Die Dialektik der Gegner von Humanae vitae


Humanae vitae: Mit zweifelhafter Dialektik die kirchliche Lehre ändern.
Humanae vitae: Mit zweifelhafter Dialektik die kirchliche Lehre ändern?

(Rom) Im Vati­kan ist ein „unfai­res“ Manö­ver im Gan­ge, das jene betrei­ben, die Hum­a­nae vitae umschrei­ben möch­ten. Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster ver­öf­fent­lich­te dazu ein Schrei­ben, das ihm von einem „Kir­chen­ver­tre­ter mit wis­sen­schaft­li­cher Spe­zia­li­sie­rung von hohem Niveau und bedeu­ten­den Lehr­auf­trä­gen in Ita­li­en und im Aus­land, der aber auch in der Seel­sor­ge tätig ist“, über­mit­telt wurde.

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Der Autor des Brie­fes zeigt die Halt­lo­sig­keit der Argu­men­te auf, die für eine Über­ar­bei­tung der Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae vor­ge­bracht wer­den mit dem Ziel, deren zen­tra­len Kern zu besei­ti­gen. Das war vor allem Mit­te Dezem­ber bei einer Tagung an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Gre­go­ria­na der Fall.

Moraltheologe auf Abwegen

Beson­ders abwe­gig sei die „unfai­re“ Behaup­tung, künst­li­che Ver­hü­tungs­mit­tel sei­en des­halb erlaubt, weil sie von vie­len Katho­li­ken genützt wer­den, und die dabei kei schlech­tes Gewis­sen hätten.

Damit wer­de ein „fehl­ge­lei­te­tes Gewis­sen“ zur Tugend gemacht, so der Autor. Die Ver­ant­wor­tung dafür kön­ne aber nicht auf die Paa­re abge­scho­ben wer­den. Die Ver­ant­wor­tung tra­gen jene in der Kir­che, die sie schlecht erzo­gen haben, indem sie die Leh­re von Hum­a­nae vitae sie syste­ma­tisch und über Gene­ra­tio­nen, unter­schla­gen, ver­schwie­gen und ver­bo­gen haben.

Kon­kret geht der Brief­au­tor auf den Vor­trag des Prie­ster Mau­ri­zio Chio­di ein. Chio­di lehrt Moral­theo­lo­gie an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät von Nord­ita­li­en (FTIS). Er gehört zum umstrit­te­nen Kreis der neu­ernann­ten Mit­glie­der der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben, die Papst Fran­zis­kus im Juni 2017 auf Emp­feh­lung von Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia vor­ge­nom­men hatte.

Chio­dis distan­zier­te Hal­tung zu Hum­a­nae vitae ist seit Jah­ren bekannt. Die­se Beden­ken wur­den durch sei­ne Rede an der Gre­go­ria­na bestätigt.

Versuche zur Neuinterpretation

Papst Paul VI. hat­te mit der Enzy­kli­ka 1968 inmit­ten der Stu­den­ten­un­ru­hen bekräf­tigt, die zu einer radi­ka­len Men­ta­li­täts­ver­schie­bung nach links führ­ten, daß künst­li­che Ver­hü­tungs­mit­tel uner­laubt sind. Das war acht Jah­re nach­dem die „Pil­le“ auf den Markt gekom­men und die Ent­kop­pe­lung von Sexua­li­tät und Zeu­gung in vol­lem Gan­ge war. Die Bischö­fe des deut­schen Sprach­rau­mes, aber nicht nur sie, ver­wei­ger­ten sich sofort. Mit den König­stei­ner, Maria­tro­st­er und Luzer­ner Erklä­run­gen lie­ßen sie die Katho­li­ken im offe­nen Wider­spruch zum Papst wis­sen, daß sie das selbst mit ihrem Gewis­sen aus­ma­chen sollten.

Humanae vitaeVor dem Hin­ter­grund die­ses Unge­hor­sams der kirch­li­chen Hier­ar­chie, der nicht fol­gen­los blei­ben konn­te, wer­den zahl­rei­che der wei­te­ren Fehl­ent­wick­lun­gen im deut­schen Sprach­raum verständlicher.

Das The­ma der Gre­go­ria­na-Tagung deu­te­te bereits an, in wel­che Rich­tung der Zug rol­len sollte:

„Hum­a­nae vitae im Licht von Amo­ris lae­ti­tia neu lesen“.

Chio­di stell­te in sei­nem Refe­rat die Gül­tig­keit und Ver­bind­lich­keit der kirch­li­chen Leh­re in Sachen Ver­hü­tungs­mit­tel in Fra­ge, obwohl die­se von Paul VI. und sei­nen Nach­fol­gern gelehrt und bekräf­tigt und auch von Papst Fran­zis­kus nicht geän­dert wur­de. Hum­a­nae vitae lehrt, daß eine ehe­li­cher Akt, der bewußt unfrucht­bar gemacht wird, in sich nicht mehr ehr­lich ist. Die­ser Aspekt steht auch in kau­sa­lem Zusam­men­hang mit der Leh­re der Kir­che zur Homo­se­xua­li­tät. In einer hoch­sexua­li­sier­ten Gesell­schaft tun sich sol­che Gedan­ken und Vor­stel­lun­gen frei­lich schwer, durch­zu­drin­gen und Gehör zu finden.

Der Brief­au­tor macht für den Ist­zu­stand aber maß­geb­lich die Kir­chen­ver­tre­ter selbst ver­ant­wort­lich. Wenn es heu­te so schwer sei, gehört zu wer­den, dann des­halb, weil zu vie­le in der Kir­che seit 1968 die Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae abge­lehnt und daher offen und vor allem ver­deckt bekämpft hätten.

Irrendes Gewissen zur Tugend erheben

Das Haupt­ar­gu­ment Chio­dis, mit dem er den Kern der Enzy­kli­ka aus den Angeln heben und für über­holt erklä­ren will, ist der sta­ti­sti­sche, sozio­lo­gi­sche und pasto­ra­le Ver­weis, daß die von Paul VI. bekräf­tig­te Bestim­mung vom Got­tes­volk in gro­ßem Stil miß­ach­tet wird. Ent­schei­dend, so der Moral­theo­lo­ge, sei dabei, daß sich die katho­li­schen Män­ner und Frau­en, die künst­li­che Ver­hü­tungs­mit­tel nüt­zen, sich kei­ner Schuld bewußt sei­en. Daher kla­gen sie sich in der Beich­te des­sen auch nicht an und bit­ten den Beicht­va­ter nicht um Rat und geist­li­che Hilfe.

Laut der Vor­trags­nie­der­schrift, die von Life­Si­teNews am 8. Janu­ar ver­öf­fent­licht wur­de, sag­te Chio­di, daß „auch eine brei­te Mehr­heit gläu­bi­ger Ehe­leu­te lebt, als wür­de es die­se Bestim­mung nicht geben“.

Die­se Aus­sa­ge sei, so der Brief­au­tor, aller­dings wenig ori­gi­nell. Die Zahl der Theo­lo­gen und Kir­chen­ver­tre­ter, die sie in der Ver­gan­gen­heit vor­ge­bracht haben, reicht weit zurück.

Die Lai­en zur Recht­fer­ti­gung einer Posi­ti­on her­an­zu­zie­hen, die der kirch­li­chen Leh­re wider­spricht, sei „irre­füh­rend“ und zurück­zu­wei­sen. Damit wer­de auch ver­sucht, die Ver­ant­wor­tung abzuschieben.

Dahin­ter ver­ber­ge sich ein fal­sches Ver­ständ­nis vom Gewissen.

Der bequeme Weg gegen Humanae vitae

Zahl­reich sei­en näm­lich die Prie­ster und Lai­en in der Fami­li­en- und Jugend­pa­sto­ral, die bewußt oder unbe­wußt ent­schei­den­de Tei­le der kirch­li­chen Moral­leh­re unter den Tisch fal­len­lie­ßen. Sie haben dazu bei­getra­gen, daß das Gewis­sen der Gläu­bi­gen nicht aus­rei­chend geschult wur­de. Das Ergeb­nis die­ser Unter­las­sung nun als Argu­ment her­an­zu­zie­hen, um eine Ände­rung der Leh­re zu for­dern, sei per­fid und unfair.

Zu vie­le in der Kir­che sei­en näm­lich den beque­men Weg gegan­gen und hät­ten sich auch nicht um die natür­li­che Emp­fäng­nis­re­ge­lung geküm­mert. Ein Defi­zit, das bei einem direk­ten Ver­gleich zwi­schen ein­zel­nen Län­dern beson­ders deut­lich wer­de. Wo die natür­li­che Emp­fäng­nis­re­ge­lung von der Kir­che auf­ge­grif­fen und den Paa­ren auf­ge­zeigt wur­de, ist eine hohe Über­ein­stim­mung zwi­schen den Gläu­bi­gen und der Leh­re der Kir­che fest­stell­bar. Das genaue Gegen­teil gilt in den mei­sten west­li­chen Län­dern, wo Hum­a­nae vitae als Hemm­schuh der unge­zü­gel­ten, sexu­el­len „Ent­fal­tung“ und Lust­be­frie­di­gung, oder gar als Bevor­mun­dung, gese­hen und abge­lehnt wird.

Hubert Hecker mach­te jüngst in einer bemer­kens­wer­ten Rei­he auf die Defi­zi­te in der Jugend­pa­sto­ral auf­merk­sam und den kir­chen­frem­den Sexu­al­leh­ren, die in kirch­li­chen Ein­rich­tun­gen ver­brei­tet werden.

Paglias Umerziehungsversuche

Der Brief­au­tor zeigt anhand eines kon­kre­ten Bei­spiels das Ver­säum­nis kirch­li­cher Ver­tre­ter auf, die nun die Fol­gen ihrer Ver­säum­nis­se zur Tugend machen möch­ten. Chio­di selbst, der Hum­a­nae vitae nicht ver­tritt, wur­de in der Ver­gan­gen­heit vom vati­ka­ni­schen „Fami­li­en­mi­ni­ster“ Vin­cen­zo Paglia mehr­fach ein­ge­la­den, zum The­ma Ehe­mo­ral und Fort­pflan­zung Wei­ter­bil­dungs­se­mi­na­re für die Offi­zia­len sei­nes Dik­aste­ri­ums zu halten.

Was soll­ten sie von Chio­di lernen?

Da die Offi­zia­len über eine soli­de Aus­bil­dung in der Schu­le der Kar­di­nä­le Alfon­so Lopez Tru­ji­l­lo und Ennio Anto­nel­li erhal­ten hat­ten, wuß­ten sie dem frem­den Geist zu wider­ste­hen und Pagli­as-Umer­zie­hungs­ab­sich­ten abzu­weh­ren. Der Päpst­li­che Rat für die Fami­lie wur­de inzwi­schen zwar auf­ge­löst, Paglia jedoch von Papst Fran­zis­kus zum Vor­sit­zen­den der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben und das Päpst­li­che Insti­tut Johan­nes Paul II. für Ehe- und Fami­li­en­wis­sen­schaf­ten ernannt.

Es ist, als wür­de man einen Ele­fan­ten, von dem gera­de ein Por­zel­lan­la­den ver­wü­stet wur­de, in zwei neue hineintreiben.

„In die­sem Kli­ma des ange­wand­ten Revi­sio­nis­mus ist aller­dings zu erwäh­nen, daß es auch wich­ti­ge Stel­lung­nah­men gibt, die Hum­a­nae vitae ver­tei­di­gen und die authen­ti­sche Leh­re der Enzy­kli­ka unter­stüt­zen“, so Magister.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cie­lo (Screen­shot)

 

 

 

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