Der Ring von Kardinal Danneels (nicht des Polykrates)


Der Ring des Polykrates und der Ring des Kardinals Danneels.
Der Ring des Polykrates und der Ring des Kardinals Danneels.

von Fer­di­nand Boischot

Anzei­ge

Der gro­ße grie­chi­sche Histo­ri­ker Hero­dot (484–426 v. C.) beschreibt in sei­nem Werk Histo­ri­en über die Per­ser­krie­ge in einem Neben­ka­pi­tel die rüh­ren­de Geschich­te vom Ring des Polykrates.

Der Ring des Polykrates

Poly­kra­tes war im 6. Jahr­hun­dert vor Chri­stus Tyrann und Allein­herr­scher der Insel Samos in der Ägä­is. Alle sei­ne Unter­neh­mun­gen waren von Erfolg gekrönt, und er galt als der glück­lich­ste Mensch auf Erden. Damit die Göt­ter auf ihn nicht nei­disch wür­den, woll­te er sich selbst ein Unglück zufügen.

Bei einer Boots­fahrt warf er sei­nen außer­or­dent­lich schö­nen, von ihm gelieb­ten gol­de­nen Ring ins Meer und ver­spür­te tat­säch­lich Trau­er. Wenig spä­ter fin­gen zwei Fischer einen gro­ßen gol­de­nen Fisch und brach­ten ihn dem Tyran­nen Poly­kra­tes als Geschenk. Groß war die Über­ra­schung, als beim Aus­neh­men des Fisches der gol­de­ne Ring des Herr­schers zum Vor­schein kam.

Poly­kra­tes wein­te sehr, denn er wuß­te: Die Göt­ter wer­den sich irgend­wann für die­ses unglaub­li­che Glück rächen.

Wenig spä­ter wur­de Poly­kra­tes betrü­ge­risch von den Per­sern aufs Fest­land gelockt und starb einen grau­sa­men Tod.

Der Ring des Godfried Danneels

Eben­so unglaub­lich aber völ­lig real ist die Geschich­te des Bischofs­rings von Kar­di­nal Danneels.

Danneels, Erzbischof von Mecheln-Brüssel 1977-2010
Dan­neels, Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel 1977–2010

Die Geschich­te nahm ihren Anfang an einem hoch­som­mer­li­chen Mon­tag­nach­mit­tag 1981 in der erz­bi­schöf­li­chen Stadt Mecheln in Bel­gi­en. Ein sehr blas­ser und schlan­ker jun­ger Mann, etwas unge­pflegt, betrat einen Juwe­lier­la­den und frag­te, ob man den von ihm mit­ge­brach­ten Ring nicht schät­zen könnte.

Der Juwe­lier erkann­te als Fach­mann sofort, was ihm gezeigt wur­de, wil­lig­te ein und nahm den Ring zur Begut­ach­tung ins Hinterzimmer:

Es war der Bischofs­ring sei­nes Erz­bi­schofs God­fried Dan­neels, der 1977 zum Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel und Pri­mas von Bel­gi­en ernannt wor­den war.

Sofort wur­de die Poli­zei von Mecheln alar­miert, die aus allen Wol­ken fiel. Vom erz­bi­schöf­li­chen Ordi­na­ri­at lag weder eine Ver­lust­mel­dung vor noch war ein Ein­bruch oder Dieb­stahl ange­zeigt worden.

Die Poli­zei benach­rich­tig­te das Sekre­ta­ri­at des Erz­bi­schofs, das sehr freund­lich, dank­bar und zuvor­kom­mend regier­te, sich zugleich aber recht zuge­knüpft gab, was die Umstän­de des offen­sicht­li­chen Ver­lu­stes betraf.

Der mysteriöse Fall

Spä­ter fand sich irgend­wo im erz­bi­schöf­li­chen Palast ein ein­ge­schla­ge­nes Fen­ster­chen. God­fried Dan­neels sag­te aus, daß er etwas Lärm gehört hät­te und flüch­tig zwei schat­ten­haf­te Gestal­ten flie­hen hät­te sehen. Die zwei betag­ten Ordens­frau­en, die auch im Palast leb­ten, hat­ten weder etwas gese­hen oder gehört.

Außer dem Ring fehl­te nichts.

Nach Aus­sa­gen des Kar­di­nals und sei­ner direk­ten Mit­ar­bei­ter habe der Bischofs­ring immer auf dem Schreib­tisch des Erz­bi­schofs gele­gen. Sein Ver­schwin­den sei nicht auf­ge­fal­len gewesen.

Wie­so das Feh­len eines der wich­tig­sten Insi­gni­en und Pon­ti­fi­ka­li­en eines Bischofs[1]Bei der Bischofs­wei­he, wenn ihm der Ring über­ge­ben wird, wird ihm gesagt: „Nimm den Ring, das Sie­gel der Treue, damit du Got­tes hei­li­ge Braut, die Kir­che, geschmückt durch unwan­del­ba­re Treue, … Con­ti­n­ue rea­ding min­de­stens meh­re­re Tage unbe­merkt blei­ben konn­te, und dies trotz täg­li­cher Meß­ver­pflich­tung, blieb eine offe­ne Frage.

Der blas­se Jüng­ling war auch nicht sehr auskunftsfreudig.

Ein sehr myste­riö­ser Fall mit vie­len Ungereimtheiten.

Vergeben und (fast) vergessen

Das Erz­bis­tum, offen­sicht­lich sehr glück­lich, daß das ver­lo­re­ne Stück wie­der zurück war, übte sich groß­zü­gig­ste Miser­i­cor­dia und woll­te alles ver­ge­ben und ver­ges­sen und nicht an die gro­ße Glocke hängen.

Godfried Danneels
Dan­neels, Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel 1977–2010

Das aber war schlecht mög­lich. Inzwi­schen wuß­ten schon zu vie­le Per­so­nen von die­sem kurio­sen Fall. Noch ärger­li­cher war, daß Dan­neels, schon durch ande­re Eigen­hei­ten und merk­wür­di­ge Kon­tak­te auf­ge­fal­len und immer wie­der mit sexu­el­len The­men han­tie­rend, erneut in eine pikan­te Situa­ti­on gera­ten war.

Freun­de aus Dan­nee­els Umfeld, die den Erz­bi­schof stüm­per­haft ver­tei­dig­ten, kamen so auf die wirk­lich dum­me Idee, das myste­riö­se Auf­tau­chen des erz­bi­schöf­li­chen Bischofs­rings mit einer Dieb­stahl­ge­schich­te in Ver­bin­dung zu brin­gen, die ver­spä­tet, aber dafür aus­gie­big an die Pres­se wei­ter­ge­reicht und auch inter­na­tio­nal ver­brei­tet wurde.

In den fol­gen­den Deka­den der kirch­li­cher Zer­stö­rung und Ver­tu­schung von kirch­li­chen und bischöf­li­chen Skan­da­len konn­ten die bel­gi­schen Medi­en fast völ­lig auf Main­stream-Linie gebracht und von Kri­tik dazu gesäu­bert werden.

Inter­na­tio­nal und spä­ter mit den neu­en Medi­en klapp­te das natür­lich nicht. Para­do­xer­wei­se führ­te gera­de die von Erz­bis­tum gesteu­er­te Pres­se­ak­ti­on dazu, daß die­se myste­riö­se Ring-Geschich­te doku­men­tiert wurde.

Die hol­län­di­sche Zei­tung Leid­se Cou­rant (kom­plett im Inter­net archi­viert) vom Mitt­woch, 22. Juli 1981 berich­te­te über den Dieb­stahl. Der Ring war damals schon auf­ge­taucht! Eine sol­che Epi­so­de ließ sich eben nicht verstecken.

Sie wird auch kurz in der gro­ßen Dan­neels-Bio­gra­phie erwähnt, die 2015 von sei­nem Freund und Bewun­de­rer Jür­gen Met­te­pen­nin­gen, einem aus­ge­tre­te­nen und inzwi­schen ver­hei­ra­te­ten Ex-Bene­dik­ti­ner­mönch, ver­öf­fent­licht wurde.

Typisch für die Ära

Von dem blas­sen jun­gen Mann, der den Ring schät­zen las­sen woll­te, wur­de übri­gens nie mehr gesprochen.

Theo­re­tisch dürf­te als Straf­tat­be­stand Diebstahl/​Einbruch/​Hehlerei oder Betei­li­gung dar­an vor­ge­le­gen haben. Wie Kar­di­nal Dan­neels aber immer wie­der sag­te, und wohl noch bis zum bit­te­ren Ende (in den Dan­neelstapes mit dem miß­brauch­ten Nef­fen sei­nes Freun­des und pädo­phi­len Bischofs von Brüg­ge, Roger Vang­he­lu­we) sagen wird: „Man muß ver­ge­ben und ver­ges­sen können“.

Von gro­ßem Respekt für die Bischofs­in­si­gni­en und Sinn für das Sakra­le kün­det die Geschich­te jeden­falls nicht. Viel­mehr ist sie typisch für die Ära Dan­neels: jede Men­ge Unsinn, Häre­si­en und Feh­ler, und alles ver­tuscht, beschö­nigt und zurechtgebogen.

Die Mafia von Sankt Gal­len hat­te schon sehr merk­wür­di­ge Mitglieder.

Text: Fer­di­nand Boischot
Bild: Ebay/​Wikicommons/​MiL (Screen­shots)

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1 Bei der Bischofs­wei­he, wenn ihm der Ring über­ge­ben wird, wird ihm gesagt: „Nimm den Ring, das Sie­gel der Treue, damit du Got­tes hei­li­ge Braut, die Kir­che, geschmückt durch unwan­del­ba­re Treue, unver­letzt behü­test“. Der Ring ist das Sym­bol der dau­ern­den Bin­dung des Bischofs an sein Bistum.
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