Krebsgeschwür: Römische Kurie chronisch und irreversibel erkrankt?


Weihnachtsansprache 2017 von Papst Franziskus an die Römische Kurie, die offenbar unheilbar von einem "Krebsgeschwür" befallen ist.
Weihnachtsansprache 2017 von Papst Franziskus an die Römische Kurie, die offenbar unheilbar von einem "Krebsgeschwür" befallen ist.

(Rom) Die Römi­sche Kurie ist von Mul­ti­mor­bi­di­tät befal­len, geht es jeden­falls nach Papst Fran­zis­kus. Seit sei­nem Amts­an­tritt ver­sucht sich der Papst knapp vor Weih­nach­ten in einer Dia­gno­se, und die ist uner­bitt­lich. Die häu­fig­ste päpst­li­che Dia­gno­se für den Sym­ptom­kom­plex Kurie lau­tet „Krebs­ge­schwür“. Ein klei­ner Rück­blick auf die fünf Weih­nachts­an­spra­chen an die Römi­sche Kurie im Pon­ti­fi­kat von Papst Franziskus.

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Es sind gleich meh­re­re Erkran­kun­gen, die den Cor­pus der Zen­tral­stel­le der Welt­kir­che angrei­fen, die den Papst bei deren Lei­tung unter­stüt­zen soll. Seit sei­nem Amts­an­tritt lie­fert Papst Fran­zis­kus in sei­nen Weih­nachts­wün­schen an die Kurie Dia­gno­sen des Lei­dens. Folgt man sei­nen Wor­ten, müs­sen die­se chro­nisch und irrever­si­bel sein. Die päpst­li­che Haupt­dia­gno­se für den Gesamt­kom­plex der von ihm aus­fin­dig gemach­ten Krank­heits­er­schei­nun­gen ist jene, die fast alle Men­schen erschau­dern läßt: „Krebs“.

„Gründliche Diagnose“ und „sorgfältige Analyse“

Das sei das Ergeb­nis, so Fran­zis­kus 2016, das Ergeb­nis einer „gründ­li­chen Dia­gno­se“ und „sorg­fäl­ti­gen Analyse“.

Weihnachtsansprache 2015
Weih­nachts­an­spra­che 2015

Jedes Jahr, wenn die Welt sich auf das schön­ste, har­mo­nisch­ste und freu­dig­ste Fest des Jah­res vor­be­rei­tet, die Geburt des Got­tes­soh­nes Jesus Chri­stus, ein Fest, des­sen Fas­zi­na­ti­on sich auch Nicht-Chri­sten kaum ent­zie­hen kön­nen, geht Papst Fran­zis­kus ganz ande­re Wege. Wo Glück- und Segens­wün­sche aus­ge­tauscht wer­den, ein biß­chen mehr Frie­den herrscht als im übri­gen Jahr, wo die Men­schen sich in der Fami­lie zusam­men­fin­den, um gemein­sam zu fei­ern, und die dunk­len Punk­te, die anson­sten das Zusam­men­le­ben bela­sten kön­nen, still­schwei­gend in den Hin­ter­grund tre­ten, schwingt Fran­zis­kus mit beson­de­rer Uner­bitt­lich­keit die Axt der gna­den­lo­sen Kri­tik. Sei­ne Weih­nachts­bot­schaf­ten an die Römi­sche Kurie sind alle Jah­re wie­der ein radi­ka­ler Kon­tra­punkt zur Har­mo­nie des Augenblicks.

Die Mul­ti­mor­bi­di­tät der Römi­schen Kurie umfaßt rekord­ver­däch­ti­ge fünf­zehn Krank­hei­ten, die Fran­zis­kus in sei­ner Anspra­che von 2014 minu­ti­ös dia­gno­sti­zier­te. Statt eines Lobes, eines guten Wor­tes und eines Dan­kes erhal­ten die Kar­di­nä­le, Bischö­fe und Mon­signo­ri in Rom eine all­jäh­ri­ge Kopfwäsche.

Stichwörter der Diagnose

Stich­wör­ter, die allein in den ver­gan­ge­nen drei Anspra­chen genannt wur­den, lau­ten (ein Auszug):

„Selbst­zweck“, „unbe­weg­li­cher Appa­rat“, „Schön­heits­chir­ur­gie“, „Flecken“, „Per­so­nal aus­tau­schen“, „Krank­hei­ten“, „offe­ner Wider­stand“, „ver­bor­ge­ner Wider­stand“, „ver­stei­ner­te Her­zen“, „lee­res Gere­de“, „geist­li­cher Gat­to­par­dis­mus“, „bös­wil­li­ger Wider­stand“, „ver­dreh­te Men­ta­li­tä­ten“, „böse Dämon“, „Zuflucht in Tra­di­tio­nen“, „Zei­chen von Tod“, „schä­di­gen“, „krank machen“, „ver­bor­ge­ne Ehr­gei­ze“, „heim­li­che Ant­ago­nis­men“, „Selbst­be­zo­gen­heit“, „Sphinx mit einer Zahn­bür­ste put­zen“, „Selbst­zer­stö­rung“, „ver­werf­li­che Men­ta­li­tät von Ver­schwö­run­gen“, „Krebs­ge­schwür“, „fälsch­li­cher­wei­se zu Mär­ty­rern des Systems erklä­ren“, „kor­rum­pie­ren“, „Kata­log der Kuri­en­krank­hei­ten“, „Krank­hei­ten“, „Über­wa­chung“, „schmerz­haf­te Ein­grif­fe“, „blin­de Buch­sta­ben-Justiz“, „Ver­rä­ter“, „Intri­gen“, „Gel­tungs­sucht“…

Auch für Weih­nach­ten 2017, es war die fünf­te Weih­nachts­an­spra­che von Fran­zis­kus, dia­gno­sti­zier­te der Papst kei­ne Bes­se­rung. Die Römi­sche Kurie scheint für ihn ein unheil­ba­rer Pati­ent. Die Schluß­fol­ge­rung des Pap­stes „vom Ende der Welt“ ist mit­leid­los: Die Römi­sche Kurie ist vom „Krebs“ befallen.

„Krebsgeschwür“

In drei von fünf sei­ner Weih­nachts­an­spra­chen sprach Fran­zis­kus von „Krebs“ und „Krebs­ge­schwür“.

2017

„Dies ist sehr wich­tig, um die unaus­ge­wo­ge­ne und ver­werf­li­che Men­ta­li­tät von Ver­schwö­run­gen oder klei­nen Zir­keln zu über­win­den. Die­se stel­len näm­lich in Wirk­lich­keit trotz aller Recht­fer­ti­gun­gen und guten Absich­ten ein Krebs­ge­schwür dar, das zur Selbst­be­zo­gen­heit führt und auch vor den Orga­nis­men der Kir­che als sol­chen und ins­be­son­de­re vor den Men­schen, die dort arbei­ten, nicht halt­macht. Wenn dies aber pas­siert, ver­liert man die Freu­de des Evan­ge­li­ums, die Freu­de dar­an, Chri­stus zu ver­kün­di­gen und in Gemein­schaft mit ihm zu sein; wir ver­lie­ren dann die Groß­her­zig­keit unse­rer Weihe“.

2016

„Ande­rer­seits muss die Pra­xis des pro­mo­vea­tur ut amo­vea­tur unbe­dingt defi­ni­tiv ad acta gelegt wer­den. Das ist ein Krebs­ge­schwür.“

2014

„Die Krank­heit der geschlos­se­nen Zir­kel, wo die Zuge­hö­rig­keit zum Grüpp­chen stär­ker wird als die zum Leib und – in eini­gen Fäl­len – zu Chri­stus selbst. Auch die­se Krank­heit beginnt immer mit guten Absich­ten, aber im Lau­fe der Zeit unter­jocht sie die Mit­glie­der und wird zu einem Krebs, der die Har­mo­nie des Lei­bes bedroht und viel Unheil ver­ur­sacht – Anstoß erregt – beson­ders für die Gering­sten unse­rer Brüder.“

Der ungewöhnliche Familienvater

Das Unge­wöhn­li­che: Es ist der Vater, der in der Fami­lie der Römi­schen Kurie bei jedem Weih­nachts­tref­fen auf das Nega­ti­ve fixiert ist. Das Gegen­teil des­sen, was man sich von einem Fami­li­en­va­ter in einem sol­chen Moment erwartet.

Laut dem jüngst erschie­nen Buch „Der Papst-Dik­ta­tor“ von Mar­can­to­nio Colon­na, sei der so ver­nich­tend Kri­tik üben­de und gna­den­los die Keu­le schwin­gen­de Papst der wah­re Fran­zis­kus, wäh­rend der lächeln­de, leut­se­li­ge Papst ein Medi­en­kon­strukt, eine Art PR-Gag sei.

Bereits zum Jah­res­wech­sel 2013/​2014 schrieb das Wochen­ma­ga­zon Focus, daß die Kuri­en­mit­ar­bei­ter in einem Kli­ma der Ein­schüch­te­rung leben. Seit­her sind sol­che Berich­te zahl­reich gewor­den. Wer den image­be­zo­ge­nen Kurs nicht mit­ver­fol­gen will, ist in die inne­re Emi­gra­ti­on abge­taucht. Ande­re, die den Kurs des argen­ti­ni­schen Pap­stes aus Über­zeu­gung, auf­grund ihres Loya­li­täts­ver­ständ­nis­ses oder ihrer Kar­rie­re wegen mit­ge­hen, sei­en zu vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam ver­lei­tet, der man­che Blü­te treibt.

Eine sich wie­der­ho­len­de Ein­schät­zung ist, daß Papst Fran­zis­kus eine tie­fe Abnei­gung gegen die Römi­sche Kurie hege. Eine Abnei­gung, die fak­ten­los­ge­löst ist und älte­ren Datums sein müs­se. Etwas, was er bereits aus Bue­nos Aires nach Rom mit­ge­bracht und auch seit­her nicht abge­legt hat.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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