Wird Paul VI. heiliggesprochen und Humanae vitae entsorgt?


Heiligsprechung von Papst Paul VI. (1963-1978). Im Bild die Seligsprechung 2014.
Heiligsprechung von Papst Paul VI. (1963-1978). Im Bild die Seligsprechung 2014.

(Rom) Papst Paul VI. wird hei­lig­ge­spro­chen. Die Kar­di­nä­le haben gestern das dazu nöti­ge Wun­der aner­kannt. Die Letzt­ent­schei­dung steht zwar Papst Fran­zis­kus zu, doch dürf­te sei­ner Zustim­mung nichts mehr im Wege stehen.

Paul VI., letzter Papst mit der Tiara
Paul VI., letz­ter Papst mit der Tiara
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Die römi­sche Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se setz­te ein­stim­mig den vor­letz­ten Schritt, und mach­te damit den Weg für die Hei­lig­spre­chung von Papst Paul VI. frei, der von 1963–1978 regier­te. In des­sen Amts­zeit fal­len kon­tro­ver­se und gegen­sätz­li­che Ent­wick­lun­gen. Am Beginn sei­ner Amts­zeit gefei­ert, setz­te er das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil fort und führ­te 1965 und beson­ders radi­kal 1969 zwei Lit­ur­gie­re­for­men durch. Von ihm stammt die Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae, die im Kon­text von 1968 als pro­phe­tisch zu bezeich­nen ist. Er war in der zwei­ten Hälf­te sei­ner Amts­zeit zuneh­mend ein „ein­sa­mer Papst“.

Die Grün­de dafür sind viel­schich­tig. Sie haben damit zu tun, daß die Umbrü­che in Men­ta­li­tät und Gesell­schaft der Kir­che nicht den erhoff­ten „Früh­ling“ brach­ten, der mit dem Kon­zil erhofft wor­den war. Zudem distan­zier­ten sich ehe­ma­li­ge Weg­ge­fähr­ten, als der Papst im Lau­fe sei­nes Pon­ti­fi­kats von der pro­gres­si­ven Agen­da, die er zunächst tat­kräf­tig unter­stützt hat­te, abrückte.

Heiligsprechung von Paul VI. „wahrscheinlich im Oktober“

Der päpst­li­che Haus­va­ti­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li nann­te gestern „wahr­schein­lich Okto­ber“ als Datum für die Hei­lig­spre­chung. Gio­van­ni Bat­ti­sta Mon­ti­ni, so der bür­ger­li­che Name von Papst Paul VI., starb im August 1978. In weni­gen Mona­ten jährt sich sein 40. Todes­tag. An die­sem Tag wird die Hei­lig­spre­chung aber nicht statt­fin­den. In Rom ste­hen die Räder im August weit­ge­hend still. Vor allem aber, so gibt es Tor­ni­el­li zu ver­ste­hen, soll die Hei­lig­spre­chung mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil in Ver­bin­dung gebracht werden.

Das gestern aner­kann­te Wun­der betrifft die medi­zi­nisch nicht erklär­ba­re Hei­lung eines damals, 2014, noch unge­bo­re­nen Mäd­chens aus der nord­ita­lie­ni­schen Pro­vinz Vero­na. Der Fall wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren studiert.

Paul VI., Enzyklika Humanae vitae
Paul VI., Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae

In der 13. Schwan­ger­schafts­wo­che wur­den Patho­lo­gien fest­ge­stellt, die das Leben des Kin­des und der Mut­ter in Fra­ge stell­ten. Da sich der Gesund­heits­zu­stand ver­schlech­ter­te, wur­de der Mut­ter eine Abtrei­bung emp­foh­len. Van­na Piro­na­to, so der Name der damals 35 Jah­re alten Mut­ter, und ihr Mann ent­schei­den sich jedoch für das Leben und die Fort­set­zung der Schwangerschaft.

Am 19. Okto­ber 2014 fand die Selig­spre­chung Pauls VI. statt. Das Wun­der, das die Selig­spre­chung mög­lich mach­te, wie das Ehe­paar damals über die Medi­en hör­te, betraf ein unge­bo­re­nes Kind. Am 29. Okto­ber unter­nahm das Ehe­paar eine Wall­fahrt zur Gna­den­mut­ter von Bre­scia, einem Wall­fahrts­ort, der Paul VI. beson­ders kost­bar war. Dort fei­er­te der jun­ge Mon­ti­ni am Tag nach sei­ner Prie­ster­wei­he die Primiz.

Sie nah­men im Gebet ihre Zuflucht zu ihm und rie­fen ihn für ihr Kind als Für­spre­cher vor Gott an. Die Schwan­ger­schaft wur­de durch die Ent­schlos­sen­heit des Ehe­paars Piro­na­to trotz stän­di­gen Frucht­was­ser­ver­lu­stes fort­ge­setzt. In der 26. Schwan­ger­schafts­wo­che kam ihre Toch­ter Aman­da Maria Pao­la, zum Stau­nen der Ärz­te, völ­lig gesund zur Welt und ist es auch heute.

In den kom­men­den Tagen wird Kar­di­nal­prä­fekt Ange­lo Ama­to dem Papst die Ent­schei­dung der Kon­gre­ga­ti­on mit­tei­len. Die Letzt­ent­schei­dung des Pap­stes wird die­ser beim näch­sten Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um bekannt­ge­ben. Die Hei­lig­spre­chung wird, so Tor­ni­el­li, „wahr­schein­lich“ im Rah­men der Jugend­syn­ode stattfinden.

Da sie zudem mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil in Zusam­men­hang gebracht wer­den soll, kom­men nur die drei ersten Sonn­ta­ge im Okto­ber in Betracht. „Am wahr­schein­lich­sten“ sei der 21. Okto­ber, so Tornielli.

Der „große Steuermann des Konzils“

Papst Fran­zis­kus, wie der päpst­li­che Haus­va­ti­ka­nist erin­nert, bezeich­ne­te Paul VI. als „demü­ti­gen und pro­phe­ti­schen Zeu­gen der Lie­be zu Chri­stus und Sei­ner Kir­che“. Er sei der „gro­ßer Steu­er­mann des Kon­zils“ gewe­sen. „Wäh­rend sich eine säku­la­ri­sier­te und feind­se­li­ge Gesell­schaft abzeich­ne­te, wuß­te er mit weit­blicken­der Klug­heit – und manch­mal Ein­sam­keit – das Ruder des Schif­fes des Petrus zu füh­ren, ohne je die Freu­de und das Ver­trau­en in den Her­ren zu verlieren.“

Man­che sehen die bevor­ste­hen­de Hei­lig­spre­chung etwas skep­ti­scher. Kri­ti­siert wird dabei grund­sätz­lich der unge­wöhn­li­che Drang, alle Päp­ste seit dem Kon­zil auf die Altä­re zu erhe­ben. Die Hei­lig­spre­chung von Päp­sten ist in der Geschich­te tat­säch­lich kei­ne Sel­ten­heit, doch wur­de nur eine klei­ne Min­der­heit kano­ni­siert. Es ent­ste­he daher der Ein­druck, als sol­le mit der Hei­lig­spre­chung der Kon­zil­s­päp­ste das Kon­zil „gehei­ligt“ werden.

Zudem ste­he die Hei­lig­spre­chung in einem poten­ti­el­len Kon­trast zu Bestre­bun­gen, das bedeu­tend­ste Doku­ment von Paul VI., die Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae, einer „Über­prü­fung“ zu unter­zie­hen und sind dar­über ziem­lich besorgt.

Wird Paul VI. hei­lig­ge­spro­chen, aber Hum­a­nae vitae entsorgt?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider/​HLI/​MiL /​Screenshots)

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