(Wien) Kardinal Christoph Schönborn, der Erzbischof von Wien und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, wurde von Papst Franziskus in einem ersten Moment als „authentischer Interpret“ des umstrittenen, nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia bezeichnet. Im September 2016 ging diese Rolle auf die Bischöfe der Kirchenprovinz Buenos Aires über. In der aktuellen Ausgabe der Beilage Christ & Welt der Wochenzeitung Die Zeit wurde ein Interview mit Kardinal Schönborn veröffentlicht.
Darin äußert er Verständnis für die vier Kardinäle, die im Herbst 2016 die inzwischen schon berühmten Dubia (Zweifel) zu Amoris laetitia vorlegten. Dabei handelt es sich um die Kardinäle Walter Brandmüller, Raymond Burke, Carlo Caffarra und Joachim Meisner.
Er „könne Zweifel an den Antworten des Papstes grundsätzlich verstehen“, heißt es in der Zusammenfassung, die auf der Internetseite des Erzbistums Wien veröffentlicht wurde. Es sei „gut und richtig“, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Dies sei aber, so der Kardinal, „inzwischen auch vielfach geschehen“ (siehe Alle antworten auf die Dubia, nur der Papst nicht).
Auf Dubia „vielfach“ geantwortet
Schönborn verweist aber nicht auf Papst Franziskus, der sich bis heute nicht direkt dazu geäußert hat, sondern auf das Buch des Philosophen Rocco Buttiglione, das im vergangenen Herbst mit einem einleitenden Aufsatz von Kardinal Gerhard Müller veröffentlicht wurde, dem ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation, der von Papst Franziskus Ende Juni 2017 entlassen wurde. „Beide zeigen dort, dass die Zweifel der vier Kardinäle im Text von ‚Amoris laetitia‘ selbst die Antwort finden“, so Schönborn.
Zugleich tadelte er das Vorgehen der vier Kardinäle als „nicht angemessen“. Als Beispiel nannte er, weil sie öffentlich bekanntgemacht hatten, daß Papst Franziskus sie nicht empfangen will.
„Das gehört sich nicht für enge Mitarbeiter des Papstes.“
Nicht erwähnt wurde vom Kardinal, daß Papst Franziskus hingegen einen Publizisten in Audienz empfing, der bisher einzig durch eine ausfällige Attacke gegen die Kardinäle der Dubia aufgefallen war, die er eines „satanischen Mißbrauchs“ bezichtigte.
Unerwähnt ließ er auch, daß zwei der vier Kardinäle bereits verstorben sind, ohne eine Antwort von Papst Franziskus, dem Adressaten ihrer Dubia, erhalten zu haben.
Grundsätzlich äußerte Kardinal Schönborn:
„Habe den Eindruck, dass Franziskus der geistliche Vorausgeher in der heutigen Zeit ist und viele hinter sich nachzieht.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Erzbistum Wien (Screenshot)