Gastkommentar von Hubert Hecker
Die zunehmende Zahl islamisch motivierter Gewalttaten und Kriege stellt die kirchliche Dialogstrategie infrage. Auf diesem Hintergrund fragte der DBK-Vertreter für den interreligiösen Dialog, Bischof Georg Bätzing von Limburg, auf einer Pressekonferenz in Fulda:
„Lag die katholische Kirche falsch, als sie mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine geradezu kopernikanische Wende in ihrem Verhältnis zum Islam vollzog? War die Kirche naiv, als sie in Nostra aetate die verbindenden Glaubensinhalte von Islam und Christentum herausstellte und sich zum Dialog bekannte?“
Der interreligiöse Dialog ist blauäugig
Solche kritischen Anfragen kommen nicht nur aus einem kirchenfernen „Meinungsklima“. Schon 2007 hatte Kardinal Karl Lehmann den interreligiösen Dialog mit den Muslimen als „zu blauäugig“ kritisiert. Doch die derzeitigen DBK-Verantwortlichen nehmen die aufgeworfenen Bedenken und Infragestellungen nicht ernst und wischen sie beiseite. Jedenfalls gibt es keine Hinweise auf Analysen und Erörterungen dazu, sondern nur die trotzige Antwort des Weiterso:
„Seien Sie gewiss: Die Kirche wird sich von solchen Fragen (…) nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Wir brauchen nicht weniger, sonder mehr Dialog.“
Auch der Hinweis auf Papst Franziskus, nach dem man „das Wort Dialog bis zur Erschöpfung wiederholen“ müsse, wirkt als Durchhalteparole wenig überzeugend. Ähnlich ratlos macht eine frühere Aussage von Kurienkardinal Tauran, nach der die Kirche „zum Dialog verurteilt“ sei. Von wem denn und warum eigentlich?
Diesen hilflosen Versicherungen ist die oben angesprochene Naivität auf die Stirn geschrieben. Doch die Blauäugigkeit der Kirche in Bezug auf den Islam ist nicht neu, sie war schon in dem Konzilsdokument angelegt.
Papst Johannes XXIII. hatte dem Konzil die Generalvorgabe gemacht, andere Weltanschauungen grundsätzlich nicht zu kritisieren oder gar zu verurteilen – wie etwa den Kommunismus als totalitäre Ideologie für Gewaltregime. Nur die positiven Anliegen und Elemente der Systeme sollten herausgestellt werden. Bei den nicht-christlichen Religionen wollte man die Gemeinsamkeiten betonen. Man glaubte damals, dass sich bei diesem wohlwollenden Vorgehen die Wahrheit oder wenigstens politische und humanitäre Lösungen im beständigen Dialog herauskristallisieren würden.
Papst Benedikt – selbst ein Konzilsberater – hat später den allzu optimistischen Konzilsansatz kritisiert. Realitätsfern nannte er es, wenn bei den Religionen die Irrwege und negativen Seiten ausgeblendet würden. Er sprach sogar – in Anlehnung an die Schattenseiten der Vernunftgeschichte – von „Pathologien der Religionen“. Als Beispiele führte er die Menschenopfer der Azteken auf oder Tempelprostitution und Witwenverbrennungen im Hinduismus.
Wer im Islam nur das Gute sehen will …
In der Gegenwart erfahren wir in den muslimischen Gewaltexzessen weltweit Pathologien des Islam. Aber schon in der Konzilszeit hätte man aus Geschichte und Koran wissen können, dass der Islam seit seiner Gründung ein erhebliches Gewaltpotential enthält. Beispielhaft für mehrere Dutzend Gewalt- und Kampfaufrufe gegen Ungläubige sei die Sure 9,5 zitiert: „Nach den heiligen Monaten tötet die Götzendiener, wo ihr sie auch finden möget, oder nehmt sie gefangen oder belagert sie und lauert ihnen auf allen Wegen auf“. Die Millionen Dschihadisten, Salafisten und Wahabiten beziehen aus den koranischen Schwertversen, dem Vorbild des Kriegsherrn Mohammed sowie der kriegerisch erfolgreichen Frühzeit des Islam ihre religiöse Legitimation zu Aggression und Gewalt.
Davon will die Kirche partout nicht wissen. Unter dem oben skizzierten Ansatz, im Islam nur das Gute sehen zu wollen, wird die Religion Mohammeds von allen Gewaltaktionen exkulpiert. Dazu suchen die kirchlichen Dialog-Vertreter nach vor- und außerreligiösen Umständen, die sie als gewaltverursachend bestimmen, so dass religiös-islamische Motive, wenn überhaupt, nur als nachträgliche Ideologie gelten.
… (er)findet einen Entschuldigungskatalog für muslimische Gewalttaten
Nach diesem gesellschaftsmaterialistischen Ansatz wäre es etwa der „Kampf um Macht und Lebensressourcen“, der erst im Nachhinein mit „religiösen Inhalten aufgeladen“ würde. Oder Religion ‚benützte’ man zur Markierung unterschiedlicher Identitäten. Die Islam-Religion würde „missbraucht, um Menschen aufzuhetzen und das Töten zu legitimieren“. Der Islam würde „pervertiert“, indem „kriminelle Extremisten“ mit Berufung auf Koran und Allah Terror-Verbrechen ausübten. Schließlich seien die „wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände“ dafür verantwortlich, dass Islam-Anhänger in „Versuchung“ gerieten, „Gewalt religiös zu begründen“.
Dieser Entschuldigungskatalog für gewalttätige Muslime ist in Analogie zu neo-marxistischen Traktaten aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts konstruiert, die stets mit dem Refrain endeten: Die Gesellschaft wäre an allem schuld; die Umständen verleiteten zu Kriminalität; die Verhältnisse brächten Gewalt hervor. Die subjektiven Motive und Begründungen wären dagegen nur aufgesetzte Ideologisierungen ohne Relevanz.
Im Dialog den Schmerz thematisieren und therapieren?
Wenn diese bischöfliche Einschätzung zuträfe, dann wäre allerdings auch die Dialog-Strategie zur Einwirkung auf die religiöse Sphäre nur Symptomdokterei ohne Wurzelbehandlung. Dann müsste die DBK umfängliche wirtschaftliche Entwicklungshilfe und politische Interventionen unterstützen, um die Gewaltursachen in der Veränderung der Verhältnisse zu bekämpfen.
Doch diese Konsequenz wollen die deutschen Bischöfe auch nicht ziehen, weil sie sich nun einmal auf den Dialog mit dem Islam versteift haben. So bleibt ihnen nichts anderes übrig, als den seit 50 Jahren mehr oder weniger erfolglosen Islam-Dialog zu betrauern.
Diesen Eindruck vermittelt die Presseerklärung von Bischof Bätzing in einer Passage. Danach würden die christlichen Dialogpartner ihren „Schmerz thematisieren“ darüber, dass der Islam, die dem Christentum vermeintlich „so sehr verwandte Weltreligion“, in den Ruf von Gewaltaffinität gekommen sei. Bei den muslimischen Gesprächspartnern sollte einfühlsam gefragt werden, „wie sehr sie selbst leiden“ würden unter dem Schmerz des angeblich unberechtigten Gewaltvorwurfs. Der Dialogprozess ist damit auf dem Niveau eines empathischen Trauerkreises mit gegenseitigen Tröstungen angekommen.
Die scharfen Schwertverse hermeneutisch entschärfen?
Zum Schluss – wenn sich beide Seiten vertrauensvoll ausgeheult haben? – stellt Bischof Bätzing doch noch einen Versuch von Einwirkung auf den Islam vor. Er spricht von dem vorsichtigen „Bemühen“, die muslimischen Partner „im Gespräch dafür zu sensibilisieren“, ihre „heilig geglaubte Überlieferung“ neu zu interpretieren. Dabei sollten „tatsächliche oder vermeintliche Anknüpfungspunkte für Gewalt durch angemessene hermeneutische Methoden entschärft oder überwunden werden“.
Zunächst klingt es als Eingeständnis, dass die muslimischen Gewaltaktionen eben doch in der islamischen Überlieferung Ursprung und Legitimation haben. Doch die richtigen Aussagen werden sogleich relativiert, indem man den Ausweg der „vermeintlichen“ Gewaltaufrufe ins Spiel bringt und die koranischen Schwertverse zu bloßen „Anknüpfungspunkten“ herabstuft. So will man den Muslimen Gelegenheit geben, die aggressiven Kampfpassagen gegen die Ungläubigen im Koran umzuinterpretieren und „hermeneutisch zu entschärfen“.
Zu dieser gewundenen Erklärung kommen noch widersprüchliche Signale: Wenn der Islam zuerst von allen Gewaltvorwürfen reingewaschen wird, dann hat das doch auch für die Überlieferung zu gelten. Wenn die muslimischen Gewalttäter nur „kriminelle Extremisten“ wären, müsste der Koran nicht neu interpretiert werden. Die kirchliche Dialog-Strategie hat sich in einen Sackgasse manövriert.
Dieses Resultat ergibt sich aus der Naivität der Ausgangsvorgaben von dem gemeinsamen Guten im Islam: Man sieht über das Kernproblem der islamischen Überlieferung hinweg, die Gewalt gegen Ungläubige, und kommt damit zu widersprüchliche Ergebnissen und oberflächlichen Lösungen. Bischof Bätzing und alle Dialog-Verantwortlichen sollten bei ihrem Vorgehen das kürzlich ausgegebene Papstwort beherzigen: „Wenn es etwas gibt, das sich der Christ nicht erlauben kann, dann ist das Naivität.“
Klare Ansage an muslimische Verbände und Staaten
Eine ähnliche Kritik übt der einflussreiche indonesische Islamgelehrte Yai H. Y. C. Staquf an dem westlichen Schmusekurs, den Islam von Gewalt und Terror freizusprechen. „Wenn man das islamische Gewaltproblem leugnet, wird man es nicht lösen“, warnt der Generalsekretär einer 50 Millionen umfassenden Muslim-Vereinigung. Er sieht in der klassischen Orthodoxie, die seit dem Mittelalter den Islam in ein Regelkorsett einschnürt, die Verantwortlichkeit für die aktuelle Verbreitung von Kampf und Chaos, Dschihad und Krieg durch Muslime und islamische Staaten wie Saudi Arabien. Staquf fordert eine klare Ansage an muslimische Verbände und Staaten, von den starren Regeln der islamischen Überlieferung Abschied zu nehmen, um zu einem vernünftigen Miteinander der Völker im 21. Jahrhundert zu kommen. Dafür müsse der Westen allerdings den Druck auf die islamischen Gemeinschaften erhöhen.
Die deutschen Bischöfe dagegen wollen an ihrem weichspülenden Dialogkonzept festhalten. Dabei schalten sie die Kirche mit dem Islam gleich, da beide bisher „Teil der internationalen Probleme“ seien – beide? Angesichts der Kriege zwischen sunnitischen und schiitischen Staate sowie des islamischen Terrors ist diese Gleichstellung unfassbar. Ebenso naiv ist der Glaube, dass mit der nachsichtigen kirchlichen Gesprächsstrategie die kriegerischen islamischen Gruppen und Staaten zum „Teil der (internationalen) Lösung“ gemacht werden könnten.
Zum Schluss rekurriert Bischof Bätzing wieder auf die Konzilserklärung Nostra aetate: Der „gemeinsame Glaube beider Religionen an den barmherzigen Schöpfergott“ berge nach Überzeugung der Kirche ein „großes Friedenspotential“, das durch den interreligiösen Dialog aktiviert werde. Ebenso müsse man sich gemeinsam für die „Förderung der Freiheit aller Menschen“ einsetzen.
In 56 islamischen Staaten gilt die Scharia vor Freiheit, Frieden und Menschenrechten
Der Dialogkurs wird mit reinem Wunschdenken schöngeredet. Es müsste doch skeptisch machen, dass nach 50 Jahren interreligiösen Gesprächen nicht das Friedens‑, sondern das Kriegspotential des Islam größer geworden ist. Vor drei Jahrzehnten haben 56 islamische Staaten erklärt, dass sie Menschenrechte und Freiheiten nur unter dem Vorbehalt der Scharia anerkennen und auch nicht als Rechte, sondern als widerrufbare Gaben Allahs. Auch dessen Barmherzigkeit gilt laut Koran nur den Muslimen, den Andersgläubigen ist Dschihad und Hölle angesagt. Und die These, dass Christen und Allah-Gläubige an den gleichen Schöpfergott glaubten, ist ein theologischer Trugschluss.
Zu diesen Thesen sollte mal ein christlicher Dialogpartner – etwa in Saudi-Arabien – öffentlich die Probe aufs Exempel machen mit der biblischen Aussage: „Der Mensch ist nach dem Abbild Gottes geschaffen.“ Da würde er schnell wegen Blasphemie Allahs nach 1000 Peitschenhieben im Gefängnis landen, vielleicht in der Nachbarzelle von Raif Badawi. Wie gesagt: Im Islam gilt die Scharia vor Freiheit, Frieden und Menschenrechten. Dagegen helfen kein verständnisvoller Dialog oder hermeneutische Winkelzüge, sondern ein kraftvoller Protest und die weltweite Ächtung von pathologischen Zügen des Islam.
Text: Hubert Hecker
Bild: UCCR