Macht Franziskus den politischen Vordenker Bartolomeo Sorge SJ zum Kardinal?


Bartolomeo Sorge Papst Franziskus und neue Kardinaele
Für 2018 werden neue Kardinalskerierungen erwartet: Wird der Jesuit Bartolomeo Sorge zu den Auserwählten gehören?

(Rom) In Rom ist die Rede von neu­en Kar­di­nals­kre­ierun­gen. Vier­mal erhob Papst Fran­zis­kus bis­her amtie­ren­de oder eme­ri­tier­te Kir­chen­män­ner in den Kar­di­nals­stand. 49 der 119 der­zeit in einem Kon­kla­ve wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­le wur­den von ihm gekürt. Ten­denz schnell stei­gend. Ein Name taucht in der Gerüch­te­kü­che wie­der­holt auf: der des Jesui­ten Bar­to­lo­meo Sorge.

Bartolomeo Sorge, der politische Vordenker des italienischen Linksbündnisses
Bar­to­lo­meo Sor­ge, Vor­den­ker eines Linksbündnisses
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Der­zeit machen die von Fran­zis­kus ernann­ten Papst­wäh­ler, und damit auch Papa­bi­li, mehr als 41 Pro­zent. Mit der fünf­ten Kar­di­nals­kre­ierung sei­nes Pon­ti­fi­kats wer­den sie die abso­lu­te Mehr­heit des Wahl­kör­pers stellen.

Da Papst Johan­nes Paul II. das Wahl­gre­mi­um auf 120 Kar­di­nä­le begrenzt hat, wäre der­zeit nur ein Sitz zu ver­ge­ben. Im Lau­fe des Jah­res wer­den aber fünf Kar­di­nä­le das 80. Lebens­jahr voll­enden und das Wahl­recht im Kon­kla­ve ver­lie­ren. Es sind die Kar­di­nä­le Romeo, Coc­co­pal­me­rio, Mon­tei­ro de Castro, Nguy­en Van Nhon und Ama­to. Der Viet­na­me­se Nguy­en Van Nhon wur­de 2015 von Papst Fran­zis­kus ernannt. Das gilt auch für den Mexi­ka­ner Kar­di­nal Sua­rez Inda, der spä­te­stens Anfang 2019 aus dem Wahl­kör­per aus­schei­det. Die ande­ren wur­den von Papst Bene­dikt XVI. kre­iert, von denen Kuri­en­kar­di­nal Coc­co­pal­me­rio, in Sachen Amo­ris lae­ti­tia, ein eif­ri­ger Par­tei­gän­ger sei­nes Nach­fol­gers Fran­zis­kus wurde.

Bereits in der Ver­gan­gen­heit wur­den gele­gent­lich Kar­di­nals­er­nen­nun­gen auf Vor­rat vor­ge­nom­men, also über die Höchst­zahl von 120 hin­aus, wenn in der unmit­tel­ba­ren Zeit nach dem Kon­si­sto­ri­um eine alters­be­ding­te Redu­zie­rung abseh­bar war. 2019 wer­den neben Kar­di­nal Sua­rez Inda, der am 30. Janu­ar 80 wird, wei­te­re neun Kar­di­nä­le die Alters­gren­ze errei­chen. Mög­li­che Todes­fäl­le nicht eingerechnet.

Wer aber ist Bartolomeo Sorge?

Die Tages­zei­tung Il Foglio ver­öf­fent­lich­te gestern anonym ein Gespräch mit einem unge­nann­ten Kar­di­nal. Das fik­ti­ve Gespräch faßt die Gerüch­te­kü­che zusam­men. Dem­nach sei unter den neu­en Pur­pur­trä­gern nicht mit amtie­ren­den Diö­ze­san­bi­schö­fen aus Ita­li­en zu rech­nen. Papst Fran­zis­kus wol­le das Gewicht der Ita­lie­ner wei­ter redu­zie­ren, indem er immer wei­ter von Rom ent­fernt „fischt“. Das Pro­blem die­ser Metho­de, unbe­kann­te Bischö­fe aus exo­ti­schen oder zumin­dest ent­le­ge­nen Län­dern zu ernen­nen, bestehe dar­in, daß die­se Kir­chen­für­sten „dann nicht ein­mal nach Rom kom­men“. Soweit die Tageszeitung.

Bartolomeo Sorge mit seinem Mitbruder Kardinal Martini
Bar­to­lo­meo Sor­ge mit sei­nem Mit­bru­der Kar­di­nal Martini

Selbst hoch­ran­gi­ge Kuri­en­mit­ar­bei­ter sind der Mei­nung, daß Papst Fran­zis­kus man­che der von ihm aus fer­nen Lan­den ernann­ten Kar­di­nä­le weder per­sön­lich ken­ne noch deren Akte gele­sen habe. Wie genau die Emp­feh­lun­gen zustan­de kämen, sei „rät­sel­haft“. Es erschei­ne wie „ein Spiel“, so ein hang­ho­her Offi­zi­al, so als woll­te Fran­zis­kus den Hei­li­gen Geist „auf die Pro­be“ stellen.

Il Foglio bestä­tig­te das Gerücht, daß der bekann­te ita­lie­ni­sche Jesu­it Bar­to­lo­meo Sor­ge zu Kar­di­nals­wür­den auf­stei­gen könn­te. Sor­ge ist bereits über 80 und wäre daher kein Papst­wäh­ler mehr. Es gehört seit Ein­füh­rung der Alters­gren­ze zur Gepflo­gen­heit, daß Päp­ste älte­re Theo­lo­gen mit dem Pur­pur aus­zeich­nen. Damit signa­li­sie­ren sie, wes­sen Wir­ken und theo­lo­gi­sches Den­ken sie für ver­dienst­voll hal­ten. Die­se Ernen­nun­gen geben am deut­lich­sten Aus­kunft über die Aus­rich­tung eines Pontifikats.

Der Jesu­it Sor­ge ist, dem der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat ent­spre­chend, ein enga­gier­ter Links­ka­tho­lik. Rete Due des öffent­lich-recht­li­chen Hör­funks RSI der ita­lie­ni­schen Schweiz bezeich­ne­te ihn in einer Hör­funk­rei­he als „pri­vi­le­gier­ten Zeu­gen der Trans­for­ma­ti­on der Kir­che und der Welt in den ver­gan­ge­nen 50 Jah­ren ‚vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil bis heu­te‘ “, wie der Unter­ti­tel eines sei­ner  auto­bio­gra­phi­schen Bücher lautet.

Vordenker eines katholischen Linksbündnisses

1929 auf der Insel Elba gebo­ren, trat er 1946 in die Gesell­schaft Jesu ein und wur­de 1958 zum Prie­ster geweiht.

1965 wur­de der Bas­ke Pedro Arru­pe zum Ordens­ge­ne­ral der Jesui­ten gewählt. Die Wahl stand unter dem Ein­druck des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, das sei­ner Umset­zung harr­te. Für Arru­pe bedeu­te­te das, den „Zei­chen der Zeit“ fol­gend, die Öff­nung gegen­über dem Marxismus.

1966 wur­de Sor­ge in die Redak­ti­on der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca ent­sandt, deren Chef­re­dak­teur er 1973 wur­de. Ein Amt, das er bis 1985 inne­hat­te. Sor­ges pri­mä­res Enga­ge­ment galt der Poli­tik. Sein Ziel war eine Erneue­rung der Christ­de­mo­kra­tie (DC) durch eine Links­öff­nung, wes­halb er sich mit gro­ßem Ein­satz gegen jede Form des katho­li­schen „Inte­gra­lis­mus“ stell­te. Papst Fran­zis­kus spricht von „rigi­den“ Katho­li­ken und meint dasselbe.

Sorge-Buch: „Hinausgehen aus dem Tempel“
Sor­ge-Buch: „Hin­aus­ge­hen aus dem Tempel“

Evan­ge­li­sie­rung sei „För­de­rung des Men­schen“. Das sei der Kern des Evan­ge­li­ums, so Sor­ge 1976, womit zunächst weni­ger eine reli­giö­se For­mung gemeint war, son­dern struk­tu­rel­le Rah­men­be­din­gun­gen durch eine aus­ge­präg­te Sozi­al­po­li­tik. Die Men­schen müß­ten das Lebens­not­wen­di­ge haben, Arbeit und Bildung.

Nach sei­nem Aus­schei­den aus der Redak­ti­on der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift grün­de­te und lei­te­te er in Paler­mo das Insti­tut für poli­ti­sche Bil­dung Pedro Arru­pe. Der Name war Pro­gramm. Tei­le des Jesui­ten­or­dens haben Johan­nes Paul II. nie ver­zie­hen, daß er 1981 einen Schlag­an­fall ihres Gene­rals nütz­te, um ihn zu ent­mach­ten und den Links­kurs zu beenden.

In Paler­mo war Sor­ge maß­geb­lich an der Grün­dung der Par­tei La Rete von Leo­lu­ca Orlan­do betei­ligt, eines Expo­nen­ten des lin­ken DC-Flü­gels, der 1985 zum ersten Mal Bür­ger­mei­ster der Stadt gewor­den war. Die Par­tei war ein Bau­stein zur Ver­wirk­li­chung von Sor­ges Traum, eines Bünd­nis­ses der Christ­de­mo­kra­ten mit der poli­ti­schen Lin­ken. Anders aus­ge­drückt: eines Bünd­nis­ses links der Mit­te. Sor­ge ging es dabei weni­ger um La Rete, die eine Klein­par­tei blieb, son­dern um das Pro­jekt einer gro­ßen, sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Linkspartei.

Die­ses Bünd­nis ver­wirk­lich­te sich tat­säch­lich in Etap­pen: zunächst als Wahl­bünd­nis Alli­anz der Pro­gres­si­ven, dann 1995–2007 als Oli­ven­baum (L’Ulivo), dem das gan­ze Spek­trum von den Alt­kom­mu­ni­sten, über die sozi­al­de­mo­kra­ti­sier­ten Ex-Kom­mu­ni­sten, die Grü­nen, die Links­li­be­ra­len bis zu den lin­ken Christ­de­mo­kra­ten angehörte.

2007 war es schließ­lich soweit, als mit der Demo­kra­ti­schen Par­tei (PD) wei­te Tei­le die­ses Spek­trum zu einer gro­ßen, mode­ra­ten Links­par­tei fusio­nier­ten. Der PD stellt seit 2013 Ita­li­ens Mini­ster­prä­si­den­ten. Sor­ge hat­te die letz­te Etap­pe, vom Par­tei­en­bünd­nis zur gemein­sa­men Par­tei, 2003 in sei­nem Buch „Der kom­men­de Oli­ven­baum. Ein neu­es Pro­jekt für Ita­li­en“ (L’U­li­vo che ver­rà. Un pro­get­to nuo­vo per l’I­ta­lia) vorgezeichnet.

„Jesus lächelt. Mit Papst Franziskus die Religion der Angst überwinden“

Nur neben­bei: Orlan­do, zuletzt wie­der seit 2012 Bür­ger­mei­ster von Paler­mo, trat zu Jah­res­be­ginn dem PD bei.

Sorge-Buch: „Jesus lächelt“
Sor­ge-Buch: „Jesus lächelt“

1997 über­sie­del­te Pater Sor­ge nach Mai­land, wo er die Lei­tung des Cen­tro San Fede­le des Jesui­ten­or­dens über­nahm und bis 2004 inne­hat­te. Zugleich war er bis 2009 Chef­re­dak­teur der dort ange­sie­del­ten Zeit­schrift Aggior­na­men­ti Socia­li, die vom dor­ti­gen Zen­trum für Sozi­al­stu­di­en der Jesui­ten her­aus­ge­ge­ben wird. Die Stu­di­en­zen­tren des Jesui­ten­or­dens spiel­ten vor allem seit den 60er Jah­ren eine zen­tra­le Rol­le bei der Annä­he­rung zwi­schen Chri­sten­tum und Mar­xis­mus. Der heu­ti­ge Ordens­ge­ne­ral Arturo Sosa Absa­cal ist Ver­tre­ter eines sol­chen Studienzentrums.

Heu­te ist Sor­ge noch Co-Chef­re­dak­teur der Zeitschrift.

Bereits 1991 hat­te er das Buch „Hin­aus­ge­hen aus dem Tem­pel“ (Usci­re dal Tem­pio) ver­öf­fent­licht. Ein Titel, der vor­weg­nahm, was Papst Fran­zis­kus heu­te der Kir­che ver­ord­net. Ent­spre­chend bedank­te sich Sor­ge: 2014 leg­te er das Buch mit dem bezeich­nen­den Titel „Jesus lächelt. Mit Papst Fran­zis­kus die Reli­gi­on der Angst über­win­den“ vor.

Papst Fran­zis­kus schickt sich an, die­sen poli­ti­schen Vor­den­ker mit der Ver­lei­hung der Kar­di­nals­wür­de, die höch­ste Ehre zukom­men zu las­sen. Zugleich erteilt er sei­nem Traum vom poli­ti­schen Links­bünd­nis der Kir­che sei­nen Segen.

Ein Bünd­nis, das von Papst Fran­zis­kus geteilt wird, aller­dings bei den ita­lie­ni­schen Par­la­ments­wah­len am kom­men­den 4. März laut allen Umfra­gen eine Nie­der­la­ge erle­ben wird.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Diocesi Marz­a­ra del Vallo (Screen­shots)

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