Franziskus bat Rohingya um Vergebung. Wofür?


Papst Franziskus beim Treffen mit Rohingya in Bangladesch.
Papst Franziskus beim Treffen mit Rohingya in Bangladesch.

(Rom) Die Asi­en-Rei­se von Papst Fran­zis­kus sorgt wei­ter­hin für Dis­kus­sio­nen. Das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt besuch­te ver­gan­ge­ne Woche die Staa­ten Myan­mar und Ban­gla­desch. Im Mit­tel­punkt der Irri­ta­tio­nen steht gleich mehr­fach der Islam, bzw. der päpst­li­che Umgang mit der Fra­ge Islam und Gewalt und die päpst­li­che Hal­tung gegen­über Muslimen.

Die ungewöhnliche Aufmerksamkeit für eine islamische Gruppe

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Myan­mar, das ehe­ma­li­gen Bir­ma, steht in jüng­ster Zeit in der inter­na­tio­na­len Kri­tik wegen des Kon­flikts mit dem Volk der Roh­in­gya im Westen des Lan­des. Die Roh­in­gya sind mehr­heit­lich sun­ni­ti­sche Mus­li­me. Auch Papst Fran­zis­kus sprach die Fra­ge mehr­fach an, ohne in sei­nen offi­zi­el­len Reden in Myan­mar die Roh­in­gya nament­lich zu erwäh­nen. Letz­te­res brach­te ihm eini­ge Kri­tik ein.

Myan­mar ver­folg­te in der Ver­gan­gen­heit nicht nur gegen die­se eth­ni­sche Min­der­heit eine Poli­tik der Repres­si­on und auch nicht spe­zi­fisch gegen Anhän­ger des Islams. Die bir­ma­ni­sche Regie­rungs­po­li­tik, das Land ist zum weit­aus größ­ten Teil bud­dhi­stisch, rich­tet sich gene­rell gegen eth­ni­sche und reli­giö­se Min­der­hei­ten. Mehr­heit­lich christ­li­che Völ­ker oder Volks­grup­pen wie die Chin, aber auch die Karen, wur­den in den ver­gan­ge­nen 25 Jah­ren nicht weni­ger grau­sam ver­folgt als die Rohingya.

Rich­tung inter­na­tio­na­le Medi­en und Poli­tik wäre daher die Fra­ge zu stel­len, war­um die ver­folg­ten, christ­li­chen Eth­ni­en in Myan­mar kei­ne sol­che Auf­merk­sam­keit fan­den als nun die mus­li­mi­schen Roh­in­gya, die von der UNO zur welt­weit „meist­ver­folg­ten“ Min­der­heit erklärt wur­den. Eine Ein­stu­fung, über die zu dis­ku­tie­ren wäre.

Papst verharmlost islamischen Terrorismus und beschimpft Katholiken

Auf dem Rück­flug von sei­nem Asi­en-Besuch wur­de Papst Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen Sams­tag von einem Jour­na­li­sten dar­auf ange­spro­chen, daß der Roh­in­gya-Kon­flikt von Dschi­had-Mili­zen aus­ge­nützt wer­den könn­te. Die Reak­ti­on des Pap­stes empört seit­her nicht nur Katholiken.

Wann immer das Kir­chen­ober­haupt auf den isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus oder das Ver­hält­nis Islam und Gewalt ange­spro­chen wird, kri­ti­siert er Katho­li­ken, die er auf die­sel­be Stu­fe mit den Dschi­ha­di­sten und den Ter­ro­ri­sten des Isla­mi­schen Staa­tes (IS) stellt. Im Juli 2016 nach dem isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus gefragt, sprach Fran­zis­kus von „gewalt­tä­ti­gen Katho­li­ken“. Am ver­gan­ge­nen Sams­tag nach dem isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus gefragt, sprach Fran­zis­kus von „fun­da­men­ta­li­sti­schen Katho­li­ken“. Bei­de Mal stell­te er die von ihm kri­ti­sier­ten Katho­li­ken den Ter­ro­ri­sten gleich.

Seit­her ist von einer wie­der­hol­ten Ver­harm­lo­sung des isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus die Rede und von einer uner­hör­ten Belei­di­gung der Katho­li­ken. Um den Islam mit Samt­hand­schu­hen behan­deln und ihn trotz der Schwert­ver­se im Koran und trotz der Krie­ge Moham­meds an Fried­fer­tig­keit mit dem Chri­sten­tum auf eine Stu­fe stel­len zu kön­nen, setzt das Kir­chen­ober­haupt die eige­nen katho­li­schen Gläu­bi­gen in aller Öffent­lich­keit herab.

Seltsame Vergebungsbitte

Das ist aber nicht der ein­zi­ge Punkt, der im Zusam­men­hang mit dem Asi­en-Auf­ent­halt und dem Islam für Irri­ta­tio­nen sorgt. Nach Myan­mar besuch­te Fran­zis­kus das benach­bar­te Ban­gla­desch, wohin mehr als eine hal­be Mil­li­on Roh­in­gya aus Myan­mar geflüch­tet sind. Mit den Ben­ga­len ver­bin­det sie nicht nur die gemein­sa­me isla­mi­sche Reli­gi­on, son­dern auch Spra­che und Kultur.

In Ban­gla­desch traf sich Fran­zis­kus mit 16 aus Myan­mar geflo­he­nen Roh­in­gya. Bei die­ser Gele­gen­heit, außer­halb von Myan­mar, sprach sie der Papst nun als Roh­in­gya an, was von offi­zi­el­len kirch­li­chen Medi­en mit Nach­druck her­vor­ge­ho­ben wur­de. Durch die­sen Eifer, her­aus­strei­chen zu wol­len, daß Fran­zis­kus nun tat­säch­lich das Wort Roh­in­gya aus­ge­spro­chen hat­te (wenn auch auf ben­ga­li­schem und nicht mehr bir­ma­ni­schem Boden, was aus diplo­ma­ti­scher Klug­heit gesche­hen sein kann) wur­de auch der Rest sei­ner frei gehal­te­nen Rede an die Roh­in­gya bekannt – und sorg­te für wei­te­re Irritationen.

Wört­lich sag­te der Papst:

„Im Namen aller, die euch ver­folgt haben, die euch Leid zuge­fügt haben, bit­te ich um Vergebung.“

Hat Papst Fran­zis­kus die Roh­in­gya ver­folgt? Hat die katho­li­sche Kir­che die Roh­in­gya ver­folgt? Haben Katho­li­ken im Zusam­men­hang mit ihrem Glau­ben die Roh­in­gya ver­folgt? Haben über­haupt getauf­te Chri­sten die Roh­in­gya ver­folgt? War­um bit­tet der Papst um Ver­ge­bung für Leid und Gewalt, die von ganz ande­ren ver­übt wur­de? Wel­chen Sinn macht eine sol­ches mea cul­pa?

Schuld und Sün­de sind immer per­sön­lich, anson­sten wür­de eine Kol­lek­tiv­schuld dar­aus, die zurecht und mit Vehe­menz in jedem Zusam­men­hang zurück­zu­wei­sen ist. Die gro­ße zivi­li­sa­to­ri­sche Errun­gen­schaft der Straf­rechts­ent­wick­lung besteht gera­de dar­in, daß jede Form von Kol­lek­tiv­schuld und damit Sip­pen­haf­tung aus dem Rechts­ver­ständ­nis besei­tigt wur­de. Die Stell­ver­tre­tung durch unbe­tei­lig­te Drit­te kann­te das Recht ohne­hin nie. Nur Dik­ta­tu­ren und Will­kür­herr­schaft ken­nen sie. Die katho­li­sche Tra­di­ti­on kennt die Form der stell­ver­tre­ten­den Süh­ne, die durch unbe­tei­lig­te Drit­te vor Gott erfol­gen kann. Völ­lig unbe­kannt ist aber eine stell­ver­tre­ten­de Ver­ge­bungs­bit­te gegen­über Opfern, weil sie eben­so wir­kungs­los wie sinn­wid­rig wäre.

Und über­haupt: Was sagen die Schul­di­gen, die Täter des Lei­des, zu die­ser unauf­ge­for­der­ten Ver­ge­bungs­bit­te durch den Papst?

Und nur am Ran­de sei erwähnt, daß es auch unter den Roh­in­gya Chri­sten gibt. Nicht alle sind Muslime.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Avve­ni­re (Screen­shot)

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