Kardinal Piacenza: Chatten im Beichtstuhl ist „angewandter Atheismus“


Beichtvater
Der Beichtvater soll sich am Vorbild des heiligen Johannes Maria Vianney orientieren, aber nicht im Beichtstuhl chatten. Das sei "angewandter Atheismus", so Kardinal Piacenza.

(Rom) Kar­di­nal Pia­cen­za ermahnt die Prie­ster, im Beicht­stuhl nicht zu chat­ten. Den Gebrauch des Mobil­te­le­fons durch einen Beicht­va­ter wäh­rend der Beich­te nann­te der Kar­di­nal „ange­wand­ten Atheismus“.

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Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za war 2010 von Papst Bene­dikt XVI. zum Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on ernannt wor­den. Damit kor­ri­gier­te das dama­li­ge Kir­chen­ober­haupt die vier Jah­re zuvor erfolg­te Ernen­nung von Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes. Seit 2013 ist Pia­cen­za Groß­pö­ni­ten­ti­ar am Gna­den­ge­richts­hof des Hei­li­gen Stuhls, und damit direkt mit dem Beicht­sa­kra­ment befaßt.

„Die Beich­te ist ein Hören Got­tes und eine Begeg­nung mit Gott, des­halb geht man nicht mit einem ein­ge­schal­te­ten Han­dy in den Beichtstuhl.“

Nur Christentum weiß „zwischen Irrtum und Irrendem zu unterscheiden“

Der Beicht­va­ter habe sich „Chri­stus gleich“ zu machen. Er sei geru­fen, „die Frei­heit des Büßers zu lie­ben, sie zu respek­tie­ren, auch wenn die Ent­schei­dun­gen, die die­ser im Ver­gleich zu den emp­fan­ge­nen Gna­den und dem zurück­ge­leg­ten Weg trifft, weder ver­nünf­tig noch ver­hält­nis­mä­ßig erscheinen.“

Der Kar­di­nal weiter:

„Die Ent­schei­dun­gen des Büßers zu respek­tie­ren, heißt aber nicht, sie zu gut­zu­hei­ßen oder zu ‚seg­nen‘. Es ist ein gro­ßer Irr­tum unse­rer Zeit, daß erwar­tet wird, die Abir­run­gen nicht nur zu respek­tie­ren, son­dern sogar gut­ge­hei­ßen und zu seg­nen, und daß sich nie­mand sich erlau­ben sol­le, zu wider­spre­chen und wenig­stens die Exi­stenz einer rea­len und mög­li­chen Alter­na­ti­ve aufzuzeigen.“

Kardinal Piacenza
Kar­di­nal Piacenza

Genau die­se Auf­ga­be kom­me aber der Chri­sten­heit zu und beson­ders den Beichtvätern.

„Nur das Chri­sten­tum kann noch auf ange­mes­se­ne Wei­se, aus Lie­be, den Irr­tum vom Irren­den unterscheiden.“

Dies sag­te der Kar­di­nal gestern bei sei­ner Lec­tio magi­stra­lis, mit der er im Palaz­zo del­la Can­cel­le­ria den 29. Lehr­gang der Apo­sto­li­schen Pöni­ten­tia­rie über das Forum inter­num eröff­ne­te. Der Lehr­gang dient der Aus­bil­dung von Neu­prie­stern für ihre Auf­ga­be als Beicht­vä­ter, aber auch von Dia­ko­nen und Semi­na­ri­sten, die sich auf das Prie­ster­tum vorbereiten.

Bei die­ser Gele­gen­heit sprach der Kar­di­nal auch eine ern­ste Mah­nung aus. Er tadelte

„Beicht­vä­ter, die gese­hen wur­den, wie sie im Beicht­stuhl auf Sozia­len Netz­wer­ken gechat­tet haben, wäh­rend Büßer ihnen ihre Sün­den beichteten“.

Das sei eine „schwer­wie­gen­de Sache“, eine Form des „ange­wand­ten Athe­is­mus“, so der Groß­pö­ni­ten­ti­ar. Ein sol­ches Ver­hal­ten ver­ra­te näm­lich einen „schwa­chen Glau­ben des Beicht­va­ters in das über­na­tür­li­che Gna­de­n­er­eig­nis“, das gera­de stattfinde.

Der heilige Johannes Maria Vianney als Vorbild der Beichtväter

Kar­di­nal Pia­cen­za stell­te dem das Bei­spiel des hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney, des Pfar­rers von Ars, gegen­über. Ihn nann­te er „einen gro­ßen und vor­bild­li­chen Beicht­va­ter“. Sei­nem Bei­spiel hät­ten die Prie­ster im Beicht­stuhl zu fol­gen. Zugleich zitier­te er den Hei­li­gen auch mit einer zen­tra­len Aus­sa­ge für den Beichtvater:

„Gott ver­gibt uns, auch wenn er weiß, daß wir wie­der sündigen“.

Das bedeu­te nicht, „die Sün­de zu recht­fer­ti­gen“. Die­se „ein­fa­che, aber tie­fe Erkennt­nis“ kom­me aus der „rea­li­sti­schen Fest­stel­lung der mensch­li­chen Schwä­che durch die Wun­de der Erb­sün­de“. Die­se wir­ke sich auch auf „die höhe­ren Fähig­kei­ten des Men­schen“ aus wie die Intel­li­genz, „die nicht immer das Wah­re erkennt“, wie die Frei­heit, „die nicht immer das Gute wählt“, und wie der Wil­le, „der nicht immer das Gute tut“.

Der Groß­pö­ni­ten­ti­ar sprach mit Blick auf die Jugend­syn­ode im kom­men­den Okto­ber über das The­ma „Die Beich­te und die Unter­schei­dung der Berufung“.

„Der Beicht­va­ter hat jedem Pöni­ten­ten mit der Lie­be Chri­sti zu begegnen.“

Das gel­te „mit beson­de­rer Auf­merk­sam­keit, wenn sie jung sind“ und ihre Hoff­nun­gen und Wün­sche, aber auch unrei­fen und angst­vol­len Anlie­gen brin­gen. Auch wenn sie mit „unan­ge­mes­se­nen Wor­ten“, die manch­mal ver­zerrt oder anma­ßend sei­en, in den Beicht­stuhl kämen, lie­ge es an der „Weis­heit des Beicht­va­ters“, selbst dar­in „das Echo des Wun­sches“ her­aus­hö­ren zu kön­nen, den jeder Mensch nach Glück und Voll­endung habe.

Der Pfarrer von Ars und der Boykott von Kardinal Hummes

Kar­di­nal Pia­cen­za stand dem Ver­ständ­nis von Kir­che und sakra­men­ta­lem Prie­ster­tum von Bene­dikt XVI. viel näher als Kar­di­nal Hum­mes. Ent­spre­chend bemüh­te sich der Pur­pur­trä­ger, der 1969 von Kar­di­nal Giu­sep­pe Siri zum Prie­ster geweiht wor­den war, die Hei­lig­keit des Prie­ster­tums zu beto­nen und des­sen Wie­der­ent­deckung durch das gläu­bi­ge Volk, aber auch im Kle­ri­ker­stand zu för­dern. 2011 mahn­te er, daß Prie­ster, die sich bis zur Unkennt­lich­keit tar­nen, den Men­schen nichts nützen.

Eucharistische Anbetung am 11. Juni 2010
Eucha­ri­sti­sche Anbe­tung auf dem Peters­platz am 11. Juni 2010

Sei­ne Amts­zeit an der Spit­ze der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on dau­er­te kei­ne drei Jah­re. Er war der erste Dik­aste­ri­en­lei­ter an der Römi­schen Kurie, der unter Papst Fran­zis­kus sei­nen Stuhl räu­men muß­te. Am 21. Sep­tem­ber 2013 ernann­te ihn Fran­zis­kus zum Groß­pö­ni­ten­ti­ar der Apo­sto­li­schen Pöni­ten­tia­rie. Eine ehren­vol­le Auf­ga­be mit wohl­klin­gen­dem Titel, aber gerin­gem Ein­fluß auf die Lei­tung der Welt­kir­che. Die schnel­le Abbe­ru­fung war das Beglei­chen einer offe­nen Rech­nung. Die hat­te Kar­di­nal Hum­mes, der das Pon­ti­fi­kat Berg­o­glio im Kon­kla­ve aktiv unter­stütz­te. Weni­ge Jah­re nach sei­ner Abset­zung kehr­te der deutsch­stäm­mi­ge Bra­si­lia­ner 2013 mit Papst Fran­zis­kus in den Vati­kan zurück – noch ein­fluß­rei­cher als 2006.

Kar­di­nal Pia­cen­za nann­te den hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney. Die­ser Hei­li­ge stand 2010 gewis­ser­ma­ßen am Beginn sei­ner Ernen­nung zum Kle­rus­prä­fek­ten. Papst Bene­dikt XVI. woll­te in dem von ihm aus­ge­ru­fe­nen Jahr des Prie­sters (2009/​2010) den hei­li­gen Pfar­rer von Ars zum Patron und Vor­bild des Prie­ster­stan­des machen. Dage­gen gab es jedoch erheb­li­chen Wider­stand, der mit Nach­druck auch vom dama­li­gen Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Hum­mes,  unter­stützt wur­de. Der Kon­flikt ent­brann­te über das Ver­ständ­nis vom Prie­ster­tum. Bene­dikt XVI. wur­de hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand vor­ge­wor­fen, zu einem „vor­kon­zi­lia­ren“ Prie­ster­ver­ständ­nis „zurück­keh­ren“ zu wollen.

Er hat­te das Jahr des Prie­sters mit dem Dies nata­lis des Hei­li­gen begin­nen las­sen und schloß es auch damit ab. Die genau­en Details der Sabo­ta­ge­ak­ti­on sind bis heu­te nicht bekannt. Tat­sa­che ist, daß die vom Papst für den 11./12. Juni 2010 geplan­te Erhe­bung des Hei­li­gen zum Patron der Prie­ster im letz­ten Moment nicht oder nur indi­rekt statt­fand. Der Tep­pich mit dem Bild des Hei­li­gen war bereits an der Fas­sa­de des Peters­do­mes aus­ge­hängt worden.

Eine Kon­se­quenz dar­aus war die Ent­las­sung Hum­mes und die Beru­fung Pia­cenz­as durch Papst Bene­dikt XVI.

Tau­sen­de Prie­ster aus aller Welt waren der Ein­la­dung Bene­dikts XVI. gefolgt und hat­ten sich damals auf dem Peters­platz mit ihm ver­sam­melt. Wer es erlebt hat, wie mehr als 17.000 Prie­ster zusam­men mit dem Papst am 11. Juni 2010 vor dem Aller­hei­lig­sten knie­ten und eucha­ri­sti­sche Anbe­tung hiel­ten, wird die­sen erha­be­nen und erhe­ben­den Augen­blick nicht mehr vergessen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Avve­ni­re (Screen­shot)

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