­ein­bar­keit von Wis­sen­schaft und christ­li­chem Glau­ben, einer aus Pro­pa­gan­da­grün­den von zwei US-Ame­ri­ka­nern am grü­nen Tisch erfun­de­ne Lüge. Dabei han­del­te es sich um den Phy­si­ker John Wil­liam Dra­per (1811–1882), Autor des 1874 erschie­ne­nen Buches Histo­ry of the Con­flict bet­ween Reli­gi­on and Sci­ence, und des Diplo­ma­ten Andrew Dick­son White (1832–1918), Autor der 1896 in zwei Bän­den vor­ge­leg­ten Histo­ry of the War­fa­re of Sci­ence with Theo­lo­gy in Chri­sten­dom. Um ihm per­sön­lich zu bewei­sen, daß das nicht stimmt und der Glau­be nie die Wahr­heit fürch­tet und schon gar nicht einen Anti-Gott wie ihn, wur­de er 1986 in die Päpst­li­che Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten auf­ge­nom­men. Gleich von vier Päp­sten ließ er sich emp­fan­gen und seg­nen: Paul VI. , Johan­nes Paul II., Bene­dikt XVI. und Franziskus.

1942 in Oxford gebo­ren, begann er mit 17 Jah­ren das dor­ti­ge Uni­ver­si­ty Col­lege zu besu­chen. Sei­ne erste Stu­di­en­stu­fe schloß er 1962 in Natur­wis­sen­schaf­ten ab. Anschlie­ßend inskri­bier­te er ein Stu­di­um der Kos­mo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Cam­bridge, wo er 1966 in Ange­wand­ter Mathe­ma­tik und Theo­re­ti­scher Phy­sik pro­mo­vier­te. Nach­dem er an der Sei­te des bekann­ten bri­ti­schen Mathe­ma­ti­kers Roger Pen­ro­se zu den soge­nann­ten Schwar­zen Löchern forsch­te und ab 1970 Gast­pro­fes­sor am Cali­for­nia Insti­tu­te of Tech­no­lo­gy in Pasa­de­na war, erfolg­te 1979 die Beru­fung auf den Luca­si­schen Lehr­stuhl für Mathe­ma­tik an der Uni­ver­si­tät Cam­bridge, wo er 30 Jah­re lang bis 2009 lehr­te. Seit­her war er Lei­ter des dor­ti­gen Insti­tuts für Ange­wand­te Mathe­ma­tik und Theo­re­ti­sche Phy­sik.

Hawking: Eine kurze Geschichte1988 ver­öf­fent­lich­te er sein erstes Buch, popu­lär­wis­sen­schaft­lich gehal­ten, das ihn welt­be­kannt machen soll­te. Es beruh­te auf sei­nen Stu­di­en und vor allem auf sei­nen Hypo­the­sen, die er zwi­schen 1965 und 1970 ent­wickelt hat­te. Der Titel lau­te­te: A Brief Histo­ry of Time: From the Big Bang to Black Holes. Noch im sel­ben Jah­re oder den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren wur­de es in ver­schie­de­ne ande­re Spra­chen über­setzt. Auf deutsch erschien es 1989 unter dem Titel Eine kur­ze Geschich­te der Zeit. Er erhob damit den Anspruch die Geschich­te des Uni­ver­sums im Schnell­durch­lauf zu erzäh­len, vom Big Bang bis zu den Schwar­zen Löchern. Das Buch war ledig­lich eine Ansamm­lung mehr oder wenig geist­rei­cher oder zumin­dest phan­ta­sie­vol­ler Hypo­the­sen. Doch vie­le Men­schen fas­zi­nier­te das. Dafür gibt es völ­lig legi­ti­mes Inter­es­se. Die Men­schen möch­ten sich das Uni­ver­sum und sei­ne Geset­ze erklä­ren las­sen, man­che sogar ger­ne mög­lichst ohne Gott. An Spon­so­ren sei­ner Hypo­the­sen man­gel­te es nicht: auch jene, die Gott und Reli­gi­on schon vor Haw­king ausschlossen.

Mit sei­nem Buch ver­kün­de­te Haw­king den Abschied von jeder meta­phy­si­schen Vor­stel­lung von Gott. Da Gott bei nüch­ter­ner und unvor­ein­ge­nom­me­ner Betrach­tung, auch abseits der reli­giö­sen Fra­ge, die plau­si­bel­ste aller Erklä­run­gen für die Ent­ste­hung von Welt­all, Erde und Mensch ist, stellt sich die Fra­ge, wel­che bes­se­re Erklä­rung Haw­king anzu­bie­ten hat­te. Es gilt der eiser­ne Grund­satz in der Wis­sen­schaft, daß nur eine bes­se­re The­se eine ande­re ver­drän­gen kann. Womit ersetz­te Haw­king also den Schöp­fer­gott? Durch einen Pan-Phy­si­zis­mus, kurz­um, mit der Vor­stel­lung eines all­um­fas­sen­den lebend-glei­chen Kör­pers. Man beach­te: Die­se Hypo­the­se wird all­ge­mein als Grand Uni­fi­ed Theo­ry bezeich­net, als die „gro­ße ver­ein­heit­lich­te Theo­rie“, manch­mal auch „Welt­for­mel“. In Wirk­lich­keit ist der groß­spu­ri­ge Anspruch ein gigan­ti­scher Bluff. Erstens han­delt es sich nicht um eine „Theo­rie“, son­dern ledig­lich um eine Hypo­the­se. Dar­aus wird auch dann kei­ne Theo­rie, weil man sie – wohl nicht ohne irre­füh­ren­den Hin­ter­ge­dan­ken – eine „hypo­the­ti­sche Theo­rie“ nennt. Eine blo­ße Hypo­the­se bleibt es, solan­ge sie nicht gemäß der von Gali­leo Gali­lei (1564–1642) für die Natur­wis­sen­schaf­ten auf­ge­stell­ten, uni­ver­sel­len Wis­sen­schafts­me­tho­de bewie­sen, wie­der­holt und empi­risch bestä­tigt wurde.

Hawking: Der große EntwurfDie­se Hypo­the­se ver­sucht in einer ein­zi­gen Beschrei­bung alle grund­le­gen­den, phy­si­ka­li­schen Kräf­te der Natur, die soge­nann­ten Grund­kräf­te, vor allem die Gra­vi­ta­ti­on zusam­men­zu­füh­ren, zu „ver­ein­heit­li­chen“. Ver­schie­de­ne Model­le wur­den dazu vor­ge­schla­gen, aber es gibt kei­nes, das von der wis­sen­schaft­li­chen Fach­welt all­ge­mein aner­kannt ist. Dazu gehört auch die soge­nann­te „Theo­rie von Allem“, deren über­zeug­ter Anhän­ger Haw­king war.

Für ihn war die „Theo­rie von Allem“, wenn sie erst ein­mal bewie­sen sei, die defi­ni­ti­ve Form sich Gott zu den­ken. Mit ande­ren Wor­ten: Es wäre der abso­lu­te Tri­umph des mensch­li­chen Gei­stes, da er in vol­lem Umfang zum gött­li­chen Geist wür­de, also den gött­li­che Ver­stand aus­fül­len wür­de. Da Gott für Haw­king als per­sön­li­cher Gott nicht exi­stier­te, meint die dann erreich­te Über­ein­stim­mung von gött­li­chem und mensch­li­chem Geist, daß der ein­zi­ge wah­re Gott in Wirk­lich­keit der Mensch sei. Haw­king schließt einer­seits, zumin­dest hypo­the­tisch die Idee von Gott nicht aus, ent­me­ta­phy­siert die Vor­stel­lung dann aber so sehr, daß sie zur höch­sten Fähig­keit des mensch­li­chen Ver­stan­des redu­ziert wird, um dar­aus eine völ­li­ge Über­flüs­sig­keit Got­tes zu dekre­tie­ren. Wel­che Not­wen­dig­keit gäbe es denn für einen Gott, um das Uni­ver­sum zu erklä­ren, wenn sich das Uni­ver­sum durch die „Theo­rie von Allem“ selbst erklärt, also vom Men­schen pro­blem­los gedacht wer­den kann.

Ist der meta­phy­si­sche Gott erst ein­mal tot, betritt die neue Gott­heit die Büh­ne, der pan­phy­si­zi­sti­sche Gott, ein Uni­ver­sum, das sich durch die eige­nen Geset­ze erklärt. Die run­de For­mel die­ser Sicht­wei­se ist in einem ande­ren bekann­ten Buch von Haw­king ent­hal­ten: The Gre­at Design, das er 2010 zusam­men mit dem US-ame­ri­ka­ni­schen Phy­si­ker Leo­nard Mlo­di­now ver­öf­fent­lich­te Auf deutsch erschien es noch im sel­ben Jahr unter dem Titel Der gro­ße Ent­wurf. Eine neue Erklä­rung des Uni­ver­sums. Die Bot­schaft: Gott ist überflüssig.

Wer aber hat dann das Uni­ver­sum erschaffen?

Haw­king und Mlo­di­now gaben die absur­de Ant­wort: Das Uni­ver­sum erschafft sich selbst, ganz spon­tan, auf­grund des Gra­vi­ta­ti­ons­ge­set­zes. Sehr „über­zeu­gend“. Tat­sa­che ist, daß die Gra­vi­ta­ti­on als erste unter allen Grund­kräf­ten gilt, die die „Theo­rie von Allem“ zu ver­ein­heit­li­chen ver­sucht. Die blo­ße Exi­stenz der Gra­vi­ta­ti­on wür­de, so Haw­king, auto­ma­tisch das Sein her­vor­brin­gen, das gan­ze Uni­ver­sum, anson­sten wäre das Nichts. Und woher kommt die Gra­vi­ta­ti­on, die zur Alter­na­ti­ve zum Nichts alles erschafft?

Lennox über Hawking, Universum und GottMit die­ser Fra­ge haben sich die bei­den Wis­sen­schaft­ler nicht befaßt. Sie haben, auch das ein Trick, das Uner­klär­ba­re ledig­lich von einer Stu­fe zu einer ande­ren ver­scho­ben, von einem Punkt zum näch­sten, von A nach B. Wich­ti­ger war ihnen, das ist der Schat­ten, der auf einem ent­schei­den­den Punkt von Haw­kings öffent­li­chem Wir­ken liegt,  ihre Hypo­the­se – wir erin­nern uns, um nichts ande­res han­delt es sich – als Pro­pa­gan­da­in­stru­ment gegen die Reli­gi­on ein­zu­set­zen. Gott sei nur ein „Trick“, um damit zu benen­nen, was eigent­lich das Uni­ver­sum meint. Schöp­fer und Schöp­fung, so Haw­king, sei­en fak­tisch iden­tisch. Der Trick wur­de von Haw­king ange­wandt, um den meta­phy­si­schen Gott zu ent­thro­nen, indem er ihn durch eine, zudem denk­bar unglaub­wür­di­ge Hypo­the­se ersetz­te: das sich selbst aus dem Nichts erschaf­fen­de Universum.

Haw­king wur­de vom nord­iri­schen Mathe­ma­ti­ker John C. Lenn­ox von der Uni­ver­si­tät Oxford mit dem nüch­tern, ent­lar­ven­den Buch God and Ste­phen Haw­king: Who­se Design Is It Any­way? (Lion, Oxford 2011) geant­wor­tet. Die 2011 erschie­ne­ne deut­sche Aus­ga­be heißt: “Ste­phen Haw­king, das Uni­ver­sum und Gott“.

Haw­king bekann­te wie­der­holt und mit Nach­druck, ein Athe­ist zu sein, war aber in Wirk­lich­keit ein Pan­the­ist. The Grand Design, die Sum­me sei­nes Den­kens, beweist es treff­lich. Die­ser „gro­ße Ent­wurf“ läßt eine erschrecken­de Angst erken­nen, näm­lich den inni­gen Bedarf, den Haw­king gera­de­zu nach Gott hat­te. Der Astro­phy­si­ker lehn­te den meta­phy­si­schen Gott ab. Er woll­te sei­ne Exi­stenz nicht akzep­tie­ren und woll­te ihn mit mis­sio­na­ri­schem Eifer auch den ande­ren Men­schen aus­trei­ben. Das tat er, indem er Gott mit einem Dop­pel­gän­ger ersetz­te. Dar­aus muß geschlos­sen wer­den, daß Haw­kings Durst nach Gott so groß war, was er aber in sich bekämpf­te, daß er zum Mit­tel des Betrugs und vor allem des Selbst­be­trugs griff.

Es gibt aber auch einen ande­ren Haw­king. Um genau zu sein, gibt es noch zwei ande­re Hawkings.

Computersimulation eines „Schwarzen Loches“
Com­pu­ter­si­mu­la­ti­on eines „Schwar­zen Loches“

Einer ist die Kory­phäe in Sachen „Schwar­ze Löcher“. Sei­ne Ent­deckun­gen in die­sem Bereich sind zahl­reich. In Ein­steins All­ge­mei­ner Rela­ti­vi­täts­theo­rie ist ein Schwar­zes Loch eine Zeit-Raum-Regi­on (die vier­di­men­sio­na­le Struk­tur des Uni­ver­sums, die Büh­ne, auf der sich die gesam­te phy­si­sche Wirk­lich­keit bewegt), deren Gra­vi­ta­ti­ons­feld so inten­siv ist, daß sich ihr nichts ent­zie­hen kann, nicht ein­mal das Licht. Alles wird hin­ein­ge­zo­gen, aber nichts kann mehr her­aus. Ent­ste­hen sol­len Schwar­ze Löcher durch kol­la­bie­ren­de Sterne.

Tat­sa­che aber ist, daß in Sachen „Schwar­ze Löcher“ viel rei­ne Spe­ku­la­ti­on ist, ein­schließ­lich des­sen, was Haw­king dar­über sag­te. Es gibt aus­rei­chend Wis­sen­schaft­ler, die sagen, daß es über­haupt kei­ne „Schwar­zen Löcher“ gibt. Daß es sich dabei ledig­lich um hypo­the­ti­sche Gedan­ken­spie­le han­delt, die mehr mit der schau­rig-neu­gie­ri­gen Fas­zi­na­ti­on des Men­schen für das Unbe­kann­te zu tun haben als mit der Wirk­lich­keit. So war es im Janu­ar 2014 Haw­king selbst, der die von ihm selbst ver­tre­te­nen „Gewiß­hei­ten“ durch­ein­an­der warf, indem er sogar die Grund­idee ver­warf, daß ein „Schwar­zes Loch“ ein schreck­li­ches Mon­strum in Form eines Brun­nens ohne Boden und ohne Aus­gang sei, das in den tie­fen des Welt­alls laue­re, um alles zu ver­schlin­gen. Wenn aber selbst die Wis­sen­schaft, Haw­king zuvor­derst, nicht ein­mal Genau­es über die­se „Löcher“ weiß, ja nicht ein­mal, ob es sie über­haupt gibt, wor­über sich ein gan­zer Wis­sen­schafts­zweig seit hun­dert Jah­ren inten­siv den Kopf zer­bricht, was soll­te dann die­sel­be Wis­sen­schaft, so es sich im natur­wis­sen­schaft­li­chen Sinn über­haupt um eine sol­che han­delt, über Gott sagen kön­nen. Anders aus­ge­drückt: Mit wel­chem Anspruch könn­te sie die „Über­flüs­sig­keit“ Got­tes behaupten?

Die Hybris des Men­schen hat­te in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten schon etli­che Namen: einer davon ist Ste­phen W. Haw­king. Dar­an ändert nichts, daß ihm man­che für sei­ne Gott-ist-tot-Hypo­the­se eif­rig applau­dier­ten. Die­ser Applaus war in erster Linie ein Zeug­nis für Stolz und Hoch­mut, nicht für wis­sen­schaft­li­che Größe.

Der drit­te Haw­king, von dem die Rede sein soll, war der Mann, dem 1963 eine schreck­li­che, dege­ne­ra­ti­ve Moto­neu­ron-Krank­heit dia­gno­sti­ziert wur­de. Man­che iden­ti­fi­zier­ten sie als Amy­o­tro­phe Late­ral­skle­ro­se (ALS), ande­re nah­men wegen ihrer lan­gen Dau­er viel­mehr eine Progres­si­ven Mus­kel­atro­phie (PMA) an. Haw­king ver­fiel immer mehr zu einem unför­mi­gen Häuf­chen aus Kno­chen, Ner­ven und Fleisch. Sseit 1968 war er an den Roll­stuhl gefes­selt, ab 1980 gelähmt. 1985 ver­lor er durch eine Lun­gen­ent­zün­dung, die ihn fast das Leben koste­te, die Fähig­keit, zu spre­chen. Für die Kom­mu­ni­ka­ti­on benütz­te er einen Sprach­com­pu­ter, womit er es sogar in ein Lied der Musik­grup­pe Pink Floyd brachte.

Stephen Hawking. auch im Vatikan betrauert
Ste­phen Haw­king. auch im Vati­kan betrauert

Einer wie er, mit sol­chen Gebre­chen, soll­te nach der ver­brei­te­ten Logik der Welt, in der wir leben, nicht ein­mal gebo­ren wer­den. Dabei galt er im ver­gan­ge­nen hal­ben Jahr­hun­dert als einer der klüg­sten Köp­fe. Nach­dem man ihm sei­ne Krank­heit dia­gno­sti­ziert hat­te, soll­te einer wie er nach der ver­brei­te­ten Logik der Welt, in der wir leben, sei­nem Leben ein Ende set­zen. Abtrei­bung und Eutha­na­sie sind die erklär­ten Fein­de eines Men­schen wie Ste­phen Haw­king. 1963 hat­te man ihm noch höch­stens zwei Jah­re gege­ben. Er leb­te län­ger, viel län­ger, und er hat sich nicht auf­ge­ge­ben. Hät­te er sich eutha­na­sie­ren las­sen, wie man heu­te Sei­nes­glei­chen ins Ohr säu­selt, hät­te die Welt nie von sei­nem Genie erfah­ren, das sie jahr­zehn­te­lang beju­bel­te. Um genau zu sein liegt dar­in auch Haw­kings gan­zes Dra­ma: mit sei­nem Genie, wenn er sich außer­halb sei­nes enge­ren Fach­be­reichs an Men­schen wand­te, sel­ten das Rich­ti­ge unter­stützt zu haben. So unter­stütz­te er Kam­pa­gnen zur Lega­li­sie­rung der Eutha­na­sie, wähl­te selbst die­sen Weg aber nicht.

2014 erschien ein Kino­film über sein Leben. Regie führ­te James Marsh. Der Titel lau­te­te natür­lich: „Die Theo­rie von Allem“. Er stützt sich auf die Bio­gra­phie Tra­vel­ling to Infi­ni­ty: My Life With Ste­phen, die sei­ne Ex-Frau Jane Wil­de, die Mut­ter sei­ner drei Kin­der geschrie­ben hat­te und 2007 in Buch­form erschie­nen war. Ste­phen und Jane hat­ten 1965 gehei­ra­tet, als ihm bereits sei­ne unheil­ba­re Krank­heit dia­gno­sti­ziert wor­den war. Das war mehr oder weni­ger um die Zeit, als er laut Dia­gno­se ster­ben hät­te müs­sen. Sie lie­ßen sich 1990 schei­den und haben bei­de wie­der gehei­ra­tet. 2006 ließ er sich auch von sei­ner zwei­ten Frau scheiden.

Der Film zeigt die Geschich­te eines Man­nes und eines Wis­sen­schaft­lers, der nicht auf­gibt. Im Film erzählt er auch, wie ihn 1985, als ihn eine Lun­gen­ent­zün­dung zu töten schien, und die Ärz­te schon das Beatmungs­ge­rät abschal­ten woll­ten, das ihn am Leben erhielt, sei­ne Frau Jane am Leben erhielt. Ihr hat die Welt für das imper­ti­nen­te Genie Haw­kings zu dan­ken. Manch­mal kön­nen einen auch Ex-Frau­en ret­ten. Nach der Schei­dung von sei­ner zwei­ten Frau, inten­si­vier­te sich wie­der der Kon­takt zu sei­ner ersten Frau.

Zwi­schen sei­ner „Theo­rie von Allem“ und sei­nem Hun­ger nach Leben, wur­de Haw­king, trotz sei­ner Ableh­nung Got­tes zu einem indi­rek­ten Zeu­gen für das Leben, und letzt­lich sogar, wenn auch wider­spen­stig, für  Gott, ohne den er offen­bar nicht sein konn­te, son­dern ihn bestrei­ten und bekämp­fen und durch einen Dop­pel­gän­ger erset­zen mußte.

*Mar­co Respin­ti, Seni­or Fel­low des Rus­sell Kirk Cen­ter, Michi­gan (USA), Ver­tre­ter des anglo-ame­ri­ka­ni­schen, kon­ser­va­ti­ven Den­kens, Publi­zist, Stu­di­um der Phi­lo­so­phie und der Geschich­te an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Sacro Cuo­re in Mai­land, Autor zahl­rei­cher Bücher dar­un­ter „Hei­den­tum und Chri­sten­tum bei Tol­ki­en. Die bei­den The­sen im Ver­gleich“ (Paga­ne­si­mo e cri­stia­ne­si­mo in Tol­ki­en. Le due tesi a con­fron­to, 2003); „Dar­win vor Gericht“ (Pro­ces­so a Dar­win, 2007).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Vatican News (Screen­shot)

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